© APA/Harald Schneider, Universal-Chef Hannes Eder

Neue Geschäftsmodelle und gesperrte Videos

MUSIKWIRTSCHAFT
09.04.2009

Die Umsätze auf dem österreichischen Musikmarkt fallen seit Jahren. Hannes Eder, Geschäftsführer von Universal Music Austria und Präsident des Musikwirtschaftsverbandes IFPI Austria, geht es dennoch "nicht so schlecht". ORF.at hat mit Eder über neue Geschäftsmodelle, gesperrte Videos auf YouTube und das Vorgehen der Musikkonzerne gegen Urheberrechtsverstöße im Netz gesprochen.

Hannes Eder leitet seit 2003 Österreichs größten Musikkonzern, Universal Music Austria. Zuvor war er unter anderem bei Ö3 und FM4 tätig. Seit 2007 ist Eder auch Präsident der Musikwirtschaftsverbandes IFPI Austria.

ORF.at: Die Umsätze der Musikwirtschaft fallen seit Jahren. Wie geht es Ihnen da, als Geschäftsführer der österreichischen Niederlassung eines großen Musikkonzerns?

Eder: Da geht es einem nicht so schlecht. Weil der Marktrückgang im üblichen Rahmen war, während alle anderen Branchen furcht- und schreckenerregende Marktrückgänge hinnehmen mussten. Das, was andere Branchen gerade durchmachen müssen, hat die Musikindustrie in den vergangenen acht, neun Jahren bereits durchgemacht.

ORF.at: Die Wirtschaftskrise macht sich nicht bemerkbar?

Eder: Die Krise macht sich nicht zusätzlich bemerkbar. Wir spüren den normalen Paradigmenwechsel, der mit dem Prozess der Digitalisierung zusammenhängt. Damit setzen wir uns aber seit Jahren auseinander. Es gibt aber keine Panik, wir haben auch im ersten Quartal 2009 keine Absonderlichkeiten bemerkt.

ORF.at: Die Digitalisierung hat die Musikbranche radikal verändert. Wie reagiert ein großes Label wie Universal Music darauf?

Eder: Wer nicht rechtzeitig darauf geschaut hat, sich breit aufzustellen, steht heute schlechter da. Wir haben relativ früh damit begonnen, uns in Richtung Entertainment-Konzern zu entwickeln. Wir haben bereits vor fünf Jahren eine eigene Mobile-Division gegründet. Damals war mobile Musik für viele Mitbewerber noch kein Thema. Wir investieren auch Geld in neue Künstler und setzen nicht nur auf ein paar große Namen. Deswegen geht es uns vergleichsweise gut.

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ORF.at: In Österreich sind die Umsätze aus dem digitalen Musikhandel zuletzt weniger stark gewachsen als im internationalen Vergleich. Warum?

Eder: Die Verteilung innerhalb des digitalen Marktes in Österreich ist seit vielen Jahren atypisch, was die Gewichtung von Online-Sales und Mobile-Sales betrifft. Bei uns waren das immer zwei Drittel im mobilen Bereich und ein Drittel Online-Downloads. In anderen Ländern war das umgekehrt. 2008 ist der Online-Markt in Österreich stärker gewachsen. Dafür gab es auf dem mobilen Markt kein Wachstum. Das hat zu dem Effekt geführt, dass das Gesamtwachstum des digitalen Marktes "nur" bei 14 Prozent liegt. International waren es 25 Prozent.

ORF.at: Die CD dominiert den österreichischen Markt nach wie vor. Wie lange noch?

Eder: Ich glaube, dass die CD in Österreich länger überleben wird als in anderen Ländern. Das hängt mit der Demografie der Bevölkerung zusammen. Wir haben eine sehr alte Bevölkerung, die zu einem sehr hohen Maß nicht auf das digitale Angebot umsteigen wird. Auch der Anteil von Schlager und Volksmusik ist im Vergleich zu anderen Ländern überproportional groß. Wir sind auch ein Weltrekordland, was klassische Musik betrifft. Das ist eine Käuferschicht, die das Haptische will. Wir gehen davon aus, dass es noch mindesten vier oder fünf Jahre dauern wird, bis digitales und physisches Geschäft ungefähr gleich groß sein werden.

