Die nächste Runde im "Copyright-Experiment"
Als ein Experiment mit ungewissem Ausgang und unabwägbaren Risiken für die Informationsgesellschaft sieht der Salzburger Richter und Internet-Spezialist Franz Schmidbauer das neue Urheberrecht, das am Dienstag im Parlament beschlossen werden und im Juli in Kraft treten soll.
Mit der Novelle soll auch hier zu Lande die EU-Informationsrichtlinie für Copyright umgesetzt werden.
Schmidbauer hat in den letzten Tagen zum Thema zwei Analysen publiziert, die sich durch das unaufgeregte Abwägen der möglichen Konsequenzen und Fallstricke des neuen Gesetzes auszeichnen.
Zum eigentlich festgesetzten Stichtag [22. Dezember 2002] hatten nur zwei der 15 Länder die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt [Dänemark und Griechenland].
Digitales EU-Copyright kommt späterVerpasste Gelegenheit
Im ersten Beitrag beschäftigt sich Schmidbauer mit den Risiken des Urheberrechts im Netz, denen sich insbesondere Betreiber von Homepages und andere nicht professioneller Sites aussetzen.
Dabei ist zunächst festzustellen, dass beispielsweise die Risiken einer zivilen Klage wegen Urheberrechtsverletzungen schon bisher unabwägbar waren, da hier ohne Vorwarnung geklagt werden kann [Abmahnung nicht nötig] und außerdem eine Haftung auch dann vorliegt, wenn die Verletzung fremder Rechte gar nicht bewusst vorgenommen wurde.
Allerdings beseitigt die Urheberrechtsnovelle diese Unsichheit nicht, was Schmidbauer als verpasste Gelegenheit wertet, auf die Realität im Netz juristisch zu reagieren.
"Man kann nur hoffen, dass die derzeitigen Möglichkeiten des Urheberrechts im Internet nicht ausgeschöpft werden. Einige spektakuläre Klagen gegen kleine Anbieter könnten genügen, um das Gefühl entstehen zu lassen, dass ein Webauftritt mit unabsehbaren Risiken verbunden ist. Das könnte der Sargnagel für die Weiterentwicklung des österreichischen Internets sein", heißt daher Schmidbauers Fazit.
"Das Urheberrecht als Sargnagel der Informationsgesellschaft?"Gegenüberstellung bisheriges Gesetz - Änderungen durch die Novelle, samt Inhaltsverzeichnis:
GegenüberstellungCopy, Trial and Error
In einem weiteren Beitrag beschäftigt sich Schmidbauer mit dem bisher am konträrsten diskutierten Element des neuen Urheberrechts, dem besonderen Schutz von technischen Kopierschutzmaßnahmen.
Hier liegt offensichtlich schon jetzt ein großes Missverhältnis zwischen der gesetzlichen Lage und der Realität im Netz vor, das sich durch die Urheberrechtnovelle noch mehr ausweiten wird: "Würden alle Rechteverletzer geklagt werden, würden die Justizsysteme zusammenbrechen", kommentiert Schmidbauer.
Die vorliegende Urheberrechtsreform ist daher für den Juristen "in vielerlei Hinsicht ein Experiment. Ob sie an den bestehenden Zuständen etwas ändern wird, ist mehr als fragwürdig."
IFPI: Urheberrecht "verwässert, aber ausreichend"Ein bisschen Recht auf Privatkopie
In der Analyse stellt Schmidbauer des Weiteren fest, dass das "Recht auf Privatkopie" nur teilweise unangetastet bleibt.
Das ist vor allem auf das Verbot der Umgehung eines "wirksamen" Kopierschutzes zurückzuführen, das im Gesetz neu ist. Da das Gesetz die "Wirksamkeit relativ rigoros" definiert, bleibt hier für den gesetzestreuen Käufer einer kopiergeschützten CD kein Spielraum, da schon ein Filzstiftstrich auf der CD-Oberfläche, der zum Austricksen des Mechnismus dient, einen Verstoß darstellt.
Anders sieht es laut Schmidbauer absurderweise bei Playern, die den Umgehungsmechanismus bereits eingebaut haben, aus: Hier ist das Umgehen des Kopierschutzes nicht verboten.
Für besonders aktive Filesharer und professionelle Raubkopierer sieht Schmidbauer dagegen durch das neue Gesetz kaum eine Änderung: "Der Trugschluss bei diesem Modell liegt aber darin, dass man realistischerweise nicht erwarten kann, dass jemand, der sowieso schon das Urheberrecht verletzt, indem er verbotene Kopien herstellt, sich durch ein Verbot von Umgehungsmaßnahmen abhalten lässt", folgert der Jurist.
"Die Angst vor der digitalen Kopie"