Der vernetzte Krieg
Der zweite Golfkrieg wird der erste "digital" bzw. "vernetzt" geführte Krieg sein. Dieser technologische Sprung bezieht sich dabei natürlich vor allem auf die Technologien, welche die US-Militärs zum Einsatz bringen werden. Er repräsentiert auch die Asymetrie des Irak-Krieges: Während das Risiko für die einzelnen US-Soldaten weiter abnimmt, sind Iraks Soldaten und erst recht die Zivilbevölkerung den Angriffen weitgehend schutzlos ausgeliefert.
Verwirrung herrscht dieser Tage allerdings zunächst bei den Begriffen: Obwohl sich die Wendungen "Cyberwar" und "Infowar" ebenso schnell abgenutzt haben wie die "New Economy", werden sie immer noch dazu verwendet, ganz verschiedene Aspekte der digitalen, vernetzten Kriegsführung zu beschreiben.
Eigentlich muss man drei verschiedene Aspekte des Krieges, die sich jeweils durch die Digitalisierung fundamental verändert haben, unterscheiden: zunächst den militärischen "Network Centric Warfare", bei dem es in erster Linie um die Verarbeitung "gefechtsrelevanter" Informationen geht und der die Digitalisierung vor allem der US-Militärtechnologie beschreibt.
Dazu kommt der "digitale Propagandakrieg", der sich moderner Kommunikationstechnologien bedient, um eine Informationshoheit auf der durch das Internet extrem erweiterten medialen Oberfläche zu erhalten. Zuletzt der "Cyber-Krieg", bei dem es darum geht, feindliche Infrastruktur [Militär, Medien, zivile Strukturen] unter anderem mit Cracker-Methoden zu stören und gleichzeitig die eigene zu schützen.
Die drei verschiedenen, digitalen Kriegsformen haben dabei natürlich Überschneidungen, etwa wenn die Bilder einer bewaffneten Drohne auch zu Propagandazwecken eingesetzt werden oder aber [fast] das gleiche Videospiel zum Training von Soldaten und zu Propagandazwecken.

Network Centric Warfare
In Militärkreisen wurde die Diskussion über die Digitalisierung der Kriegstechnologien lange Zeit unter dem Titel "Revolution in militärischen Angelegenheiten" geführt und mündete im Konzept des "Network Centric Warfare" [NCW].
Dieses umfasst einerseits die Idee, dass die eigenen Kombattanten jederzeit alle "gefechtsrelevanten" Informationen zur Verfügung gestellt bekommen, andererseits eine Automatisierung der "schmutzigen Jobs", wie ein Rüstungsmanager das Töten von Feinden beschrieben hat.
Der zweite Aspekt setzt dabei eine Tendenz der modernen Kriegstechnologie zu Distanzwaffen hin fort, und zwar im "Idealfall" so weit, dass der Gegner überhaupt keine Chance mehr zur physischen Gegenwehr gegen den eigenen Soldaten hat, da dieser einen Kampfroboter aus sicherer Entfernung fernsteuert.
Während die NCW allerdings in der Theorie und in den Prospekten der Rüstungsindustrie schon relativ ausgereift dargestellt wird, gibt es in der Praxis jede Menge ganz reale Probleme. Experten rechnen mit weiteren, die noch nicht einmal erkannt sind, weil der "vernetzte" Krieg noch nie geführt wurde.
Mit einem neuen System von Lockheed Martin ist sogar denkbar, dass dei Drohnen-Steuerung mit einem herkömmlichen Laptop mit drahtloser Internet-Anbindung vom Cafe aus geschieht - auch wenn die US-Armee dieses Szenario bestimmt nicht zulassen wird.

Das "Gehirn" des Krieges
Im Dezember haben die US-Streitkräfte ihren Krieg gegen den Irak virtuell schon "komplett" im Manöver "Internal Look" durchgespielt.
Die USA haben dazu im Oktober im Golfemirat Katar ein mobiles Hauptquartier ["As-Sayliya"-Basis] errichtet, nachdem Saudi-Arabien den USA die Erlaubnis verweigert hatte, die für mehrere Milliarden USD errichtete "Prince Sultan Airbase" als Befehlsstandort für einen Irak-Krieg zu verwenden.
Das von der US-Presse durchgehend als "War Games" bezeichnete Manöver sollte "fiktive, aber realistische" Szenarien durchspielen, wobei ein Computer die Reaktion des Feindes und die Wetterlage simulierte. Die amerikanischen und britischen Streitkräfte haben dabei den Einsatz sämtlicher Kommunikationstechnologien bis hin zu den kämpfenden Truppenteilen getestet.

