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Experte: MP3 klingt besser als CD

MUSIKWAHRNEHMUNG
07.04.2009

Musik klingt nicht immer gleich: Es kommt ganz darauf an, in welchem Format sie abgespielt wird und welche Gewohnheiten der Hörer hat. Ein über sechs Jahre angelegter Hörtest an der Universität Stanford brachte erstaunliche Ergebnisse zutage: Studenten bevorzugen das MP3-Format gegenüber der CD.

Als CD-Qualität gilt ein WAV-File mit 44,1 kHz und 16-Bit-Auflösung in Stereo. So lässt sich die CD-Qualität direkt mit unterschiedlich codierten MP3s vergleichen.

Der Streit, welches Format für Audiodaten am besten klingt, ist alt: Schon als die CD die Schallplatte abgelöst hatte, wurde heftig diskutiert, ob die neue Scheibe tatsächlich besser klinge. Als die MP3 plötzlich zu einer Gefahr für die CD wurde, übertrug sich die Diskussion auch auf nichtphysikalische Tonträger: Klingt eine MP3 wirklich besser als eine CD, oder kann sie zumindest mithalten? Fortlaufende Tests brachten erstaunliche Ergebnisse zutage.

Studenten bevorzugen MP3-Format

Die Studenten in Stanford waren jeweils zwischen 18 und 25 Jahre alt und setzten sich aus auf Musiktechnologie spezialisierten sowie Studenten mit anderen Hauptfächern zusammen. Die meisten von ihnen beschäftigen sich intensiv mit Musik, können aber - laut Berger - im Großen und Ganzen als "durchschnittliche College-Studenten" bezeichnet werden.

Beim Hörtest war den Studenten nicht bekannt, welches Format sie gerade hören. Berger besprach die Ergebnisse mit ihnen erst nach der Testauswertung in der Vorlesung.

Jonathan Berger, Musikprofessor an der kalifornischen Universität Stanford, führte unter seinen Studenten, die seinen Musikwahrnehmungskurs belegt hatten, von 2001 bis 2007 ein Experiment durch: Er ließ die Qualität von verschiedenen Musikkomprimierungsverfahren, unter anderem von MP3s, sowie unkomprimierten 44,1-kHz-WAV-Audiodateien beurteilen. Die Musikbeispiele setzten sich aus orchestraler Musik, Jazz- und Rockmusik zusammen.

Der Musikprofessor war anfangs selbst über die Ergebnisse überrascht: Er habe sich erwartet, dass die Studenten das unkomprimierte Audiomaterial bevorzugen würden. Doch gerade bei den Rockmusik-Beispielen wurde das MP3-Format bevorzugt. Berger wiederholte das Experiment sechs Jahre lang - und das MP3-Format wurde immer beliebter. Speziell bei Musik mit einem hohen Energielevel - etwa bei lauten Cymbal-Crashs und Bläserensembles - nahm die Vorliebe für das MP3-Format zu.

Hörgewohnheit dominiert Vorlieben

Berger erklärt sich die starke Zunahme unter den Studenten, die das MP3-Format bevorzugen, so: "MP3 hat sich während des Zeitraums meiner Experimente als Standardformat für Audiodateien durchgesetzt." Diese Begründung ergänzt Matthias Bertsch, Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, gegenüber ORF.at folgendermaßen: "Dinge, die man kennt, mag man lieber als Dinge, die man nicht kennt. Wenn ein Format präferiert wird, hat das stark mit der Hörgewohnheit des Einzelnen zu tun."

Bertsch führte selbst im Jahr 2005 einen ähnlichen Hörtest am Wiener Musikgymnasium und an der Musikuniversität durch. Daran nahmen 233 Personen zwischen zehn und 30 Jahren teil, insgesamt waren es 281. Der Hörtest von Bertsch zielte allerdings mehr auf die Wahrnehmung von Unterschieden als auf das Präferieren von Formaten ab.

Das Ergebnis: "Es hat sich schon gezeigt, dass es von der Qualität des MP3-Files abhängt, ob man Unterschiede hört. Bei hohen Auflösungen - ab 192 KBit/s - im MP3-Format hört man eigentlich fast keine Unterschiede. In so einem Fall wird das Format präferiert, an das man gewöhnt ist", erzählt Bertsch. Auch hier wurden unterschiedliche Musikbeispiele verwendet. Es kamen etwa "Rock Me Amadeus" von Falco sowie Philharmoniker-Aufnahmen von Gustav Mahler zum Einsatz.

