Reality Check Check: 1998
Die "Wired"-Experten haben vor zehn Jahren für 1998 eine eigene Internet-Währung vorausgesagt. Schüler sollten in virtuellen High Schools lernen und brauchten dazu natürlich eine Flat Rate für Ferngespräche.
Die Vorhersagen der "Reality Check"-Experten für das Jahr 1998 beziehen sich eher auf praktische Dinge des Alltags. Sie erwarteten E-Cash, die virtuelle High School und die Flat Rate fürs Telefon.
Futuristisch wie ein Bildtelefon, exotisch wie die Frisur von Gillian Anderson in "Akte X": Unsere kurze Serie stellt eine Auswahl von Zukunftsvisionen vor, die 1996 in dem Hardwired-Band "Reality Check" veröffentlicht wurden. Heute: 1998.
E-Cash wird verfügbar
Die von den "Reality Check"-Autoren befragten Finanzexperten sagten für das Jahr 1998 die Verfügbarkeit einer frei konvertierbaren Internet-Währung voraus.
Diese stellten sie sich so vor, dass der Kunde über das Netz eine verschlüsselte Anfrage an seine Bank schicken sollte, diese daraufhin die angeforderte Summe von Dollar in Internet-Geld wechselt und dem Kunden einen verschlüsselten Code schickt, mit dem dieser dann über die vereinbarte Summe bei Online-Händlern direkt einkaufen kann.
Virtuelles Geld - ein Pleonasmus
Eine solche Online-Währung hat sich nicht durchgesetzt, wenn man vielleicht von Währungen in Online-Spieleumgebungen wie dem Linden-Dollar in "Second Life" oder dem virtuellen Gold von "World of Warcraft" absieht. Geld ist schließlich an und für sich schon abstrakt genug.
Mit dem Votum für 1998 lagen die Experten aber insofern nicht daneben, als just in diesem Jahr Peter Thiel und Max Levchin die Firma Confinity gründeten, aus der 2000 dann das Online-Zahlungssystem PayPal entstand.
Erste Abschlussklasse einer virtuellen High School
Obwohl die Schulsysteme der USA mit ihren weiten dünn besiedelten Gebieten schon seit längerem mit E-Learning-Technologien experimentieren, gaben sich die für "Reality Check" befragten Bildungsfachleute in Sachen virtueller High School eher vorsichtig.
Zwar sagten sie für 1998 die erste Abschlussklasse einer virtuellen High School voraus, meinten aber gleichzeitig, dass es nicht erstrebenswert sei, eine Schule ohne physische Präsenz der Schüler zu gründen. Es sei wohl eher zu erwarten, dass herkömmliche Schulen ihr Angebot mit Online-Kursen ergänzen würden.
Lost in Tele-Learning
Wann denn nun genau die erste "virtuelle" Abschlussklasse von einer US-High-School abgegangen ist, lässt sich nicht leicht ermitteln. Die in "Reality Check" als führendes Bündnis von Online-Schulen referenzierte netschool.edu untersucht heute nur noch Möglichkeiten, "Second Life" als Lernumgebung zu nutzen. Die 1994 gegründete Firma CompuHigh wirbt mit der Behauptung, die erste Online-Highschool der USA angeboten zu haben.
Ein Wachstumsmarkt bleibt das Online-Lernen allemal. Einem Bericht des Sloan-Konsortiums zufolge haben im Herbst 2005 immerhin 3.180.050 Schüler in den USA an mindestens einem Online-Kurs teilgenommen.
Immerhin sieht die Illustration zum "Reality-Check"-Artikel, ein mit Photoshop in ein Browserfenster montiertes Abschlussklassenbuch, schon verdächtig so aus wie zeitgenössische Social-Networking-Sites à la Facebook. Damit hat sich das High-School-Buch an sich als erfolgreicher herausgestellt als die meisten Telelearning-Konzepte.
Flatrate für Ferngespräche
Von VoIP war 1996 noch nicht die Rede. Die für "Reality Check" befragten Telekommunikationsprofis glaubten eher daran, dass es eine gemeinsame Flatrate für herkömmliche Ferngespräche und Internet-Standleitungen geben werde. Ortsgespräche im Festnetz unterlagen in den USA schon damals keinem Zeittakt.
Den Breitband-Anschluss für zu Hause sagte "Reality Check" unter dem Stichwort "Fiber to the Home" erst für 2007 voraus. Am liebsten wären den Autoren Lichtwellenleiter ["Fiber"] als Medium gewesen. Die pragmatischeren Experten dagegen setzten auf Kabelmodems. Sie bekamen Recht.
(futurezone | Günter Hack)