Reality Check Check: 2002
Die Zukunftsforscher des Jahres 1996 hatten für 2002 viel vor. Besonders die Medizintechnik sollte sich bis dahin enorm weiterentwickelt haben. Bis zu dem Punkt, an dem der Computer die Handschrift des Arztes korrekt zu entziffern vermag.
Was die Fettkiller-Pille nicht wegbekommen hatte, sollte der Operationsroboter entfernen. Mit einigem Optimismus gingen die "Reality Check"-Autoren bei ihren Vorhersagen für das Jahr 2002 zu Werke. Umso bedauerlicher ist es, dass bis auf einen einzigen Punkt keiner ihrer Wünsche in Erfüllung gegangen ist.
Futuristisch wie ein staubsaugender Roboter, exotisch wie Mineralwasser vom Mars: Unsere kurze Serie stellt eine Auswahl von Zukunftsvisionen vor, die 1996 in dem Hardwired-Band "Reality Check" veröffentlicht wurden. Heute: 2002.
Wirksamer Impfstoff gegen AIDS
Die Vorhersage eines wirksamen Impfstoffs gegen den HI-Virus für das Jahr 2002 ist die wohl traurigste Fehleinschätzung der "Reality Check"-Mannschaft.
Nach aktuellen Angaben der UNO-Unterorganisation UNAIDS leiden weltweit 38,6 Millionen Menschen an der Immunschwächekrankheit. 2005 starben 2,8 Millionen Menschen an den Folgen von AIDS. In Österreich leben nach Angaben der AIDS Hilfe Wien bis zu 15.000 Menschen mit dem Virus. Täglich stecken sich ein bis zwei Menschen in Österreich neu mit dem Virus an.
Obwohl mittlerweile in den reichen Ländern der Erde Medikamentencocktails zur Verfügung stehen, die das Leben von Patienten signifikant verlängern können, ist die Wissenschaft noch weit davon entfernt, eine Impfung gegen AIDS anbieten zu können. Man wünscht sich, die Experten von 1996 hätten Recht gehabt.
Computer mit Handschrifterkennung
"Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung wird jemals PDAs dazu nutzen, ihre Notizen von unterwegs in Wordperfect-Dateien zu übertragen", meint einer der "Reality Check"-Experten von 1996, die schließlich die Marktreife für funktionierende Handschrifterkennung auf tragbaren Computern für 2002 festsetzten.
Das Apple Newton Messagepad existierte da schon seit drei Jahren. Im Gegensatz zum wesentlich erfolgreicheren, aber weniger innovativen Palm Pilot, der 1996 sein Marktdebüt gab, konnte der Newton nicht nur einzelne Buchstaben, sondern schon ganze handgeschriebene Wörter erkennen.
Als ausgereift gilt die Handschrifterkennung des Newton bereits mit der Einführung der Betriebssystemversion 2.1 im Jahr 1997. Apples Ingenieure waren ihrer Zeit um fünf Jahre voraus. Kein Wunder, dass der Newton auch heute noch eine treue Fangemeinde hat.
Weit weniger bekannt als der Newton ist Microsoft Windows for Pen Computing, das bereits 1992 auf den Markt kam und dem Betriebssystemaufsatz Windows 3.1 zu bescheidenen Handschrifterkennungsfähigkeiten verhalf. Das mit diesem System ausgestattete Notebook Compaq Concerto nahm schon wesentliche Design-Elemente heutiger Tablet-PCs unter Windows XP vorweg, die - und hier stimmt die Vorhersage der Reality-Checker exakt! - im Jahr 2002 eingeführt wurden.
Bleibt nur noch die Frage: Was war noch mal Wordperfect?
Die Fettfresser-Pille
Die für "Reality Check" befragten Mediziner erwarteten, dass 2002 eine Pille zur Gewichtsreduzierung verfügbar sein würde. Für besonders viel versprechend hielten sie das Konzept eines Medikaments, das den Stoffwechsel beschleunigen und somit schneller Fett verbrennen würde.
Heute gibt es Fettblocker wie Orlistat, das von Roche unter dem Namen Xenical vertrieben wird und 1999 von der US-Nahrungsmittelbehörde FDA als Medikament zugelassen wurde. Eine Pille, die ohne Nebenwirkungen Fett verbrennt, existiert jedoch bis heute nicht.
Laut offizieller US-Gesundheitsstatistik gelten 30 Prozent der über 20-jährigen Bürger der Vereinigten Staaten als übergewichtig. Laut WHO sieht es in Europa nicht viel besser aus.
Ferngesteuerte Chirurgie
Operationen mit Telepräsenzsystemen übers Netz erwarteten die "Reality Check"-Mediziner ebenfalls für 2002. Interessanterweise sahen sie die erste Anwendung solcher Systeme im militärischen Bereich.
Ein "Doc in a Box", passenderweise "in Größe eines Sarges", könne direkt zum verwundeten Soldaten auf dem Schlachtfeld gebracht werden, so die Experten. Den Soldaten würde man dann in die Telemedizinbox stecken, wo er über das Netz von einem Experten hinter den Linien operiert werden könne.
Telechirurgiesysteme, mit denen Ärzte einfach und schnell bei Problemen weit entfernte erfahrene Spezialisten hinzuziehen könnten, gibt es auch heute leider noch nicht. Die US-Firma Intuitive Surgical, einer der Pioniere auf dem Gebiet der robotischen Chirurgie, schreibt auf ihrer Website, dass es mit ihren aktuellen Systemen zwar möglich wäre, Telechirurgie zu betreiben, diese Option aber noch nicht implementiert sei.
(futurezone | Günter Hack)