MS-Deal: Novell in der Defensive
Der Nichtangriffspakt zwischen Microsoft und Novell hat zahlreiche Kritiker in der Open-Source-Szene auf den Plan gerufen. Nun versuchen beide Konzerne, auf diese Vorwürfe zu reagieren - und dürften die Linux-Gemeinde damit weiter verunsichern.
Seitdem der Software-Konzern Microsoft und der Linux-Anbieter Novell am 2. November eine Kooperation in Sachen Software-Distribution und ein fünfjähriges Moratorium in Sachen Patentklagen vereinbart haben, herrscht Aufregung bei den Programmierern und Anwälten der Open-Source-Szene.
Teilen und herrschen
Die Open-Source-Fürsprecher sind der Ansicht, dass der Nichtangriffspakt zwischen Microsoft und Novell die Programmierer und Nutzer freier Software in zwei Teile sprengen soll: Nutzer von Novells SuSE-Linux, die unter einem vagen Schutz Microsofts stehen, und Nutzer anderer Distributionen, die eventuellen juristischen Attacken des Gates-Konzerns ausgeliefert sind. Das schrieben beispielsweise die Entwickler des Samba-Projekts in einer Pressemitteilung vom 12. November.
Die Aussage MS-CEO Steve Ballmer am 16. November auf einer SQL-Anwender-Tagung in Seattle, Linux-Anwender seien seinem Konzern für die Nutzung von dessen "geistigem Eigentum" etwas schuldig, tat ein Übriges, um die Stimmung zwischen beiden Parteien weiter zu verschlechtern.
Am Montag titelte die britische IT-Website The Register über einem Interview mit Eben Moglen, dem Anwalt der Free Software Foundation, "Wie wir den Microsoft-Novell-Deal killen werden".
Moglen spricht sich in dem Interview dafür aus, die neue Version der Gnu Public License [GPL 3] gegen Abmachungen wie jene zwischen MS und Novell abzusichern: "Stellen Sie sich vor, in der GPL 3 steht eine Passage wie: 'Wenn Sie ein Programm oder Teile eines Programms vertreiben und mit einem Teil der Verwender dieses Programms Patentabmachungen treffen, dann gehen Sie unter dieser Lizenz automatisch mit allen anderen Anwendern dieser Software kostenlos und ohne weitere Verpflichtungen dieselbe Vereinbarung ein."
Moglen weiter: "Wenn die GPL 3 mit einer solchen Passage in Kraft tritt, wird Novell auf einen Schlag zur Patent-Waschanlage. Und in dem Augenblick, in dem Microsoft sieht, was sich da abspielt, wird es sich zurückziehen."
Antworten von Novell und Microsoft
Noch am Montag wandte sich Novell-CEO Ron Hovsepian mit einem offenen Brief an die Open-Source-Entwickler. Die Übereinkunft mit Microsoft, so das Unternehmen, sei eine Art Waffenstillstand, nichts weiter.
"Wir wollten den Kunden unserer Unternehmen die Sicherheit geben, dass sie bei ihren IT-Projekten unsere volle Unterstützung genießen. Novell verfügt über ein beachtliches Patent-Portfolio, und das Abkommen zeigt, dass Microsoft dafür viel Geld an Novell zahlt."
Novell hatte am 7. November bekannt gegeben, im Rahmen des Abkommens rund 85 Millionen Euro Patentnutzungsgebühr von Microsoft zu erhalten. Da sich dieser Satz nur auf die Kunden von Microsoft und Novell bezieht, dürften die eingangs geschilderten Bedenken der Open-Source-Gemeinde damit wohl kaum ausgeräumt sein, auch wenn Novell in seinem offenen Brief betont, dass der Deal mit Redmond "in keinster Weise ein Eingeständnis ist, dass Linux das geistige Eigentum von Microsoft verletzt".
In einer kurzen Pressemitteilung gab Microsoft seinem neuen Partner Flankenschutz: Man sei mit Novell darin übereingekommen, in Sachen Patente vollkommen verschiedener Ansichten zu sein. Es sei den beiden Firmen nur darum gegangen, Betriebssicherheit für ihre Kunden herzustellen. Auch die Open-Source-Gemeinde würde von den Lösungen profitieren, die im Rahmen der Kooperation zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen Windows und Linux führen würden.
Redmonds Pionierbrücke
Microsoft schreibt in seiner Mitteilung von einem "Brückenschlag zwischen dem geistigen Eigentum proprietärer und quelloffener Software". Aber genau diesen Brückenschlag sehen die Open-Source-Unterstützer als Teil der Redmonder Angriffsstrategie.
Linux solle, so Moglen, dadurch korrumpierend umarmt werden, dass auch die Entwickler freier Software das Microsoft-Konzept des "geistigen Eigentums" übernehmen und akzeptieren müssten. Das "frei" in "freier Software" solle nur noch "kostenlos" bedeuten, aber nicht mehr, dass der Code als Gemeinschaftsgut für alle verfügbar sei: "Freie Software, die GPL, die FSF - im Microsoft-Jargon sind das jetzt alles nur noch größere Marktteilnehmer. Aber wenn wir ein größerer Marktteilnehmer sind, dann bleiben wir das auch bis zum vorläufigen Schluss. Und das ist ein Problem für Microsoft."
(futurezone | The Register)