20.03.2003

MEINUNGEN

Bildquelle: fuZo

Der digitale Propagandakrieg

Der zweite Golfkrieg wird der erste "digital" bzw. "vernetzt" geführte Krieg sein. Dieser technologische Sprung bezieht sich dabei natürlich vor allem auf die Technologien, welche die US-Militärs zum Einsatz bringen werden. Er repräsentiert auch die Asymetrie des Irak-Krieges: Während das Risiko für die einzelnen US-Soldaten weiter abnimmt, sind Iraks Soldaten und erst recht die Zivilbevölkerung den Angriffen weitgehend schutzlos ausgeliefert.

Verwirrung herrscht dieser Tage allerdings zunächst bei den Begrifflichkeiten: Obwohl sich die Wendungen "Cyberwar" und "Infowar" sich schnell abgenutzt haben wie die "New Economy", werden sie immer noch dazu verwendet, ganz verschiedene Aspekte der digitalen, vernetzten Kriegsführung zu beschreiben.

Eigentlich muss man drei verschiedene Aspekte des Krieges, die sich jeweils durch die Digitalisierung fundamental verändert haben, unterscheiden: zunächst den militärischen "Network Centric Warfare", bei dem es in erster Linie um die Verarbeitung "gefechtsrelevanter" Informationen geht und der die Digitalisierung vor allen der US-Militärtechnologie beschreibt.

Dazu kommt der "digitale Propagandakrieg", der sich moderner Kommunikationstechnologien bedient, um eine Informationshoheit auf der durch das Internet extrem erweiterten medialen Oberfläche zu erhalten. Zuletzt der "Cyber-Krieg", bei dem es darum geht, feindliche Infrastruktur [Militär, Medien, zivile Strukturen] unter anderem mit Cracker-Methoden zu stören und gleichzeitig die eigene zu schützen.

Der digitale Propagandakrieg

Der Krieg an der Propagandafront wird für die US-Armee im Gegensatz zum zweiten Golfkrieg nicht aus einer völlig dominanten Position ausgetragen:

Einerseits hat sich die Zahl der möglichen Informationsquellen durch das Internet, Satellitenverbindungen und digitale Kameras drastisch erhöht und ist damit schlechter zu kontrollieren. Andererseits ist die mediale Oberfläche wiederum durch das Internet, aber auch durch die neuen arabischen TV-Sender deutlich gewachsen.

Die Militärs dürften es dadurch wesentlich schwerer haben, die Öffentlichkeit mit wenigen, sorgfältig ausgewählten Bildern abzuspeisen.

Besonders eindrucksvoll wird das durch das "E-Mail-Dilemma" illustriert, in dem sich das US-Militär derzeit befindet.

Internet als Medium für Kriegsgegner

Das Internet hat sich unterdessen schon in der Vorkriegsphase als das oft gepriesene demokratische Medium herausgestellt, das auch abweichenden Meinungen erlaubt, sich frei zu artikulieren oder auch Proteste zu organisieren.

Vor allem die Friedensbewegten aus den USA nutzen das Internet in Verbindung mit anderen Medien zum Teil inzwischen recht professionell.

Der letzte Weblog aus Bagdad

Als Waffe im "Infokrieg" hat das Netz den USA bisher keinen Erfolg gebracht: An irakische Funktionäre wurden Anfang Jänner E-Mails mit Appellen zur Aufgabe und mit der Aufforderung zum Sturz von Staatschef Saddam Hussein geschickt - ohne erkennbare Wirkung.

Offizieller Irak chancenlos im Netz

Die gesamte offizielle Medienlandschaft des Irak im Internet wird - bis jetzt - von Beirut aus gehostet. Dort hat die Firma Transtrum ihren Sitz, über die irakische Zeitungen, aber auch die offizielle Nachrichtenagentur INA ins Internet kommen.

Schon zu Beginn des Jahres wurde ob dieser Konstruktion darüber spekuliert, wie die USA im Kriegsfall dem Irak diesen Kommunikations-Knotenpunkt in Beirut "abdrehen" könnten, was allerdings eine komplizierte bilaterale oder eine illegale Aktion vorausgesetzt hätte.

Wie inzwischen bekannt wurde, können die USA bzw. Großbritannien den Irak aber noch viel einfacher offline stellen: Sowohl Transtrum als auch der einzige Provider des Irak, die "State Company for Internet Services" [SCIS], sind nämlich über Satellitenservices britischer bzw. amerikanischer Firmen angebunden.

Die Army als TV-Station

Im Kampf um die TV-Bilder vom zweiten Golfkrieg haben sowohl Fernsehsender als auch die US-Militärs aufgerüstet:

Reporter sind in umgebauten Geländewagen mit Satellitenschüsseln unterwegs und mit Laptops, Videoschnittsoftware und Kommunikationsausrüstung im Miniformat ausgerüstet. So soll das Kriegsgeschehen immer und überall dokumentiert werden können.

Games zum Krieg

Ein ganz spezieller Propagandakrieg findet schließlich schon seit geraumer Zeit auf den Monitoren von Gamern statt:

Die US-Armee hat zum Unabhängigkeitstag 2002 einen Ego-Shooter veröffentlicht. Mit "America's Army - Operations" sollen Rekruten für den Dienst für das Vaterland angeworben werden. Laut der US-Armee hat sich das Spiel schon in den ersten Tagen als echter Hit erwiesen und wurde "mehrere hunderttausend Mal" heruntergeladen.