Reality Check Check: 1997

24.12.2006

Eine Serie über die Zukunft des Jahres 1996. Heute: Der erschwingliche CD-Recorder schockt die Bosse der Plattenindustrie. Dafür gibt es Hollywood-Fun direkt auf den smarten Röhrenfernseher zu Hause! Und das schon 1997.

Erschwingliche CD-Recorder

Eigentlich gab es ihn ja schon. Er war nur unglaublich teuer, der CD-Brenner für den Hausgebrauch. Mit umgerechnet rund 1.000 Euro blieb ein Doublespeed-Brenner 1996 professionellen Anwendern vorbehalten.

Die von den "Reality Check"-Autoren 1996 befragten Experten verbreiten aber Hoffnung. Sie kommen zu dem Schluss, dass bereits 1997 die ersten wirklich erschwinglichen CD-Musikrecorder zu Preisen zwischen 250 und 500 US-Dollar in den amerikanischen Haushalten auftauchen würden: "Stellen Sie sich einen CD-Brenner vor, der so viel kostet wie ein Videorecorder."

Die dunkle Kraft, die den Recorderspaß für jedermann noch verhindern könnte, sei die von Angst zerfressene Musikindustrie. Nun ist die Musikindustrie im Laufe der Jahre keineswegs entspannter geworden, die CD-Brenner haben sich aber durchgesetzt.

Schon 1997 kosteten die Brenner "nur" noch um die 500 Euro, die "Wired"-Experten hatten also die Entwicklung ziemlich korrekt vorhergesagt. Ihre Definition der DVD als "Antwort der CD auf die Double-Density-Diskette" klingt heute allerdings niedlich.

Futuristisch wie eine Floppy Disk, exotisch wie ein Toast Hawaii: Unsere kurze Serie stellt eine Auswahl von Prophezeiungen vor, die 1996 in dem Hardwired-Band "Reality Check" veröffentlicht wurden. Heute: 1997.

Movies-on-demand

Die fünf zum Thema Film-Downloads via Internet befragten Experten aus dem Jahr 1996 sehen die fehlenden Bandbreiten und die billige Konkurrenz durch Videothekenketten als größte Hemmnisse für die Ausbreitung kommerzieller Film-Download-Dienste.

Der pessimistischste Experte rechnete für das Jahr 2000 damit, dass sauber lizenzierte Film-Downloads die Videotheken weitestgehend ersetzt haben würden. Einige konnten sich auch Downloads via Satellit vorstellen.

Dass sich schon bald nicht mehr technische Engpässe, sondern vielmehr die Ängstlichkeit der Industrie als größtes Hindernis auf dem Weg zum digitalen Filmspaß auf Knopfdruck herausstellen und die Konkurrenz zu den kommerziellen Filmanbietern im Netz nicht von Blockbuster Video sondern von kleinen Programmen namens Napster, eMule oder Bittorrent gestellt werden würde, konnte 1996 noch niemand ahnen.

Intelligente Agenten

1996 waren "intelligente Agenten", also Programme, die im Auftrag ihres Nutzers durchs Netz wandern und dort autonom Aufträge erledigen, der allerletzte Schrei. "Für die meisten Bot-Connaisseure sind Bots mehr als nur geistlose Einsen und Nullen."

Den kalifornischen Netzfreidenkern schwebten virtuelle Haustiere vor, die ihnen im Internet die virtuelle Tageszeitung apportieren, also Wesen mit wesentlich freundlicherem Charakter als die Suchmaschinen- und Spambots, die heute das Netz durchforsten.

Es gibt die Bots heute tatsächlich, aber sie sind eben keine smarten körperlosen Tamagotchis, sondern netzlandwirtschaftliche Erntemaschinen. Die "Wired"-Vorstellung eines Bots von 1996 mutet heute an wie barocke Fantasien von Robotern als mechanischen Menschen, für die der berühmte Schachtürke, den Johann Wolfgang von Kempelen einst für Maria Theresia konstruierte, als Beispiel dienen mag.

(futurezone | Günter Hack)