Software-Optimierung
Den "Laptop"-Kriegern in der Einsatzzentrale werden eine ganze Reihe von Software-Tools für die Planung und Abwicklung der Einsätze zur Verfügung stehen. So will die US-Luftwaffe beispielsweise im zweiten Golfkrieg mit Hilfe der Software "Bugsplat" die zivilen Schäden möglichst auf ein Minimum reduzieren - so die offizielle Version.
Beim Einsatz von "smarten" Bomben und Marschflugkörpern steht allerdings für die Militärs auch ganz schlicht der Effizienzfaktor im Vordergrund: Experten gehen davon aus, dass die Zahl der eingesetzten Flugzeuge, die auf ein Ziel angesetzt werden, mit den "schlauen" Tötungswerkzeugen um 80 Prozent reduziert werden kann.
"Bugsplat" berechnet und zeigt die Auswirkungen der einzusetzenden Munition. Üblicherweise wird das durch einen Kreis rund um die Einschlagsstelle angezeigt. Bugsplat generiert klumpenähnliche Bilder, die wie zerquetsche Insekten aussehen und die laut US-Militärs ein genaueres Modell des potenziellen Schadens erzeugen. Dabei wird die eingesetzte Munition bezüglich Typ und Größe errechnet und Abwurfhöhe sowie eingesetztes Flugzeug berücksichtigt. Die Militärs hoffen dadurch, den Schaden bei nicht anvisierten - sprich zivilen - Gebäuden und Personen in Grenzen halten zu können.

Laserzielgerät
Der einzelne Soldat auf dem Schlachtfeld soll mit Systemen wie "Joint Expeditionary Digital Information" [JEDI] vernetzt werden. Damit soll er einerseits Informationen erhalten, andererseits beispielsweise Ziele für die Luftwaffe per Laser markieren.
JEDI ist eine Kombination aus Handheld, Fernrohr, GPS-System und Satellitentelefon.

Drohnen
Neben dem vermehrten Einsatz von "intelligenten" Bomben und Raketen, die im letzten Krieg gegen den Irak zudem noch oft unter "Kinderkrankheiten" litten, die beispielsweise die Treffgenauigkeit bei extremer Hitze markant beeinträchtigten, dürften im zweiten Golfkrieg vor allem unbemannte, aber bewaffente Drohnen ein wichtige Rolle spielen.
Diese haben gegenüber Kampfjets vor allem den Vorteil, dass sie bedeutend länger in der Luft bleiben und ein Gebiet überwachen können. Die USA haben in Afghanistan zum ersten Mal ein unbemanntes und zugleich bewaffnetes Flugzeug in den Kampf geschickt. Militärexperten halten den Einsatz der mit Anti-Panzer-Raketen bestückten Drohne "RQ-1 Predator" in Afghanistan für einen "revolutionären Schritt bei der Kriegsführung".
Ob der erste "echte" fliegende Kampfroboter zum Einsatz kommen wird, ist unterdessen unklar. Das "Unmanned Combat Aerial Vehicle" [UCAV] "X-45" von Boeing ist im Gegensatz zu den Aufklärungsdrohnen, die nachträglich mit Luft-Boden-Raketen ausgestattet wurden und über Afghanistan zum Einsatz kamen, von Anfang an als bewaffneter Kampfroboter konzipiert worden.

Röntgenblick und Kampfroboter
Auch im befürchteten blutigen Häuserkampf um Bagdad sollen die US-Soldaten Unterstützung durch neue Technologien erhalten:
Eines der High-Tech-Geräte, die im zweiten Irak-Krieg erstmals zum Einsatz kommen, soll die US-Soldaten mit einer Art Röntgenblick ausstatten.
Ein weiteres ist der Roboter "Matilda". Ausgerüstet mit einer Videokamera und Sensoren, welche die Luft auf Qualität und giftige Gase untersuchen, ist Matilda für die Voruntersuchung von schwer zugänglichen Höhlen und die Suche nach versteckten Sprengfallen in Häusern konstruiert worden.
