© AP/Michel Spingler, Französische Flagge

F: Nationalversammlung stimmt gegen HADOPI

DEMOKRATIE
09.04.2009

Ohrfeige für Frankreichs Regierungspartei UMP: Die Nationalversammlung hat mit den Stimmen der Opposition das Internet-Sperrgesetz Loi HADOPI abgelehnt, das kurz vorher noch vom Senat verschärft worden war. Letzteres wollten auch einige Abgeordnete der Regierungspartei nicht mehr mittragen. Die rechtskonservative Regierung will nun nach Ostern einen neuen Anlauf versuchen.

Die französische Nationalversammlung lehnte am Donnerstag in einem Überraschungscoup der Opposition mit den Stimmen der Sozialdemokraten, der Grünen und der bürgerlichen Zentrumspartei den Kompromisstext zum Internet-Sperrgesetz Loi HADOPI ab. Wie Reuters und die Tageszeitung "Le Monde" berichteten, konnte das geschehen, weil offenbar nicht genügend Abgeordnete der rechtskonservativen Regierungspartei UMP anwesend waren, die das Gesetz auf den Weg gebracht hatte. Die Regierung will das Gesetz nach Ostern erneut vor Senat und Nationalversammlung bringen.

Umschwung der Zentrumspartei

Zudem hatte sich die Zentrumspartei Nouveau Centre von ihrer bisher neutralen Position zurückgezogen und sich den Gegnern des Gesetzes angeschlossen, mit dem eine Behörde namens HADOPI geschaffen werden soll, die Internet-Nutzern nach zweimaliger Verwarnung wegen mutmaßlicher Urheberrechtsverstöße für bis zu ein Jahr den Anschluss kappen soll. Eigentlich hätte das Gesetz, das am Donnerstagvormittag den Senat passiert hatte, nach dem Votum in der Nationalversammlung vom Obersten Gerichtshof auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft werden sollen.

Laut der Pariser Tageszeitung "Liberation", die den sozialdemokratischen Abgeordneten Christian Paul zitierte, ist das Gesetz damit höchstwahrscheinlich erledigt. Es sei mit 21 zu 15 Stimmen abgelehnt worden, auch ein Abgeordneter der UMP und ein parteiloses Ex-UMP-Mitglied hätten dagegen gestimmt. Die Regierung könne zwar eine zweite Lesung des Gesetzes verlangen, das sei aber in seinen zwölf Dienstjahren in der Nationalversammlung noch nie vorgekommen, so Paul zu "Liberation".

Genau das wird die UMP, die sich auch auf EU-Ebene stets hart für Netzsperren engagiert hatte, aber tun. UMP-Sprecher Roger Kartouchi kündigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an, dass die Ablehnung das Inkrafttreten des Gesetzes nur verzögere, es aber nicht abgelehnt sei. Die UMP werde es nach den parlamentarischen Osterferien wieder in den Senat einbringen. Die Ferien dauern bis zum 28. April. Kartouchi bezeichnete die Ablehnung des Gesetzes durch die Opposition als "dem Parlament der Republik unwürdig".

"Liberation" zitiert Personen aus dem Umfeld von Kulturministerin Christine Albanel mit der Aussage, dass es sich bei der Ablehnung um eine "lächerliche Komödie" gehandelt habe, die Sozialdemokraten seien sich bewusst, dass es sich um ein "bemitleidenswertes Manöver" handle. Man werde das Gesetz schlicht am 27. April nochmals in den Gesetzgebungsprozess einschleusen. Der Effekt in den Medien sei allerdings "desaströs", musste der ungenannte UMP-Sprecher zugeben, es werde nun mehr Zeit brauchen, aber man werde einfach weitermachen.

Bürgerrechtler glücklich

Laut der französischen Nachrichtenagentur AFP waren auch einige Abgeordnete der UMP deshalb nicht zur Abstimmung erschienen, weil der Senat in seiner letzten Runde wieder einige Zumutungen für die Internet-User eingefügt hatte, die von der Nationalversammlung aus dem Gesetzestext entfernt worden waren. Unter anderem habe der Senat die Bestimmung wieder eingefügt, nach der die abgeschnittenen User ihre Internet-Verbindung weiter hätten bezahlen müssen. In den ersten beiden "Warnungen" der HADOPI wäre der beschuldigte Nutzer nicht einmal darüber informiert worden, welchen Verstoß gegen das Urheberrecht er überhaupt begangen habe; er hätte auch keine Möglichkeit gehabt, sich vor Gericht gegen die Anschuldigung zu wehren.

Die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net zeigte sich in einer ersten Reaktion begeistert. "Das ist ein wunderbarer Sieg für die Bürger", schrieb Jeremie Zimmermann, Sprecher der Initiative. "Diese Abstimmung zeigt ihnen, dass es sehr wohl möglich ist, sich noch Gehör zu verschaffen. Es ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich das Netz gegen die wehrt, die es kontrollieren wollen. Die Grundrechte werden nicht den Interessen einiger überflüssiger Industrien geopfert. Das HADOPI-Gesetz ist früher beerdigt worden, als wir vorausgesehen haben." Die Initiative will aber auch in Zukunft wachsam bleiben. Die französische Regierung habe weiterhin den Wunsch, das Internet unter ihre Kontrolle zu bringen, so Zimmermann.

Erneute Lesung

Grundlage für die erneute Lesung im Senat nach der Osterpause wäre der Text, wie er vergangene Woche vor dem Vermittlungsausschuss durch die Nationalversammlung angenommen worden war - also ohne die weitere Zahlung der Anschlussgebühr bei einer Sperrung. Wenn nach der Nationalversammlung auch der Senat auf dieser Basis zustimmt, wäre das Gesetz doch noch angenommen. Wenn nicht, geht es ein letztes Mal vor die Nationalversammlung, die dann das letzte Wort hat.

Die Diskussion über HADOPI ist also längst noch nicht vom Tisch. Immerhin würde UMP-Chef und Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der sich stets vehement für Internet-Sperren bei Urheberrechtsverletzungen eingesetzt hatte, sein Gesicht verlieren, wenn sich seine Partei jetzt zurückziehen würde.

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(futurezone/AFP)