Reality Check Check: 1999/2000
Party like it's 1999! Mit der Pille für den Mann und hauteng von eifrigen Bots auf den Leib geschneiderten Jeans. Für das Jahr 2000 ist den Experten von 1996 allerdings verdächtig wenig eingefallen.
Vielleicht hofften die "Reality Check"-Experten auch darauf, dass der Y2K-Bug, der allerdings im ganzen Buch nicht vorkommt, am 1. Januar 2000 den Weltuntergang herbeiführen und sie somit aus ihrer Augurenpflicht entlassen würde.
Futuristisch wie ein Raketenrucksack, exotisch wie ein Nacktmull mit Fell: Unsere kurze Serie stellt eine Auswahl von Zukunftsvisionen vor, die 1996 in dem Hardwired-Band "Reality Check" veröffentlicht wurden. Heute: 1999/2000.
Die "Pille für den Mann"
Die "Reality Check"-Experten erwarteten das hormonelle Verhütungsmittel für Männer bereits für 1999 und waren damit zu optimistisch. Die "Pille für den Mann" gibt es auch heute noch nicht zu kaufen.
Die deutsche Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die auf ihrer Website den Stand der Forschung in Sachen Verhütungsmittel anzeigt, erwartet erst für 2007 ein entsprechendes Verhütungsmittel für Männer.
Der Spermien lähmende Hormoncocktail aus Gestagenen und Testosteron wiederum soll allerdings nicht in Form einer Pille, sondern alle drei Monate über eine Spritze ins Hinterteil injiziert werden. Ob das wohl ein Verkaufsschlager wird?
Über Nacht gelieferte maßgeschneiderte Kleidung
Neben dem vernetzten Kühlschrank wohl eine der ältesten Fantasien des E-Commerce: 3-D-Scanner, die dem Kunden die Körpermaße abnehmen und die Daten an den Schneider-Bot schicken, der am nächsten Tag schon die perfekt sitzenden Klamotten bereithält.
Auch hier war "Reality Check" mit seiner Ansage für 1999 zu optimistisch. Man kann sich zwar im Internet T-Shirts mit eigenem Aufdruck bestellen und das Design seiner Freitag-Tasche festlegen, aber die von diskreten Robotern zurechtgeschneiderten, perfekt sitzenden Jeans gibt es immer noch nicht.
Das liegt vielleicht an den Produktionsmethoden der Textilkonzerne, die in der Regel statt auf High-Tech lieber auf billigste Arbeitskräfte setzen. Kein Wunder, dass der amerikanische Aktivist Jonah Peretti schon 2001 mit dem Versuch scheiterte, sich das Wörtchen "Sweatshop" auf seine im Internet-Shop von Nike bestellten Turnschuhe sticken zu lassen.
Gentherapie für Krebs
Seltsamerweise hat "Reality Check" ausgerechnet für das Jahr 2000 nur eine einzige Prophezeiung getroffen. Die Autoren befragten drei Mediziner dazu, wann es eine funktionierende Gentherapie gegen Krebs geben würde. Einer wollte sich nicht festlegen, die anderen beiden legten sich auf 1999 und 2000 fest.
Die Gentherapie verfolgt den Ansatz, genetische Informationen in das Erbgut von Krebszellen einzubringen, die diese dann absterben lassen oder für das Immunsystem sichtbar machen sollen. Entsprechende Versuche gibt es schon seit Ende der 90er Jahre.
Da für das Einbringen der Gensequenzen in die Krebszellen auch Viren als Genfähren verwendet werden, ist die Gentherapie in ihrem derzeitigen Stadium nicht ungefährlich, da diese Viren starke Überreaktionen des Immunsystems auslösen können.
Eine allgemeine Gentherapie, die gegen alle Arten von Krebs wirken würde, ist nicht in Sicht. Die Forschungsarbeiten werden jedoch weltweit mit verschiedenen Ansätzen weitergeführt. Ende August 2006 publizierten beispielsweise Forscher des National Cancer Institute der USA in der Fachzeitschrift "Science" eine erfolgreich klinisch getestete Gentherapie gegen Hautkrebs.
(futurezone | Günter Hack)