© ORF.at/Günter Hack, Albert Steinhauser und Eva Lichtenberger

Lichtenberger: "Notwehr" gegen Data-Retention

POLITIK
03.04.2009

Der Europawahlkampf naht. Die grüne Europaabgeordnete Eva Lichtenberger und Justizsprecher Albert Steinhauser haben die anstehende Umsetzung der EG-Richtlinie zur verdachtsunabhängigen Überwachung der Kommunikationsverbindungen zum Anlass genommen, vor weiteren Eingriffen zu warnen und die Grünen als Bürgerrechtspartei in Position zu bringen.

Auf einer Pressekonferenz am Freitag in Wien warnten Lichtenberger und Steinhauser vor einer Umsetzung der EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) in Österreich.

Die 2006 beschlossene Richtlinie verpflichtet Telefonie- und Internet-Anbieter zur verdachtsunabhängigen Speicherung sämtlicher Standort- und Verbindungsdaten. Diese müssen den Strafverfolgern zur Bekämpfung schwerer Straftaten zur Verfügung gestellt werden.

Aufruf zur Verweigerung

Lichtenberger rief die Regierung dazu auf, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht in nationales Recht umzusetzen. "Hier geht es um Notwehr", so die Abgeordnete, die Nichtumsetzung sei die letzte Chance, die Data-Retention in Österreich zu stoppen. Erst dann nämlich könne im Rahmen eines Mahnverfahrens der EU-Kommission festgestellt werden, dass die Richtlinie inhaltlich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße.

Das sei kein unübliches Vorgehen. Die Umsetzungsfrist für die Umsetzung der Richtlinie im Telefonie- und Internet-Bereich ist im März bereits verstrichen, derzeit arbeitet das Ludwig-Boltzmann-Institut im Auftrag von Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) an einem Gesetzesvorschlag für die Umsetzung der Richtlinie in heimisches Recht.

Steinhauser erwartet, dass die Data-Retention im Herbst im Nationalrat verhandelt werden wird. Falls die Richtlinie doch umgesetzt würde, sollte sich die Speicherfrist an der Untergrenze von sechs Monaten orientieren. Außerdem solle die Verwendung der Daten auf die Ermittlung in schweren Straftaten begrenzt und diese nur auf richterlichen Beschluss zugänglich gemacht werden.

Zu verhindern sei auch, dass der Zugriff auf Grundlage des novellierten Sicherheitspolizeigesetzes erfolge, das der Polizei bei selbst definierter "Gefahr im Verzug" den Zugriff auf Handypositionsdaten und Internet-Verbindungsdaten gebe. "Hier sind die rechtlichen Standards zu niedrig", so Steinhauser, der sich auch vorstellen kann, gegen die Data-Retention vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen.

Ausschaltung der Richter

Lichtenberger setzte die Vorratsdatenspeicherung auch in den Kontext jüngerer Entwicklungen, die die informationelle Selbstbestimmung der Bürger einschränken. Sie erwähnte die bisher verdeckten Verhandlungen über das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA, die Übermittlung von Flugpassagierdaten in die USA und Bestrebungen zur Einführung von Online-Durchsuchungen.

All diese Maßnahmen hätten gemeinsam, dass sie sehr unscharf formuliert seien und die Bürger pauschal überwacht würden. Lichtenberger: "Alle sind verdächtig." Schon ein Verwählen am Telefon könne dazu führen, dass Unschuldige ins Netz der Fahnder gerieten. Außerdem gebe es einen bedenklichen Trend, die Kontrolle durch Richter auszuschalten.

Der österreichischen Regierung warf Lichtenberger vor, die Chance nicht genutzt zu haben, im Rahmen der zweimonatigen Frist nach Inkrafttreten der Data-Retention-Richtlinie Einspruch erhoben zu haben. "Die Regierung hat hier große Fehler gemacht", so Lichtenberger, im EU-Parlament hätten Sozialdemokraten und Konservative 2006 hinter dem Rücken des liberalen Berichterstatters einen Kompromiss geschnürt und damit die Data-Retention durchgesetzt.

Im EU-Wahlkampf wollen sich die Grünen auch als Bürgerrechtspartei positionieren. "Wir stehen vor einer Welle der Verrechtlichung des Internets", so Lichtenberger, "wir müssen dabei die Freiheitsrechte sichern, damit das Internet nicht leichtfertig zerstört wird."

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(futurezone/Günter Hack)