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ORF.at: Im vergangenen Jahr gab es erstmals auch nennenswerte Einnahmen aus Lizenzierungen etwa an YouTube und last.fm. In welchem Bereich bewegt sich das für einen regionalen Major wie Universal Music Austria?

Eder: YouTube ist nach seinem US-Deal mit den Labels sehr offensiv in die Welt hinausgegangen. In vielen Ländern, darunter auch Österreich, wurden Verträge abgeschlossen. Uns hat das 2008 einen sechsstelligen Betrag gebracht. YouTube hat aber nach vier Monaten die Reißleine gezogen, weil ihnen die Kosten zu hoch waren. Österreich war unter den Ländern, die als verzichtbar galten. Wir mussten deshalb unsere Inhalte sperren lassen. Momentan befinden wir uns in Nachverhandlungen, um unseren Content wieder freischalten zu können. Wenn das größte österreichische Label in vier Monaten einen sechsstelligen Betrag mit YouTube verdient, kann man sich ausrechnen, was das über den ganzen Markt ausmacht. Nur von YouTube.

ORF.at: Betrachten Sie diese Angebote eher als eine Ergänzung zum Musikkauf oder als Ersatz?

Eder: Ich bin jemand, der versucht, die positiven Dinge in Entwicklungen zu sehen. Ich glaube nicht, dass uns durch diese Dienste Verkäufe wegbrechen. Im Gegenteil: Last.fm etwa ist ein großartiges Promotion- und Marketing-Tool für Musik. Das gilt für Indies genauso wie für die Majors. Ich finde es großartig, dass es gelungen ist, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, von dem beide profitieren.

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ORF.at: Last.fm hat vor kurzem angekündigt, außerhalb der USA, Großbritannien und Deutschland künftig drei Euro pro Monat für sein Online-Radio zu verlangen. Offenbar reichen die Werbeeinnahmen nicht, um die Lizenzen zu bezahlen.

Eder: Drei Euro im Monat sind ein vernünftiger Preis.

ORF.at: Viele dieser Dienste klagen darüber, dass die Abgaben an Labels und Verwertungsgesellschaften zu hoch sind und sich für sie nicht rechnen. Einige haben wieder dichtgemacht, andere ihr Angebot regional beschränkt. Wie stellt sich das aus der Sicht der Labels dar?

Eder: Die Zahlungen an die Musik-Companys killen keinen Dienst. Ich weiß von Verwertungsgesellschaften, dass sie unbeweglicher sind als die Labels. Ich finde es schade, wenn neue Dienste durch stures Festhalten an bisher Gelebtes verunmöglicht werden. Aus unserer Sicht ist es besser, die Tür zu einem Geschäftsmodell aufzumachen. Auch wenn wir im ersten Jahr nicht das Maximum herausholen, erreichen wir dafür mittel- und langfristig etwas.

ORF.at: Seitens der Dienste ist immer wieder von hohen Vorauszahlungen zu hören. Wie sehen solche Verträge konkret aus?

Eder: Es gibt unterschiedliche Modelle. Upfront Payments kommunizieren aber immer mit anderen Parametern aus den Verträgen. Es ist nicht so, dass wird da Handgeld erhalten. Diese Zahlungen sind eine Minimumgarantie, die mit den Erlösen am Ende des Jahres abgerechnet werden. Solche Zahlungen betragen in Österreich üblicherweise nicht mehr als eine sechsstellige Summe. Wenn mein Geschäftspartner aber nicht daran glaubt, dass er eine solche Summe im Jahr hereinspielt, aber von mir die Grundlage für sein Geschäft haben will, dann funktioniert das natürlich nicht.

