IBM will Gesundheitswesen umkrempeln
Der US-Computerkonzern IBM hat in Frankreich seine Vision vom "vernetzten Krankenhaus" vorgestellt. Die Forscher sehen eine "digitale Radikalkur" für mehr Effizienz im Gesundheitswesen dringend notwendig, Vorbild ist dabei Dänemark.
"Das Gesundheitswesen ist in einer Krise. Steigende Kosten, die demographische Entwicklung und Verschlechterungen beim Zugang und den Wahlmöglichkeiten zwingen zu raschem Handeln", sagte Mike Svinte, Vizepräsident bei IBM und für Information Based Medicine zuständig, bei einem Pressegespräch im Industry Solution Center des Konzerns im französischen La Gaude.
"Mehr Vernetzung nötig"
Ohne Gegensteuern sei das Gesundheitssystem in vielen Ländern schon bald nicht mehr aufrechtzuerhalten, fasste Svinte die Ergebnisse der IBM-Studie "Healthcare 2015" zusammen. Notwendig sei eine digitale Radikalkur, um etwa die Überlastung des Fachpersonals durch administrative Tätigkeiten sowie Kostenexplosionen zu vermeiden.
"Nicht nur die Krankenhäuser, sondern das ganze Gesundheitssystem muss vernetzt werden", assistierte Hans Erik Henriksen, Healthcare Industry Leader bei IBM. In Dänemark sei bereits vor zwölf Jahren das Projekt Health Net gestartet worden, bei dem Verwaltung, Krankenhausbetreiber, Pharmafirmen und diverse Interessenvertretungen zusammenarbeiten.
Vorbild Dänemark
Mit dem E-Health-Portal Sundhed, über das Patienten ihre Laborbefunde und Informationen über Wartezeiten für Operationen abrufen sowie auf ihr personalisiertes Gesundheitsprofil zugreifen können, sei es gelungen, insgesamt 872 Mio. Euro einzusparen. Die beteiligten Krankenhäuser hätten einen Rückgang bei den Telefonkosten von 66 Prozent verzeichnet und in den Arztpraxen sei der Arbeitsaufwand um durchschnittlich 30 Stunden pro Woche geschrumpft.
Den Bürgern stehen mit dem Portal laut den Angaben die "Gelben Seiten des dänischen Gesundheitssektors" zur Verfügung. Es schlägt Alarm, wenn man neue Medikamente verschrieben bekommt, die sich nicht mit anderen zurzeit eingenommenen vertragen, und ein "Event Log" erinnert an Untersuchungs- und Impftermine.
Wer auf die Daten zugreifen darf, entscheidet der User. Auch kann nachgeprüft werden, welche berechtigten Personen davon Gebrauch gemacht haben.
Privater Ansatz
Die US-Megakonzerne Wal-Mart, Intel, BP America, Applied Materials und Pitney Bowles haben am Mittwoch angekündigt, eine private Gesundheitsdatenbank für ihre Angestellten, deren Angehörige und Pensionisten zu finanzieren.
Die High-Tech-Notaufnahme
In einem Pilotprojekt mit dem Universitätskrankenhaus von Nizza hat IBM nicht nur die Patienten, sondern auch alle medizinischen Geräte und die Tablet-PCs der Ärzte mit Funkchips [RFIDs, Radio Frequency Identification] ausgestattet.
Gleich nach der Ankunft in der Notaufnahme bekommt der Patient ein RFID-Armband, das ihn durch die Behandlungsstationen begleitet und auf dem der medizinische Zustand sowie die bereits abgeschlossenen beziehungsweise noch ausstehenden Behandlungsschritte in Echtzeit abgespeichert werden. "Außerdem kann damit die Position des Patienten auf 50 Zentimeter genau bestimmt werden", sagte Jean-Michel Corrieu, European Technical Manager bei IBM.
Daten überall abrufbar
Diese Informationen stehen dann dem medizinischen Personal sowohl auf großen LCD-Bildschirmen als auch auf den mobilen PCs der Ärzte zur Verfügung. Abrufbar sind zudem aktuelle Untersuchungsergebnisse, die Auslastung der Abteilungen und ob in ausreichender Anzahl medizinisches Equipment bereitsteht.
"Der Arzt muss sich nicht in die Radiologie bemühen, sondern kann die Röntgenbilder online abfragen. Außerdem wird die Schwere eines Falles angezeigt, um die Reihenfolge der Behandlung festzulegen", so der Manager. Durch diese drahtlose "Geolokalisierung" habe die Geräteverfügbarkeit erhöht, der Behandlungsprozess gestrafft und so die Patientenversorgung verbessert werden können.
Datenschutz bleibt Thema
Auf den Schutz der Daten werde natürlich geachtet, erklärte Corrieu: "Die Privatsphäre ist gesichert, weil wir nur Aliase und nicht den wirklichen Namen der Patienten verwenden." Angaben zu möglichen finanziellen Einsparungen durch die Einführung des Systems wollte Corrieu nicht machen.
Die Kosten für die Implementierung würden je nach Integrationstiefe "ein paar hunderttausend bis Millionen Euro" betragen. Zurzeit werde in Nizza an der Integration in das restliche Krankenhaussystem gearbeitet.
Wohin mit den Daten?
In Österreich haben Patientenvertreter und die Wiener Ärztekammer jüngst Bedenken gegen die wachsende Zahl an elektronisch gespeicherten Gesundheitsdaten geäußert. Die E-Card ist dabei erst der Anfang, ab 2008 wird in Österreich auch die elektronische Gesundheitsakte eingeführt. Wer soll über die sensiblen Daten wachen?
(APA)