Für eine Hand voll Zune
Microsoft hat am Dienstag seinen Musik-Player Zune in den USA in den Handel gebracht. Das Interesse der Kundschaft an Bill Gates' "iPod-Killer" hielt sich zumindest vorläufig noch in Grenzen. Vielleicht, weil sich die Rolling Stones nicht über WLAN verschicken lassen wollen.
Mit einer Reihe von Gratiskonzerten in ausgewählten US-Städten startete Microsoft am Montag die Markteinführung seines Musik-Players Zune. In Seattle spielten die Hardrocker Secret Machines auf, bevor Microsoft-Gründer Bill Gates dem versammelten Publikum die Vorzüge des Gadgets, das dem Apple-Musik-Player iPod Konkurrenz machen soll, anpries.
Der Musik-Player, schwärmte Gates, ermögliche seinen Nutzern neue Wege, Musik zu teilen und zu entdecken.
Am Dienstag lag der Zune schließlich bei mehr als 30.000 Händlern in den Vereinigten Staaten in den Regalen.
Niemand kampierte vor den Geschäften
Der Korrespondent der französischen Agentur AFP fand am Morgen im Fachgeschäft Circuit City am New Yorker Union Square zwar stapelweise Zunes, aber keine Käufer. Er zitierte die zuständige Abteilungsleiterin mit der Aussage, dass erst "eine Hand voll Zunes" verkauft worden seien. Sie schätzte, dass sie bis zum Abend etwa 20 Geräte an den Mann gebracht haben werde. "Wir verkaufen auch vom iPod ungefähr 20 Stück pro Tag", sagte die Verkäuferin.
Es hätten sich aber schon Hunderte Kunden im Vorfeld nach dem Zune erkundigt. "Ich denke, es wird einer unserer Verkaufsschlager", ergänzte sie.
Der AFP-Mann erinnerte allerdings an den Start der PlayStation 3, anlässlich dessen abgehärtete Fans bis Mitternacht am offiziellen Starttermin vor den Geschäften kampiert hätten. Einen solchen Enthusiasmus habe er in Sachen Zune nicht feststellen können.
Zune vs. iPod
Mit einem Preis von 250 US-Dollar kostet der Microsoft-Musik-Player, der über einen Speicherplatz von 30 Gigabyte verfügt, in etwa genauso viel wie ein iPod mit dem gleichen Fassungsvermögen.
Im Vergleich zum iPod mit ebenfalls 30 Gigabyte Speicherplatz ist der Zune 60 Prozent voluminöser und 17 Prozent schwerer. Auch bei der Batterielaufzeit hatte der iPod in den Tests die Nase vorn.
In den USA ist Apple mit seinem iPod bisher unangefochtener Marktführer. 75 Prozent aller in den USA verkauften Musik-Player entstammen der iPod-Produktfamilie.
Das Potenzial für hohe Verkaufszahlen ist für den Zune dennoch gegeben. Nach Angaben des US-Marktforschungsinstituts Jupiter Research soll die Anzahl der Besitzer von Musik-Playern in den USA von heute 37 Millionen auf über 100 Millionen im Jahr 2011 ansteigen.
Außerdem hat Microsoft genug Geld, um sich einen ersten Fehlschlag leisten zu können. Auch die erste XBox sah gegenüber der PlayStation alt aus. In der Neuauflage des Konsolenduells sieht die Sache schon ganz anders aus.
Gemischte Reaktionen
In der US-Presse wurde der Zune mit gemischten Reaktionen aufgenommen.
Während das Design des vermeintlichen "iPod-Killers" eher mit Naserümpfen quittiert wurde - ein Kolumnist fühlte sich angesichts der braunen Farbe des Gadgets gar an die Sowjetunion erinnert -, ernteten der vergleichsweise große Bildschirm und der eingebaute FM-Radioempfänger Lob.
Anlässlich eines CNN-Gesprächs mit dem Technologieexperten Andrew Ross Sorkin von der "New York Times" über den Zune konnte es sich Moderatorin Soledad O'Brien nicht verkneifen, mit ihrem neuen iPod Shuffle anzugeben.
