Rechtsdilemma um die Speicherpflicht

07.12.2006

"Extrem unbefriedigend", "verwirrende Situation", "ein echtes Dilemma" - Österreichs Internet-Provider und das Justizministerium diskutieren Wege aus der widersprüchlichen Gesetzes- und Auslegungslage zur Speicherung dynamischer IP-Adressen.

Telekom Austria und UPC

"Absolut unzufriedenstellend" sei die Lage momentan aus der Sicht der Telekom Austria, sagt TA-Sprecher Martin Bredl und fügt etwas kryptisch hinzu: Die TA halte sich an die bestehenden Gesetze, wohl wissend, dass da ein Widerspruch bestehe.

Beim großen Breitband-Rivalen UPC ist man ziemlich der gleichen Ansicht. "Extrem unbefriedigend, eine verwirrende Situation, das ist alles nicht akkordiert. Wir können uns aussuchen, gegen welches Gesetz wir verstoßen", sagt Gustav Soucek, Sprecher der UPC.

IP-Adressen und Auskunftspflicht

Wie es die beiden größten Breitband-Anbieter Österreichs in der Praxis mit der Speicherung der dynamischen IP-Adressen ihrer Kunden halten, wollen beide mit Verweis auf die vertrackte Gesetzeslage nicht öffentlich diskutieren.

Einerseits liegt eine Auskunftspflicht der Provider vor unter die nach Ansicht des OGH auch dynamische IP-Adressen fallen. Andererseits untersagt das Telekomgesetz - noch - siehe unten - eine Speicherung dieser Daten.

Justizministerium: "Ungute Situation"

Im österreichischen Bundesministerium für Justiz ist man sich der misslichen Lage von Österreichs Internet-Providern durchaus bewusst.

"Es ist eine ungute Situation für die Provider", sagt Christian Pilnacek, Leiter der Abteilung Strafprozessrecht im Justizministerium. Es sei "ein echtes Dilemma" mit einander widersprechenden Urteilen, Erlässen bzw. Gesetzen, an dessen Behebung man mit den Netzbetreibern arbeite.

Unsicherheit, Relevanz ...

Der Kern des Problems ist Unsicherheit darüber, wie ein auf einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aufsetzender Erlass des justizministeriums über die "formlose" Weitergabe dynamischer IP-Adressen mit den Bestimmungen des Telekom-Gesetzes zusammenpassen soll, das eine Speicherung dieser Daten verbietet.

Im Fall von ADSL-Anschlüssen mit Pauschaltarif bedeutet dies, dass diese fortlaufend und temporär vergebenen Internet-Adressen vom Provider nicht dauerhaft gespeichert werden dürfen, da sie nicht relevant für die Abrechnung sind.

... und die Kommission

Die Datenschutzkommission empfiehlt denn auch, diese Daten ohne Zustimmung des Kunden nicht mehr zu speichern, sobald das Datenvolumen pro Internet-Sitzung erhoben ist, denn nur das ist relevant.

Der laut allen Beteiligten häufigste Fall sind Auskunftsbegehren von Interessensverbänden der Musik- und Filmindustrie, die unter Vorlage einer temporären IP-Adresse, Datum und Uhrzeit von Internet-Providern Namen und Adressen von Tauschbörsennutzern verlangen. Grund: Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz.

Auskunftsbegehren ...

Die Möglichkeit, solchen Auskunftsbegehren nachzukommen, wäre damit in der Regel nicht mehr gegeben. Kunden mit einer symmetrischen DSL-Verbindung, also einer echten Standleitung mit fixer IP-Adresse, sind hingegen auch ohne Provider zu eruieren.

Bei ihnen und bei Inhabern von Domains ist es noch einfacher. Die Suche in einer der offenen "Whois"-Datenbanken im Netz führt in der Regel von Domain-Namen oder IP-Adresse zu Namen und Adresse des Inhabers.

In naher Zukunft, nämlich ab 2007, wird dann alles anders, denn die Speicherung dynamischer IP-Adressen wird dann verpflichtend. Die EU-Richtlinie zur verpflichtenden Speicherung von Verkehrsdaten [Data Retention Directive] muss in einer ersten Stufe bis September 2007 in Österreich umgesetzt werden.

... und kommende Speicherpflicht

Das betrifft vorrangig Daten aus den Telefonienetzen, die ab dann ein Jahr lang gespeichert werden müssen. Die vom Justizministerium ausgehandelte Übergangsfrist betreffend die Internet-Daten erstreckt sich zwar bis März 2009.

Es ist aber davon auszugehen, dass beides in einem Aufwaschen gesetzlich schon 2007 geregelt wird, mit einer entsprechenden Fristsetzung für die Internet-Daten.

Für den nächsten Teil dieser Serie haben wir beim Verband der österreichischen Musikindustrie, IFPI Austria, nachgefragt, wie man dort die bestehende Gesetzeslage interpretiert.

(futurezone | Erich Moechel)