Widerstand gegen Datenspeicherpflicht

30.11.2006

Bereits 6.000 Deutsche haben Vollmachten für eine Verfassungsklage gegen die kommende Speicherpflicht von Verkehrsdaten aus Telefonnetzen und dem Internet abgegeben. In Österreich ist die Gesetzeslage ähnlich.

Die beginnende Umsetzung der EU-Richtlinie zur verpflichtenden Speicherung von Verkehrsdaten aus Telefonnetzen und dem Internet stößt auf die erwarteten Widerstände.

Beim Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik, der die Beschwerden an das deutsche Bundesverfassungsgericht übernimmt, gehen "waschkörbeweise Vollmachten" von zukünftigen Klägern ein.

Grundgesetz, Artikel 10

Sobald der deutsche Bundestag die Verkehrsdatenspeicherpflicht 2007 wie geplant verabschiedet, werden mehr als 6.000 deutsche Bürgerinnen und Bürger Verfassungsklage wegen Verstoßes gegen das deutsche Grundgesetz erheben.

In Deutschland hat das "Fernmeldegeheimnis" - Artikel 10 Grundgesetz - Verfassungsrang.

Wer mit wem wann wo

In Deutschland wie in Österreich steht die neue EU-Richtlinie in offenem Widerspruch zu den derzeit gültigen Datenschutzgesetzen. Denn die schreiben nun einmal vor, dass Verbindungsdaten nur so lange gespeichert werden dürfen, wie sie zur Abrechnung - inklusive Einspruchsfrist des Kunden - benötigt werden.

Laut neuer Richtlinie müssen Telekoms und Internet-Provider nun auf ein Jahr zwingend speichern, wer mit wem wann wo telefoniert hat. Verkehrsdaten von Internet-Einwahl und E-Mail-Versand bzw. -Abruf müssen in Zukunft ein halbes Jahr lang aufbewahrt werden.

Wie drastisch diese Gesetzesänderungen de facto sind, zeigt ein Blick in die jetzt gültigen Gesetze, die in Deutschland und Österreich ganz ähnlich lauten.

Die Lage in Österreich

In Bezugnahme auf das österreichische Datenschutzgesetz 2000 heißt es in Paragraf 99, Absatz 1 des Telekom-Gesetzes: "Verkehrsdaten dürfen außer in den gesetzlich geregelten Fällen nicht gespeichert werden und sind vom Betreiber nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen oder zu anonymisieren."

Paragraf 93 im österreichischen Telekom-Gesetz lautet: "(1) Dem Kommunikationsgeheimnis unterliegen die Inhaltsdaten, die Verkehrsdaten und die Standortdaten."

Der Spruch der Kommission zu ...

Dieser Gesetzeslage entsprechend hat die österreichische Datenschutzkommission einen Spruch gefällt, wonach Internet-Provider die [dynamischen] IP-Adressen ihrer Kunden nur dann speichern dürfen, wenn sie zu Abrechnungszwecken benötigt werden.

Bei jeder Neueinwahl werden an Modem-, ISDN- und ADSL-Kunden neue, fortlaufende IP-Adressen vergeben. Der Regelfall für ADSL sind allerdings Flat-Rate-Verträge, bei denen Einwahlzeitpunkt und -dauer nun einmal keine Rolle spielen.

... dynamischen IP-Adressen

Den Vorgaben des Gesetzes folgend dürfen diese dynamischen IP-Adressen verknüpft mit Einwahlzeitpunkt und Kundenname nicht auf Dauer gespeichert werden.

Die Ausforschung von Tauschbörsennutzern - der weitaus häufigste Fall eines Auskunftsbegehrens - würde dadurch deutlich schwieriger, was die Musik- und Filmlobbys naturgemäß gar nicht lustig finden.

Präzedenzfall T-Online

Laut Angaben des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung sind unter den Beschwerdeführern auffällig viele Rechtsanwälte, Ärzte, Journalisten, Psychotherpeuten und Geistliche - Berufe, in denen Vertraulichkeit eine kritische Rolle spielt.

In Deutschland ist man bereits zwei Schritte weiter als in Österreich, denn dort liegt bereits ein Präzedenzfall vor. Am 26. Oktober 2006 wurde eine Beschwerde der Deutschen Telekom AG zurückgewiesen, ein Urteil des Landgerichts Darmstadt aus dem Jahr 2005 wurde dadurch rechtskräftig. Die Telekom-­Tochter T-Online wird darin verpflichtet, die dynamisch vergebene IP-Adresse des Klägers unmittelbar nach Verbindungsende zu löschen.

Ein Kunde von T-Online hatte auf Löschung seiner Verbindungsdaten geklagt und in erster Instanz Recht bekommen, die Beschwerde der Deutschen Telekom AG vor dem Bundesgerichtshof wurde dann von diesem zurückgewiesen.

Weil sich das Urteil nur auf diesen einen Kunden bezieht, speichert T-Online die Verbindungsdaten aller anderen Kunden zwar weiter, sieht sich dabei aber einer steigenden Anzahl von gleich gearteten Klagen gegenüber.

Die Umsetzung in Österreich

In Östereich wird die einjährige Speicherdauer für Telefonie-Verkehrsdaten frühestens im Sommer 2007 gesetzlich verankert werden. Ob mit den dazu nötigen Gesetzesinitiativen bereits angefangen wurde, ist Gegenstand einer Anfrage von ORF.at im österreichischen Bundesministeriums für Justiz.

Für die Internet-Daten hat Österreich zusammen mit anderen EU-Staaten eine weitere Übergangsfrist von zusätzlichen 18 Monaten ausgehandelt.

Das heißt

Bis 2008 kann die Speicherung von dynamischen IP-Adressen und deren Zuordnung zu einem Benützer auch hier zu Lande nicht gesetzeskonform sein, wenn es sich um eine DSL-Flat-Rate mit reiner Mengenbeschränkung handelt.

Eine diesbezügliche Anfrage unter den großen österreichischen Internet-Providern läuft ebenfalls.

(futurezone | Erich Moechel)