MP3s ohne Kopierschutz von EMI
Die mangelnde Interoperabilität der verschiedenen Online-Musikformate gilt als Hemmschuh für das Wachstum des digitalen Musikmarkts. Die Front beginnt nun zu bröckeln. Die Majors experimentieren mit dem Verkauf von MP3s ohne Kopierschutz im Internet.
Im Juli dieses Jahres sorgte das Label Epic, das zum Musikkonzern Sony BMG gehört, für Aufsehen. Damals verkaufte die Plattenfirma einen Song der US-Sängerin Jessica Simpson im ungeschützten MP3-Format über den Yahoo-Online-Shop. Nun lässt das britische Major EMI neuerlich einen Testballon steigen.
"Littlest Things", die jüngst Single der britischen Senkrechtstarterin Lily Allen, wird über das britische digitale Musik-Outlet 7Digital als MP3-File ohne Kopierschutz angeboten, berichtet das Branchen-Weblog Hypebot. Marktbeobachter sehen darin bereits den Beginn eines Trends.
Beharrliche Weigerung der Majors
Im Gegensatz zu den Independent Labels haben sich die vier großen Musikkonzerne EMI, Sony BMG, Warner Music und Universal bisher beharrlich geweigert, ihre Musik ohne Kopierschutzbeschränkungen in Online-Musikshops anzubieten.
Sie argumentieren damit, dass ungeschützte Songs leichter den Weg in Online-Tauschbörsen finden.
MP3s auf allen Musik-Playern abspielbar
MP3s sind nicht mit Digital-Rights-Managementsystemen [DRM] versehen und lassen sich auf fast allen erhältlichen Musik-Playern abspielen.
Im Gegensatz dazu können etwa im iTunes Music Store gekaufte Songs im AAC-Format nur auf dem Apple-Player iPod, nicht aber auf Konkurrenzmodellen abgespielt werden. Genauso verhält es sich mit Musik, die im Windows-Kopierschutzsystem WMA angeboten wird. Konsumenten müssen sich also bereits beim Kauf eines Musik-Players überlegen, welchen Online-Musikdienst sie nutzen wollen.
Hemmschuh für die Marktentwicklung
Marktbeobachter sehen in der fehlenden Interoperabilität der Formate einen Hauptgrund für die langsame Entwicklung des Online-Musikmarktes.
Scharfe Kritik an Verkaufsstrategie
Dafür mussten sich die Musikkonzerne auch Kritik gefallen lassen. Yahoo-Music-Chef David Goldberg sagte im vergangenen Februar, er verstehe nicht, warum sich die Majors nicht dazu durchringen können, Musik-Files im MP3-Format zu verkaufen. Kopiergeschützte Songs würden auf Grund des fehlenden Zusammenspiels der verschiedenen Systeme viele Leute vom Kauf von Musik im Internet abhalten.
Als positives Beispiel nannte Goldberg den US-Online-Musikshop EMusic, der mit großem Erfolg MP3s von Independent Labels ohne Kopierschutzbeschränkungen verkauft.
EMusic ist seit September dieses Jahres auch in Europa offiziell vertreten. In den USA ist der Online-Shop bereits die Nummer zwei hinter dem iTunes Music Store.
"Vier Mal so viele Verkäufe"
"Wir verkaufen vier MP3-Titel für jedes verkaufte kopiergeschützte Lied", sagte Paul Myers, der Chef der britischen Download-Plattform Wippit, im vergangenen September auf der Berliner Musikmesse Popkomm.
Wippit hat sowohl kopiergeschützte Songs der Majors als auch MP3s ohne Kopierschutz von unabhängigen Labels im Angebot.
"DRM, wie wir es kennen, ist tot"
Marktbeobachter meinen schon seit längerem, ein Umdenken bei den Majors zu registrieren. Darauf deutet auch ein vor kurzem veröffentlichtes Interview mit dem Musikmanager Paul Birch hin.
Birch, der im Vorstand des Internationalen Verbandes der Phonographischen Industrie [IFPI] sitzt, kündigte gegenüber dem Branchen-Weblog New Music Strategies an, dass sich die großen Musikkonzerne schon bald öffentlich vom Einsatz von DRM beim CD-Verkauf distanzieren werden. "DRM, wie wir es kennen, ist tot", sagte er.
In dieselbe Kerbe schlug vor wenigen Wochen auch der britische Musikmanager Paul Jenner. Kopierschutzsysteme, meinte der frühere Manager der Punkband The Clash, seien am Ende, weil sich die Beteiligten auf keinen einheitlichen Standard einigen konnten: "Auch die Labels haben den Glauben daran verloren."
(futurezone | Patrick Dax)