"Second Life": Musikrechte ungeklärt

23.11.2006

Nach den Online-Videoportalen und Sozialen Netzwerken könnte auch das Online-Spiel "Second Life" ins Visier der Musikkonzerne geraten. Der Grund: Zahlreiche "Bewohner" der Metaversen beschallen ihre virtuellen Räume mit Musik. Lizenzen dafür sind in den meisten Fällen nicht vorhanden.

Die Gelegenheiten, im Massive Multiplayer Online Game [MMOG] "Second Life" Musik zu hören, sind vielfältig.

So kann etwa jeder Landbesitzer seine virtuellen Latifundien und Räumlichkeiten mit Musik-Streams unterlegen. Daneben bieten zahlreiche virtuelle Bars und Veranstaltungsorte im Metaversum Musikprogramme und DJs.

Zahlreiche Live-Events

Auch Konzerte sind auf "Second Life" keine Seltenheit. Neben der Pop-Chanteuse Suzanne Vega konzertierten bereits die 80er-Jahre Helden Duran Duran und die US-Indie-Pop-Pianistin Regina Spektor über ihre Avatare im Online-Spiel. Der Veranstaltungskalender des Metaversums weist täglich bis zu zehn Konzerte aus.

Lizenzfrage ungeklärt

Ungeklärt ist jedoch, wer für die Musiklizenzen aufkommt. Linden Lab, die Betreibergesellschaft des Metaversums, schiebt die Verantwortung dafür auf die "Bewohner" der virtuellen Welt.

In den Nutzungsbedingungen heißt es, dass die Klärung von Urheberrechten und Lizenzen in der Verantwortung der Nutzer liege.

"If you choose to stream your own music into SL directly or using a streaming relay host, the content and any copyright/royalty fees and any other possible issues are your responsibility", ist zu lesen.

Lizenzzahlungen notwendig

Durch das öffentliche Streaming von Musik auf "Second Life" seien das Zurverfügungsstellungsrecht und das Vervielfältigungsrecht berührt und somit Lizenzzahlungen notwendig, sagt Franz Fröhlich von der österreichischen Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger [AKM], gegenüber ORF.at.

"Wie es in den USA häufig der Fall ist, stellen sich jedoch die Plattformbetreiber von der Verantwortung frei", kritisiert Fröhlich.

Auch die Online-Videoplattform YouTube verweist darauf, dass die Verantwortung für Urheberrechtsverletzungen bei ihren Nutzern liege. YouTube hat jedoch mit zahlreichen Musik- und Medienkonzernen Lizenzvereinbarungen getroffen, die eine Teilung der aus den Inhalten erzielten Werbeeinnahmen vorsehen. Vor kurzem geriet auch MySpace ins Visier des Musikkonzerns Universal.

"In der Praxis nicht möglich"

"In der Praxis ist es nicht möglich, einzelne Community-Mitglieder zur Verantwortung zu ziehen", meint Andreas Kulm, der bei der österreichischen Verwertungsgesellschaft austro mechana für die Online-Nutzung von Musik verantwortlich ist.

Auch wäre es bürokratisch den einzelnen Nutzern nicht zuzumuten, die Rechte für das Streaming von Musik mit allen betroffenen Parteien auszuhandeln.

Würde "Second Life" von Österreich aus betrieben, ergänzt Kolm, würde er versuchen, mit den Betreibern der Plattform Möglichkeiten zur Lösung der Lizenzfrage zu klären.

Musik von externen Quellen

US-Experten verweisen darauf, dass sich Linden Lab darauf berufen kann, dass Musik auf "Second Life" nur über externe Server in die Spielewelt gestreamt werden kann.

Solidarische Haftung

Nach österreichischem Recht könnten alle Beteiligten am Streaming von Musik in der virtuellen Welt zur Verantwortung gezogen werden. Hier gelte - ähnlich wie bei Filmproduktionen, bei denen etwa sowohl Produktions- als auch Vertriebsfirmen für urheberrechtliche Fragen gerade stehen müssen - das Prinzip der solidarischen Haftung, erläutert Kolm.

Im konkreten Fall liege die Verantwortung jedoch bei den US-Verwertungsgesellschaften, betont er.

Verwertungsgesellschaften im Metaversum

Mit der zunehmenden Popularität der virtuellen Spielewelt, die immerhin mehr als eine Million Mitglieder zählt, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Musikkonzerne und Verwertungsgesellschaften erste Begehrlichkeiten anmelden werden.

Eliot Van Buskirk, Musikredakteur beim US-Technologmagazin "Wired", vermerkte unlängst in einem Weblog-Eintrag, dass neben den zahlreichen bereits im Online-Spiel vertretenen Unternehmen wohl bald auch die US-Verwertungsgesellschaften BMI und ASCAP Niederlassungen in der virtuellen Spielewelt eröffnen werden.

"Second Life" wird zunehmend für Unternehmen interessant. So setzen etwa der Autohersteller Toyota und die Technologieunternehmen Sun Microsystems und IBM auf den virtuellen Kundenkontakt. Auch die Nachrichtenagentur Reuters hat vor kurzem ein Büro in der virtuellen Welt eröffnet.

(futurezone | Patrick Dax)