Streit über Dateiformat der Zukunft
Microsoft und Open-Source-Unterstützer kämpfen um das Dateiformat, in dem wir in Zukunft unsere Informationen speichern werden. Ein Gespräch mit FSFE-Präsident Georg Greve über Feinheiten und Finten in der Standardisierungspolitik.
Es sieht aus wie ein Wettrennen: Am 30. November wurde das durch Open Office populär gewordene Dateiformat ODF in den Rang eines ISO-Standards erhoben.
OASIS
Die ISO-Standardisierung von ODF wurde durch die gemeinnützige Organisation OASIS [Organization for the Advancement of Structured Information Standards] vorangetrieben. Zu den Gründungsmitgliedern von OASIS gehören unter anderem IBM, SAP und Sun Microsystems.
Kurz darauf, am 7. Dezember, konnte Microsoft bekannt geben, dass die Standardisierungsorganisation der europäischen Computerindustrie [ECMA] Office Open XML, das Dateiformat von Office 2007, als Standard akzeptiert hat. Die ECMA wird Office Open XML [OpenXML] auch für eine schnelle Standardisierung durch die ISO vorschlagen.
ECMA?
Die ECMA [European Computer Manufacturers Association] ist die 1961 gegründete Standardisierungsorganisation der europäischen Computerindustrie. Ihr gehören von Adobe über Microsoft bis Yahoo zahlreiche Größen des internationalen IT-Geschäfts an. Die ECMA sitzt in Genf und unterhält beste Beziehungen zur International Organization for Standardization [ISO]. Microsoft hat sich von der ECMA bereits seine Programmiersprache C# und das Common Language Interface [CLI] als Standards anerkennen lassen.
Besonders für Firmen und Behörden sind diese Standards ein wichtiges Argument bei der Beschaffung von Software. Auch Privatleute stehen bei proprietären Formaten immer wieder vor dem Problem, dass sich auch simpelste Textdateien, die mit dem einen Programm geschrieben wurden, von einem anderen Programm nicht korrekt lesen lassen.
ORF.at sprach mit Georg Greve, dem Präsidenten der Free Software Foundation Europe [FSFE], über die politische Bedeutung des Standardisierungswettkampfs.
ODF? Office Open XML?
ODF [Open Document Format] ist das Standard-Dateiformat von Open Office 2.0. Es wurde im Mai 2005 von OASIS veröffentlicht.
Office Open XML [OpenXML] ist das native Dateiformat in Microsofts neuem Office 2007.
Beide Formate setzen auf der Auszeichnungssprache Extensible Markup Language [XML] auf und sollen im Quelltext auch mit einfachen Editoren gelesen werden können.
ORF.at: Warum bemühen sich Microsoft und OASIS darum, dass Office Open XML und ODF als Industriestandards anerkannt werden? Bisher schienen doch alle Akteure mit Microsofts Office-Formaten als De-facto-Standard zufrieden zu sein.
Georg Greve: Die Frage offener Standards wird seit über 20 Jahren mit wechselnder Intensität diskutiert, dabei gibt es noch viele Missverständnisse.
In Ihrer Frage sprechen Sie beispielsweise von "De-facto-Standards", doch das ist ein Widerspruch in sich: Standardisierung bedeutet, dass verschiedene Hersteller sich auf ein Format einigen, damit es Kommunikation und Wettbewerb geben kann. Microsofts Office-Formate sind aber nur von einem Unternehmen definiert und voll implementiert. Damit sind es monopolisierte, proprietäre Formate und keine Standards.
Genau darin liegt die Notwendigkeit von echten Standards, denn durch solche proprietären Formate wird der marktwirtschaftliche Wettbewerb stark behindert. Gleichzeitig verlieren Anwender die Kontrolle über ihre Daten und können auf diese nur zugreifen, solange sie die entsprechende Software des Herstellers verwenden können und dürfen.
Ein simples Dateiformat hat also auch eine politische Dimension ...
Einer Regierung ist es im Fall von proprietären Formaten nicht möglich, die eigene Datenhoheit und langfristigen Zugriff zu garantieren. Sie hängt dabei vollständig vom Softwarehersteller ab. Für die öffentliche Hand ist das fatal.
Zudem zwingen öffentliche Institutionen durch Verwendung solcher proprietären Formate die Bürger, Software aus einem bestimmten Haus zu verwenden, leisten also der Monopolisierung Vorschub, und das zum Schaden der lokalen Anbieter. Es passiert hier also schnell, dass der öffentliche Auftrag verletzt wird.
Dagegen erlauben offene Standards die Verwendung von Software beliebiger Hersteller und damit Wettbewerb und höhere Unabhängigkeit. Viele Regierungen weltweit sehen das zunehmend als zentrale Frage in Ihrer IT-Beschaffung. Beispiele dafür gibt es in Massachusetts, Dänemark oder auf Ebene der Europäischen Union.
ODF ist ISO-spezifiziert, Microsofts OpenXML vorläufig nur von der ECMA als Standard anerkannt. Wo liegt da der Unterschied?
ISO ist eine international anerkannte Standardisierungsorganisation, die auf globaler Ebene als Referenz anerkannt ist. ECMA ist eher eine nachgeordnete Standardisierungsorganisation, von der vor OpenXML kaum jemand gehört hat.
Daher will Microsoft auf Basis der ECMA-Anerkennung nun ja auch die ISO-Zertifizierung in Angriff nehmen.