ORF.at: Die IFPI Austria hat vor mehr als einem Jahr angekündigt, neue Geschäftsmodelle auf Flatfee-Basis gemeinsam mit Internet-Anbietern entwickeln zu wollen, in denen die Musiknutzung in die Kosten des Internet-Anschlusses bereits eingerechnet wird. Solche Dienste gibt es mittlerweile in vielen Ländern - aber nicht in Österreich. Wieso?

Eder: Weil man einen Partner auf der Telekomseite braucht, der das auch so sieht. Das steht derzeit in Österreich wohl nicht im Fokus. Abgeschrieben ist das Thema aber noch nicht.

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ORF.at: Universal Music war der erste Musikkonzern, der sich an dem Nokia-Modell "Comes with Music" beteiligt hat, das mit dem Kauf eines Handys den Zugriff auf ein breites Repertoire an Musik verspricht. Wann kommt das nach Österreich?

Eder: Nokia hat vor kurzem einen Online-Musikshop für österreichische Nutzer gestartet. Der Start von "Comes with Music" ist Ende August, Anfang September in Österreich geplant.

ORF.at: Beobachter meinen, dass solche Modelle erst dann funktionieren, wenn die Files auch tatsächlich ohne Einschränkungen genutzt werden können.

Eder: Es wird darüber geredet, eine gewisse Anzahl an Stücken zum Abo auch als MP3 ohne Kopierschutzbeschränkungen anzubieten. Wenn das Modell passt, wäre sogar alles als MP3 möglich. Das muss aber logischerweise eine Preisfrage sein. Man kann sich ohne Mathematikmatura ausrechnen, dass man wahrscheinlich nicht zwingend mehr verkauft, wenn alles im ungeschützten MP3-Format unterwegs ist. Für mich ist es auch eine Frage des Vertrauens. Zwischen Label und Nutzer muss es eine Vertrauensbasis geben. Darum halte ich von extremen Einschränkungen ganz wenig. Wie bei vielen anderen Modellen auch, wird es hier wohl einen Trial-und-Error-Prozess geben.

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ORF.at: Sie lizenzieren zwar im Business-to-Business-Bereich - etwa an Nokia. Die IFPI stemmt sich aber vehement gegen eine "Kultur-Flatrate", mit der der Tausch von Inhalten im Netz abgegolten wäre. Was stört Sie daran?

Eder: Ich halte es für ein undemokratisches, kommunistisches Prinzip.

ORF.at: Inwiefern?

Eder: Zum einen gibt es Leute, die konsumieren überhaupt keine Musik, denen würde diese Gebühr auch abgeknöpft werden. Zum anderen nimmt das alle Regeln des Wettbewerbs raus. Das wäre die Kapitulation der freien Marktwirtschaft in der Musikwirtschaft. Eine "Kultur-Flatrate" würde letztlich nur über eine gesetzliche Regelung zustandekommen. Da hat dann der Staat die Tarifhoheit. Für mich ist das gleichgesetzt mit Staatskunst, und dann heißt es, bist du ein "guter" Künstler, dann lassen wir den Tarif, wo er ist, bist du "böse", setzen wir ihn um die Hälfte runter. Dem möchte ich mich als Künstler nicht ausgesetzt sehen, und als jemand der ein Business daraus macht, will ich mich dem schon gar nicht ausgesetzt sehen.

ORF.at: Die Leerkassettenvergütung funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip.

Eder: Das ist ein anderes System und mit der "Kultur-Flatrate" nicht zu vergleichen. Man kann mit gutem Recht davon ausgehen, dass jemand, der sich eine Leer-CD kauft, auch was draufspielt - Musik, Software oder was auch immer. Die Werke werden privat kopiert, die Künstler fallen um ihr Urheberrecht um. Das muss über den Umweg der Leerkassettenabgabe abgegolten werden. Es steht mir darüber hinaus frei, eine Leer-CD zu kaufen.

