Echter Jugendschutz passiert zu Hause

01.12.2006

Knapp zwei Wochen nach dem Amoklauf im deutschen Emsdetten wird die Diskussion über das Verbot von "Gewalt verherrlichenden" Videospielen größtenteils weiter am Kern vorbei geführt: "Man kann Eltern nicht aus der Verantwortung entlassen", meint der Experte Herbert Rosenstingl.

Rosenstingl arbeitet für die Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen [BuPP].

Diese hat sich dem Ziel verschrieben, Videospiele nicht grundsätzlich zu verdammen, sondern gute Beispiele - nach eingehenden Tests - zu empfehlen und so eine Art Orientierungshilfe anzubieten.

Bedürfnisse der Kinder aufspüren

"Der wahre Jugendschutz passiert bei den Eltern, in der Schule und der generellen Kinderbetreuung", meint Rosenstingl gegenüber ORF.at. Nur dort könnten die Bedürfnisse und auch Probleme der Kinder aufgespürt und entsprechend darauf eingegangen werden.

Ein Totalverbot von Gewalt verherrlichenden Spielen sei aus sachlicher Sicht nicht sinnvoll, meint Rosenstingl. "Das würde zu viel Aufmerksamkeit auf Spiele lenken, die es nicht wert sind."

Die BuPP prüft Videospiele nach bestimmten Kriterien wie Technik und Ausstattung, Spielspaß und pädagogische Implikationen wie die Förderung logischen Denkens und die Darstellung von Werten.

Schwierig und teuer

Ihm sei dabei durchaus klar, dass dies eine schwierige und teure Aufgabe sei, aber auch die effektivste, meint Rosenstingl. "Wenn mein Kind ein Gewaltspiel spielt, muss ich mich als Elternteil fragen: Warum spielt es das? Welche Bedürfnisse deckt es damit ab?"

Auf dem Spielefest letztes Wochenende habe er sich mehrmals gefragt, wie Achtjährige an die von ihnen geschilderten, mit ausreichend Gewalt versetzten Spiele gelangen könnten: "Entweder sie haben es von Freunden oder die Eltern kaufen sie ihnen."

Expertenstatus zu eigenen Kindern

Die BuPP arbeite darauf hin, dass die Eltern einen "Expertenstatus" über ihre Kinder erlangen, so Rosenstingl weiter. Es gehe nicht darum, dass die Eltern selbst zu Computerprofis werden, sondern darum, dass sie sich mit ihren Kindern und deren Beschäftigung intensiver auseinander setzen.

Bis dato werden von der BuPP recht wenige Spiele wirklich empfohlen. Das führt Rosenstingl darauf zurück, dass es schwer sei, das Prädikat der BuPP zu erlangen. Es gebe immer wieder kleine Vorbehalte zu ansonsten recht guten Spielen.

Pädagoge gegen Kriminalisierung

Auch der Bildungswissenschaftler Konstantin Mitgutsch von der Universität Wien spricht sich gegen das Verbot bestimmter Spiele aus: "Es ist nicht so, dass Computerspiele die ausschlaggebende Ursache für gewalttätiges Handeln von Kindern und Jugendlichen sind und daher mit den angeführten Maßnahmen Gewalt verhindert werden könnte", so Mitgutsch in einer Aussendung.

Zudem würden Sanktionen gegen Videospiele auch die Spieler selbst und alle, die sich mit dem Thema konstruktiv auseinander setzen wollen, kriminalisieren.

"Enormer Foschungsbedarf"

Generell besteht für Mitgutsch im Bereich der Medienpädagogik "enormer Forschungsbedarf". So gebe es bis jetzt keine aussagekräftigen Daten zur Computerspielnutzung in Österreich.

Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Auslöser des Amoklaufs in Emsdetten würde allerdings bereits bekannte Untersuchungsergebnisse bestätigen, meint Mitgutsch.

Viele verschiedene Faktoren wie ein schwieriges soziales Umfeld, Diffamierung durch Mitschüler und Lehrer, mangelnde soziale Anerkennung, Isolation, extensiver Konsum von Gewalt verherrlichenden Spielen, Besitz von Schusswaffen sowie ein gewaltbereites Umfeld hätten zu der Tat geführt.

(futurezone | Nadja Igler | APA)