An OASIS, also an der Organisation, die ODF vertritt, sind auch die alten Microsoft-Rivalen Sun und IBM beteiligt. Werden mit dem aktuellen Standards-Konflikt alte Industriefeindschaften auf dem Rücken der Open-Source-Entwicklergemeinde ausgetragen?
Es sind nicht nur Sun und IBM, die sich klar für den existierenden und zertifizierten ISO-Standard eines generischen Dokumentenformats, das Open Document Format [ODF], ausgesprochen haben. Auf der Seite offener Standards finden sich auch Unternehmen wie Google wieder oder Freie-Software-Projekte wie koffice.
Letztlich nutzen proprietäre Formate, und OpenXML muss hier ganz klar dazugezählt werden, lediglich dem dominanten Anbieter - auf dem Desktop ist das Microsoft.
Mehr Wettbewerb wird in jedem Fall allen zugute kommen, auch wenn wir in Zukunft natürlich weiter darauf achten müssen, offene Standards entsprechend einzuhalten und zu bewahren, auch wenn die hintertreibende Partei dann nicht mehr Microsoft heißen mag.
Sie haben in Ihrem Weblog kritisiert, dass Novell auf Grundlage des Kooperationsabkommens mit Microsoft eine Unterstützung für OpenXML in Open Office einbauen will. Auf den ersten Blick ist das zusätzliche Feature doch eine gute Sache für Open Office.
Novell hat versucht, dies über "mehr Wahl für den Verbraucher" als gute Sache darzustellen. Bei Standards ist aber das genaue Gegenteil der Fall, weshalb man immer anstrebt, nur einen Standard für einen Zweck zu haben.
Dies läßt sich leicht nachvollziehen, wenn man sich die verschiedenen Standards für elektrische Stecker weltweit ansieht: Mehr Auswahl ist für den Verbraucher hier eine Qual, der über verschiedene Adapter und Transformatoren beizukommen ist.
Als es im Wesentlichen ausschließlich proprietäre Formate gab, war es sicherlich eine gute Sache, auch die proprietären Formate von Microsoft in OpenOffice.org zu unterstützen.
Heute gibt es aber einen international anerkannten ISO-Standard für diesen Zweck, und einen weiteren "Standard" hinzufügen zu wollen ist aus Sicht der Verbraucher in etwa so sinnvoll wie der Versuch, nun einen neuen Stecker einzuführen, der nur mit dem Strom eines einzigen Anbieters funktioniert.
Novell sollte sich lieber darauf konzentrieren, das ODF-Plugin für Microsoft Office zu verbessern, damit alle Anwender von Microsoft in Zukunft gut und problemlos mit dem Rest der Welt und der eigenen Regierung kommunizieren können.
Aber wenn OpenXML auch ein ISO-Standard sein wird, dann ist es doch, wie im Fall von ODF, anderen Herstellern möglich, es in ihre Produkte zu integrieren.
Die Frage nach dieser Möglichkeit entscheidet sich nicht primär nach dem aufgeklebten ISO-Label, sondern nach der Qualität, Vollständigkeit und Umgebung, in der der Standard eingebettet ist.
Die Microsoft-Formate haben ihren Hintergrund darin, Daten entlang der internen Struktur binär abzuspeichern. OpenXML bricht nur bedingt mit dieser Tradition, indem es die Daten in XML-Container speichert, dabei aber weiterhin auf proprietäre Datenformate von Microsoft setzt.
Es ist im Wesentlichen aber eine Beschreibung von Microsofts Formaten, inklusive aller historisch gewachsenen Merkwürdigkeiten. Daher ist die "Spezifikation" unglaubliche 6.000 Seiten dick, was man sich durchaus mal vorstellen darf: Man nehme einen 500-Blatt-Stapel Kopierpapier und verzwölffache dann die Papiermenge.
Wer also Microsofts Format vollständig umsetzen will, müsste im Wesentlichen nicht nur OpenXML implementieren, was Andrew Shebanow von Adobe an Hand der Angaben von Microsoft auf einen Aufwand von 250 Personenjahren eingeschätzt hat, sondern eben auch die proprietären Formate, die in OpenXML eingebettet sind, was vermutlich bedeutet, große Teile von Windows nachbauen zu müssen, wie Bob Sutor von IBM bereits ausgeführt hat. Daher ist Microsoft das einzige Unternehmen, das OpenXML definiert und wirklich umsetzen kann.
Im Gegensatz dazu setzt das Open Document Format [ODF] prinzipiell auf Standards für die eingebetteten Container auf, die sauber geschrieben und daher von der internen Repräsentation getrennt sind.
Daher wird OpenXML im Gegensatz zu ODF auch als "Einwegstandard" bezeichnet, denn es erlaubt im Wesentlichen nur die Migration zur Implementation von Microsoft, wodurch es eben kein Standard ist, unabhängig von dem, was ECMA gegen die Stimme unter anderem von IBM beschlossen hat.
Welches Dateiformat ist aus Ihrer Sicht für den Endanwender das richtige und warum?
Das Open Document Format [ODF] ist das einzige Format, das ein internationaler ISO-Standard ist, der vollständig von mehreren Anbietern implementiert werden kann und ist.
Nur ODF gewährt eine relevante Herstellerunabhängigkeit und garantiert darüber hinaus die Möglichkeit, Dateien auch in zehn Jahren noch lesen zu können. Daher kann ich nur ODF mit gutem Gewissen empfehlen.
(futurezone | Günter Hack)