ORF.at: Die IFPI hat sich zuletzt im Zusammenhang mit der Eindämmung von Urheberrechtsverletzungen im Netz wiederholt für ein "Three Strikes Out"-Modell nach französischem Vorbild starkgemacht. Kritiker sehen darin einen Eingriff in die Grundrechte und die Privatsphäre.

Eder: Dazu muss man zwei Schritte zurückgehen. Die zentrale Frage ist, ob geistiges Eigentum schützenswert ist. Diese Frage ist eindeutig mit ja zu beantworten. Die zweite Frage ist, wie dieser Schutz hergestellt werden soll. Es gibt in Österreich, wie in den meisten anderen Ländern auch, einen funktionierenden Urheberrechtsschutz. Die Methodik oder Modelle, wie dieser Schutz gewährleistet werden soll, variieren jedoch von Land zu Land. Wir haben in den vergangenen Jahren Hunderte Österreicher wegen Urheberrechtsverletzungen verwarnt. Es ist aber weder mein Interesse noch das der IFPI, Leute vor Gericht zu zerren. Das war auch gar nicht notwendig. Alle wollten eine außergerichtliche Einigung. Es hat auch jeder gezahlt.

ORF.at: Wird das eigentlich noch gemacht?

Eder: Nein. Das war aus IFPI-Sicht ein Schritt, um Bewusstsein für geistiges Eigentum zu schaffen. Das ist abgeschlossen. Wir haben diesbezüglich auch Untersuchungen gemacht. Mittlerweile weiß jeder, dass Urheberrechtsverletzungen kein Kavaliersdelikt sind. Ich lehne aber das "Three Strikes Out"-Modell nicht grundsätzlich ab. Die Voraussetzung dafür ist jedoch der politische Wille. Ich war persönlich überrascht, wie schnell sich die Franzosen auf das Modell geeinigt haben. Da muss der politische Wille schon politischer Druck gewesen sein. Ein Mensch, der dreimal unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass er Urheberrechte verletzt hat, und der dann immer noch weitermacht, den kann ich als Provider von meinem Geschäft ausschließen. Eigentlich ist es eine Frage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ich sehe daran nichts Verwerfliches.

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ORF.at: In Frankreich gibt es bei diesem Prozedere nur ein stark eingeschränktes Einspruchsrecht. Die Vorwürfe müssen auch nicht notwendigerweise stimmen. Auch ein Richter wird dabei nicht hinzugezogen.

Eder: Ich bin mir ziemlich sicher, dass jemand, der zu Unrecht gesperrt wurde, auch einen Prozess anstreben wird. Dann wird man spätestens beim Entscheid des Europäischen Gerichtshofes wissen, wer recht hat. Ich weiß aber auch, mit wem ich spreche, und ich kenn auch die Haltung der Futurezone-Redaktion zu diesen Themen - die wird halt nicht wahrer, weil man länger drauf herumreitet.

ORF.at: Die Futurezone versucht, als öffentlich-rechtliches Medium aber auch, möglichst viele Stimmen aus der Gesellschaft zu der Thematik zu Wort kommen zu lassen.

Eder: Das ist fair enough. Ich glaube auch nicht, dass "Three Strikes Out" der Weisheit letzter Schluss ist. Die Frage ist, wie kann man den Schutz des geistigen Eigentums im Netz gewährleisten, ohne die persönliche Freiheit der Nutzer einzuschränken. Man kann aber nicht aufgeben und sagen, ich ahnde Urheberrechtsvergehen nicht mehr. Man braucht auch ein Maßnahmenpaket, dass Sanktionen beinhaltet. Faktum ist und bleibt, dass Urheberrechtsschutz existiert und das er nicht nur im Gesetz stehen soll. Da kann ich nicht einen Millimeter davon abgehen.

(futurezone/Patrick Dax)