Internet-Provider in der Klemme

04.12.2006

Einem Urteil des Obersten Gerichtshofs folgend müssen Österreichs Provider die fortlaufend vergebenen IP-Adressen ihrer ADSL-Kunden speichern und "formlos bekannt geben". Damit können alle Internet-Aktivitäten der Kunden nachvollzogen werden. Laut Telekom-Gesetz dürfen die Provider genau das nicht ohne Gerichtsbeschluss.

"... sind unverzüglich zu löschen"

Österreichs Internet-Provider sitzen in der Klemme. Eingezwickt werden sie durch einander widersprechende Gesetze bzw. ein Urteil des Obersten Gerichtshofs mit nachfolgendem Erlass durch das Justizministerium sowie eine Empfehlung der Datenschutzkommission.

In Bezugnahme auf das österreichische Datenschutzgesetz 2000 heißt es in Paragraf 99, Absatz 1 des österreichischen Telekom-Gesetzes: "Verkehrsdaten dürfen außer in den gesetzlich geregelten Fällen nicht gespeichert werden und sind vom Betreiber nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen oder zu anonymisieren."

Im Fall ADSL

ADSL-Anbieter, die fortlaufende [dynamische] IP-Adressen an ihre Kunden in der Reihenfolge der Einwahl vergeben, bieten im Regelfall Pauschal-Verträge an, bei denen nur die Datenmenge, nicht aber Einwahlzeit und -dauer eine Rolle spielen.

Folglich sind diese Verkehrsdaten zu löschen, sobald das Datenvolumen pro Sitzung des Kunden erhoben ist. Seit dem 5. Oktober 2005 ist dem nicht mehr so.

"... sind formlos bekannt zu geben"

Einem Urteil des Obersten Gerichtshofs folgend hatte das Justizministerium am 7. Juli 2005 per Erlass bekannt gegeben, dass "Stammdaten von Internetnutzern ... formlos bekannt zu geben" seien, im Rahmen der Auskunftspflicht. Unter die Stammdaten fallen laut OGH statische wie dynamische IP-Adressen. Die Betreiber haben die Verfügbarkeit der Daten "durch technische und organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen".

Die Datenschutzkommission

Ein Jahr später, nämlich am 11. Oktober 2006 fällte die Datenschutzkommission, die von zwei Tauschbörsennutzern angerufen worden war, einen Spruch folgenden Inhalts. Die DSK empfahl, dynamische IP-Adressen nach Abschluss der technischen und organisatorischen Abwicklung nicht mehr ohne Zustimmung des Benutzers zu speichern. Die Stammdaten der beiden P2P-Benutzer wurden über die beim Provider gespeicherten dynamischen IP-Adressen im Auftrag einer Rechte-Verwertungsgesellschaft ausgeforscht.

Keine Auskunft

in der Branche wird allgemein betont, dass dem Erlass des OGH zahlreichen Anfragen zum Trotz eben nicht formlos nachgekommen wird.

Ohne Gerichtsentscheid gebe es für die Film- und Musikverwertungsgesellschaften keine Auskunft über die Zuordnung dynamischer IP-Adressen. Andererseits drohen Bußgelder, wenn der Auskunftspflicht nicht Genüge getan werden kann. Unter den Providern kocht der Missmut über die vertrackte Erlass-, Empfehlungs- und Gesetzeslage langsam hoch.

Die Provider

Kurt Einzinger, Generalsekretär des Provider-Verbands ISPA, bringt es so auf den Punkt. "Wie auch immer der ISP sich verhält - es ist falsch. Wenn er die Verkehrsdaten gleich löscht, widerspricht das dem Urteil des Obersten Gerichtshofs."

Behalte der Provider die Daten auf, stehe er im Widerspruch zur Bestimmung des TKG Verkehrsdaten sofort zu löschen, wenn sie nicht für die Verrechnung gebraucht werden und zur Empfehlung der Datenschutzkommission, die diese Bestimmung bestärkt hat, schreibt Einzinger.

Die kommende Speicherpflicht

2008 wird sich die Gesetzeslage in Österreich aller Voraussicht nach noch einmal ändern. Dann muss nämlich die EU-Richtlinie zur Speicherpflicht von Verkehrsdaten in Telefonienetzen und dem Internet umgesetzt werden. Was bis jetzt ausdrücklich verboten war, wird dann verpflichtend. Verkehrsdaten aus Telefonienetzen müssen ein Jahr, dynamische IP-Adressen und andere Daten aus dem Internetverkehr sechs Monate lang gespeichert werden.

(futurezone | Erich Moechel)