"Starke Komprimierung hört jeder"

Sowohl Berger als auch Bertsch testeten MP3-Formate mit verschiedenen Datenübertragungsraten: 128, 160 und 192 KBit/s. Beide sind der Meinung, dass unter kontrollierten Zuhörkonditionen die Segregation von niedrig codierten Bitrates - wie etwa 96 oder auch 128 KBit/s - stark bemerkbar sei. "Ab 96 KBit/s hört jeder einen Unterschied", fügt Bertsch hinzu. Der hervorstechendste Unterschied sei allerdings nicht so sehr der Komprimierungsverlust, sondern der Zusatz von Artefakten, meint Berger.

Warum klingt Rockmusik als MP3 besser?

Doch warum ist das MP3-Format, wenn es nach den Studenten von Berger geht, gerade bei Rockmusik so beliebt? "Das ist jetzt nur meine Hypothese, aber ich glaube, dass der Fokus von Sounds in Rockmusik die künstliche Verzerrung von einem MP3-File zu einem Merkmal machen, anstatt sie als einen Fluch zu betrachten. Musik mit einer zufällig generierten Geräuschkomponente, die Cymbals, Schlagzeug und eine verzerrte E-Gitarre beinhalten, verstärken die künstliche Reizung," gibt Berger als mögliche Begründung an.

Berger ist außerdem der Meinung, dass sich Studenten, die orchestrale und Rockmusik hören, voneinander unterscheiden: Orchestrale Musik hat einen unterschiedlichen klangfarblichen Fokus mit weniger Geräuschkomponenten. Außerdem sei das Hörverhalten unterschiedlich. Rockmusik-Enthusiasten hören ihre Musik meist sehr laut, und das habe einen zerstörerischen Einfluss auf das Gehör.

Unterschiede zum Wiener Hörtest

Hier hat der Musikprofessor aus Wien unterschiedliche Erfahrungen gemacht: Gerade bei Musik mit viel Höhen wurde das 44,1-kHz-WAV-Format bevorzugt. "Bei der modernen Aufnahmetechnik werden die Höhen sehr stark aufgedreht. Rock- und Popstücke haben daher durchgehend sehr viele Höhen. Bei einer starken Komprimierung geht den Hörern dann etwas ab - und zwar deutlicher als bei Klassikstücken", meint Bertsch mit einem nicht ganz unbedeutenden Zusatz: "Sofern die Musikstücke nicht mit Stöpselkopfhörern gehört werden, denn damit sind sowohl tiefe als auch hohe Frequenzen nicht mehr hörbar."

Dass die rein physikalische Hörbarkeit nicht alles ist, sondern neben den Hörgewohnheiten und der Hörerfahrung auch noch die Psychologie eine große Rolle bei der Wahrnehmung von Musik spielt, erklärt Bertsch anhand eines einfachen Beispiels: "Ich habe Leuten ein Stück mit einer normalen Geige vorgespielt und es dann mit einer Stradivari wiederholt. Sie fanden immer die Stradivari besser. Und noch ein Beispiel: Da gibt es das Gerücht, dass ein vergoldetes Audiokabel besser klinge. Wenn man fest daran glaubt, mag es vielleicht so sein, aber rein physikalisch ist kein Unterschied manifestierbar."

Setzt sich AAC durch?

Da das MP3-Format mittlerweile über 25 Jahre alt ist, wurden auch diverse Nachfolgerformate wie das Ogg Vorbis entwickelt, doch keines konnte sich bisher durchsetzen: Beim Advanced Audio Coding (AAC), welches unter anderem in Apples iTunes-Store zum Einsatz kommt, wurden die Schwächen des MP3-Verfahrens verringert. Der Stanford-Professor, der das Verfahren in seine Untersuchungen miteinschloss, ist sich nicht sicher, ob AAC nicht MP3s mittlerweile abgelöst habe.

Der Wiener Professor dazu: "Die Leute, die AAC hören, wissen es gar nicht und nennen es trotzdem MP3. Einfach aus der Gewohnheit heraus. Aber es stimmt schon: AAC kommt immer mehr durch, und je mehr iPods verwendet werden, desto schneller wird es sich durchsetzen." Bleibt also abzuwarten, ob die Studenten in Stanford nicht in wenigen Jahren AAC bevorzugen.

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(futurezone/Barbara Wimmer)