F: Nationalversammlung für Netzsperren
Die französische Nationalversammlung hat den zentralen Aspekt des umstrittenen Netzsperrengesetzes Loi HADOPI verabschiedet. Demnach kann Urheberrechtsverletzern nach zweimaliger Warnung der Internet-Anschluss gekappt werden. Nur einige Details müssen noch im Vermittlungsprozess besprochen werden. Die französische Regierung versucht nun, "Three Strikes Out" in der ganzen EU salonfähig zu machen.
Internet-User riskieren in Frankreich in Zukunft die Abschaltung ihres Anschlusses, wenn sie unlizenzierte Medienprodukte herunterladen. Nach dem Senat billigte am Donnerstag die Nationalversammlung mit den Stimmen der konservativen Regierungsmehrheit (UMP) das umstrittene Vorhaben. Die Debatte dauert derzeit noch an, allerdings ist der zentrale Punkt, nämlich die Trennung des mutmaßlichen Urheberrechtsverletzers vom Netz, mit den Stimmen der UMP angenommen worden. Vorher hatte es noch eine Debatte darüber gegeben, ob statt der Sperren nur Geldstrafen verhängt werden sollten.
Mit dem Gesetz wird eine Kontrollstelle (HADOPI) eingerichtet, die auf Urheberrechtsverstöße im Internet aufmerksam macht. Wer nach zwei schriftlichen Abmahnungen noch immer unlizenzierte Downloads zieht, muss mit der Sperrung seines Internet-Abonnements für zwei Monate bis zu einem Jahr rechnen.
Richter sollen Sites filtern
Laut einem Bericht der Tageszeitung "Liberation" vom Donnerstag haben sich die UMP-Abgeordneten auch dafür entschieden, dass Richter den Internet-Providern vorschreiben dürfen, bestimmte Websites die Urheberrechtsverletzungen begünstigen komplett zu sperren. Diese Bestimmung steht in Artikel 5 des HADOPI-Gesetzes. Damit soll der Zugriff auf Websites wie The Pirate Bay unmöglich gemacht werden. Änderungsvorschläge, die diese Bestimmung abgemildert hätten, hat die Sarkozy-Partei abgeschmettert.
Widerstand auch in der UMP
Linke Parteien stimmten geschlossen gegen die Internet-Sperre. Auch im Regierungslager gab es Widerstände: Einige Abgeordnete hatten am Mittwoch vergeblich versucht, statt der Abschaltung eine Geldstrafe durchzusetzen. Der Gesetzentwurf, der bereits im Oktober durch den Senat angenommen wurde, muss nun wegen anderer Bestimmungen nochmals in den Vermittlungsausschuss. So hatte die Nationalversammlung am Donnerstagvormittag beschlossen, dass betroffene Internet-Nutzer nicht ihre Anschlussgebühr zahlen müssen, während sie vom weltweiten Datennetz abgetrennt sind.
Das Gesetz soll laut Kulturministerium als Abschreckung dienen und das legale Angebot von Musik und Filmen stärken. Es beruht auf einem Abkommen der Regierung mit der Musik- und Filmindustrie vom November 2007. Im Gegenzug für die verschärfte Verfolgung der Raubkopierer soll nach einer Selbstverpflichtung der Branche der Kopierschutz für Filme und Musik abgeschafft werden. Dieser Kopierschutz gilt allerdings selbst in der Medienindustrie als gescheitert.
Die nächsten Etappen des Gesetzgebungsprozesses sehen vor, dass eine Parlamentskommission den Text konsolidiert und anschließend zur Prüfung an das Verfassungsgericht (Conseil Constitutionnel) übergibt. Dies sei "die Feuerprobe für dieses ungenaue, absurde, gefährliche und nicht durchsetzbare Gesetz", so die Bürgerrechtler von La Quadrature du Net.
Letzte Hoffnung EU-Parlament
Das umstrittene Gesetz könnte allerdings noch durch einen Zusatz im Telekompaket der EU gekippt werden, das für den 21. April zur zweiten Lesung im EU-Parlament erwartet wird. Dieser sieht vor, dass Internet-Nutzern nicht ohne richterlichen Beschluss der Anschluss abgeschaltet werden darf. Die HADOPI soll nämlich ihre Beschlüsse ohne Richter treffen, und bei den ersten beiden Warnungen sollen die Nutzer nach dem Gesetzentwurf nicht einmal erfahren, welchen Verstoß sie eigentlich begangen haben sollen.
Die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net hat am Donnerstag davor gewarnt, dass der EU-Ministerrat in den aktuellen Verhandlungen im Trilog unter dem Einfluss der französischen Regierung den Zusatzantrag zu sabotieren versucht. In der Fassung des Ministerrats gibt es eine subtile Änderung. Nun soll es reichen, dass nicht mehr ein Richter, sondern nur "eine rechtlich dazu befugte Behörde" - sprich: die HADOPI - einen Eingriff in die Grundrechte der User verfügen darf. Die Organisation bezeichnet das als "archaisch" und "unakzeptabel".
Nach einer Umfrage des französischen Wirtschaftsblatts "Les Echos" wird die Umsetzung der "Three Strikes Out"-Regeln einen großen Internet-Provider rund zehn Millionen Euro pro Jahr kosten. Wenn nun auch die für die Nutzer drakonische Bestimmung wegfällt, dass sie auch nach der Sperre noch für ihren Anschluss zahlen müssen, wird das Vorhaben der Sarkozy-Partei für die Provider noch teurer.
(AFP/futurezone)