Labels an Einnahmen beteiligt
In einer bisher einzigartigen Vereinbarung gestand Microsoft dem Musikkonzern Universal eine Beteiligung an den Verkäufen des Musik-Players zu. Auch mit weiteren Labels wird verhandelt.
Drahtloser Musiktausch
Das zentrale Feature des neuen Musik-Players, der drahtlose Tausch von Musik, konnte die Erwartungen hingegen nicht erfüllen. Der Tausch von Musik ist ausschließlich von Zune zu Zune möglich. Die Songs können weder drahtlos gekauft noch drahtlos vom Musik-Player auf den PC transferiert werden.
Ein weiteres Minus: Die weitergeleiteten Musikstücke können auf dem Musik-Player nur drei Mal abgespielt werden und werden nach drei Tagen deaktiviert.
Darüber hinaus werden sämtliche Musik-Files beim drahtlosen Tausch mit einem Kopierschutzzusatz versehen, sodass auch ungeschützte MP3s oder unter freien Lizenzen veröffentlichte Stücke den Abspielrestriktionen unterliegen.
Rolling Stones sagen nein zu Wifi-Tausch
Einigen Rechteinhabern scheinen jedoch selbst die restriktiven Tauschmöglichkeiten des Musik-Players zu weit zu gehen. So verweigern sich etwa die Rolling Stones dem drahtlosen Tausch ihrer Musik.
Online-Musikshop
Beim Kauf der Songs im gleichsam am Dienstag eröffneten Online-Musikshop Zune Marketplace wird jedoch vergessen, darauf hinzuweisen. "Damit lässt Microsoft Zune-Nutzer, die versuchen, Songs an ihre Freunde zu schicken, aussehen wie Idioten ", kritisierte der US-Journalist Steven Levy, der das Gadget für das Nachrichtenmagazin "Newsweek" testete.
Punktesystem
Abgerechnet wird im Zune Marketplace nach einem ähnlichen Punktesystem, wie es bereits beim Xbox Live Marketplace zur Anwendung kommt.
99 Cent, der Preis eines Songs, entsprechen dabei 79 Punkten. Um überhaupt einen Song kaufen zu können, müssen Besucher des Shops zunächst fünf Dollar ausgegeben, da der geringstmögliche Punktekauf (400) mit eben dieser Summe zu Buche schlägt.
"Play for Sure" gilt nicht
Das von Microsoft jahrelang propagierte "Play for Sure"-System kommt beim Zune nicht zur Anwendung. Deshalb können Songs, die etwa bei MSN Music gekauft wurden, auf dem Zune nicht abgespielt werden. Auf Zune können lediglich WMA-Files im proprietären Zune-Format, MP3-Files und AAC-Dateien wiedergegeben werden.
Phantom-Alben im Zune Marketplace
Im Weblog Listening Post der US-Zeitschrift "Wired" gab es Verwirrung darüber, ob Microsoft nun die Alben der Beatles im Zune Marketplace anbieten würde. Bisher sind Beatles-Songs in keinem Online-Store zu kaufen. Doch die Beatles-Seite auf dem Zune Marketplace zeigt bisher nur die Albumcover. Die Musik der "Fab Four" bietet er nicht zum Kauf an.
Kaum Zusatzfeatures
Kritisiert wurde in der US-Presse auch, dass sich auf dem Zune keine Podcasts abspielen lassen und der Player im Vergleich zu Konkurrenzprodukten mit Zusatzfeatures spärlich ausgestattet ist. Im Vergleich zum Apple-Konkurrenzprodukt iPod fehlen etwa Spiele, Module für Textnachrichten, Kalender und Adressverzeichnis.
Software-Update
Marktbeobachter erwarten, dass Microsoft einige Defizite des Musik-Players wie etwa die fehlende Unterstützung von Podcasts schon bald durch ein Software-Update wettmachen könnte.
Das wird voraussichtlich noch vor der Veröffentlichung des neuen Microsoft-Betriebssystems Vista für Endkunden, die für den 30. Jänner nächsten Jahres geplant ist, passieren.
Europastart 2007
In Europa soll der Zune frühestens Ende 2007 erhältlich sein. Ein genauer Starttermin ist noch nicht bekannt.
(futurezone | APA | Reuters | AFP)