© APA/EPA/Toussaint Kluiters, Kamera von Google Street View

Unklare Rechtslage bei Google Street View

DATENSCHUTZ
15.04.2009

Datenschützer sehen das Abfilmen heimischer Straßenzüge für den Google-Dienst Street View als bedenklich an. Juristen sind über die Rechtskonformität der Aufnahmen geteilter Meinung. Die Datenschutzkommission hat das Projekt genehmigt und will das Material vor der Veröffentlichung "wahrscheinlich" sichten.

Die rechtlichen Aspekte von Googles Street-View-Aufnahmen sind laut den von ORF.at befragten Juristen vielfältig. Je nach Blickpunkt werden diese auch unterschiedlich interpretiert. Eine klare rechtliche Bewertung der Situation gibt es - wie so oft bei Streitfragen - nicht.

Rechtliche Aspekte

Googles Plan, Österreichs Straßen und Plätze abzufilmen, beinhaltet mehrere heikle Punkte. Zum einen betrifft das den Datenschutz, da Google personenbezogene Daten aufnimmt und sammelt, auch wenn diese danach unkenntlich gemacht werden. Für den Datenschutz besonders relevant ist, zu welchem Zweck die personenbezogenen Daten aufgenommen werden.

Auf der anderen Seite gibt es im Urheberrecht das "Recht auf das eigene Bild", das die Veröffentlichung einer Aufnahme untersagt, wenn "berechtigte Interessen des Abgebildeten" verletzt werden.

Darüber hinaus gibt es die Privatsphärenbestimmung zum Schutz der Privatsphäre eines Bürgers. Hier stellt sich auch die Frage, ob etwa das alleinige Fotografieren eines Grundstücks - oder gar die Verknüpfung mit der Wohnadresse - und dessen Veröffentlichung einen Eingriff in die Privatsphäre darstellt.

Frage nach dem Zweck

Als sehr problematisch sieht Hans Zeger von der ARGE Daten die datenschutzrechtliche Seite. Diese wird relevant, sobald Bilder gespeichert werden. "Ich darf nur personenbezogene Daten erfassen, wenn ich einen 'berechtigten Zweck' habe", sagte Zeger. Diesen sieht er bei den Street-View-Aufnahmen nicht.

Gemäß dem Sicherheitspolizeigesetz werde eine Videoüberwachung erst genehmigt, wenn sie einem Zweck diene, wie etwa die Begründung, dass es des Öfteren Ladendiebstähle gegeben habe. "Aber auch hier ist eine Veröffentlichung der Daten nicht zulässig", so Zeger.

Datenschutzkommission gab grünes Licht

Waltraut Kotschy, Juristin bei der Datenschutzkommission, erläuterte dazu, dass sich Google "vor einiger Zeit" an die Kommission gewandt und geschildert habe, welche Sicherheitsmaßnahme es gebe. Seitens der Datenschutzkommission habe es keine Einwände dazu gegeben. Der Zweck des Unterfangens sei klar, Google wolle Straßen und Plätze auf seiner Online-Karte anschaulich machen.

Was den von Zeger angesprochenen "berechtigten Zweck" betreffe, so es sei nicht das Ziel, personenbezogenen Daten zu veröffentlichen. "Google hat sich dazu verpflichtet, die Daten zu anonymisieren", so Kotschy gegenüber ORF.at. Im Endzustand solle "alles, was ich auf der Straße sehe, sichtbar sein, abzüglich der Hinweise, die eine Person identifizierbar machen".

Fragliche Phase

Das Anonymisieren solle "laut Google sehr schnell passieren". Datenschutzrechtlich fraglich sei die kurze Phase, in der die Aufnahmen in anonymisierte Daten überführt werden. Auch stelle sich die Frage, ob Unbefugte in diesem Zeitraum Zugang zu den Daten hätten. "Solange es keinen Anlassfall gibt, wüsste ich nicht, was ich machen soll", sagte Kotschy.

Da das Verwischen der personenbezogenen Daten wie Gesichter und Autonummern automatisch mit einer Software passiere, bestehe die Möglichkeit, dass ein "kleiner Bereich" unabsichtlich übersehen werde. "Deshalb ist es vernünftig, dass das Material vor der Veröffentlichung noch einmal gesichtet wird. Das werden wir wahrscheinlich auch machen", so die Juristin.

Google: Bilder auf Anfrage löschen

Darüber hinaus habe jede Person das Recht, wenn es einen personenbezogenen Hinweis gebe, die Löschung des Bildes zu veranlassen. Sollte sich aus der Abbildung ein persönlicher Schaden ergeben, sei in einem begrenzten Bereich auch eine Schadenersatzforderung möglich.

Generell wäre es von Google "gescheiter gewesen, wenn es zuvor eine öffentliche Informationspolitik dazu gegeben hätte", meinte Kotschy.

Privatsphäre oder nicht?

Zeger sieht in Googles Aktivität auch die Privatsphärenbestimmung verletzt. "Jedes Eindringen in die privaten Verhältnisse kann schon als Eingriff verstanden werden, auch das Aufnehmen ist schon ein Eingriff", sagte Zeger gegenüber ORF.at. Zudem müsse das Urheberrecht auf das eigene Bild berücksichtigt und Personen vor dem Abfilmen die Möglichkeit gegeben werden, "aus dem Bild zu gehen".

Medienrechtsanwalt Alexander Koukal meinte dagegen, "wenn Google die Bilder unkenntlich macht, dann ist das keine Verletzung des Rechts auf das eigene Bild". Diese sei nur gegeben, wenn die Privatsphäre verletzt werde, "wenn ich zum Beispiel durch ein offenes Fenster in eine Wohnung fotografiere". Die Privatsphäre werde nicht verletzt, wenn sich die Person auf der offenen Straße befinde.

Jeder darf in der Öffentlichkeit fotografieren

Auch er betonte, dass eine Verletzung stattfinden könne, "wenn die Person in einer herabsetzenden Weise dargestellt wird". Zudem dürfe das Bild nicht "im falschen Kontext" veröffentlicht werden. Wenn etwa bei einem Zeitungsartikel ein Foto hinzugestellt wird, auf dem eine überfallene Bankfiliale und eine Person zu sehen sind, könne der Betrachter den Schluss ziehen, die abgebildete Person sei der Bankräuber.

Maria Windhager, Anwältin für Medienrecht und Persönlichkeitsschutz, meinte dazu: "Grundsätzlich ist es jeder Person erlaubt, in der Öffentlichkeit zu filmen oder zu fotografieren." Anders wäre das, wenn in einem Privathaus oder Lokal aufgenommen würde, hier müsse der Besitzer um Erlaubnis gefragt werden.

Beispiele für ein "berechtigtes Interesse":

Medienrechtsanwältin Maria Windhager nennt das Beispiel eines jungen Burschen, der mit einer Bierflasche in der Hand ekstatisch tanzend fotografiert wurde. Das Bild sei im dazugehörigen Text in Zusammenhang mit Drogenmissbrauch gestellt und veröffentlicht worden. "Hier wird ein berechtigtes Interesse verletzt", so Windhager.

Anders sei das bei einem Foto von zwei jungen Männern auf der Regenbogenparade. Diese hätten gerne die Veröffentlichung ihres Bildes in den Medien untersagt. In diesem Fall sei es strittig, ob ein "berechtigtes Interesse" bestehe, so Windhager. Schließlich gehe es bei der Regenbogenparade insbesondere um das öffentliche Demonstrieren der Interessen.

Veröffentlichungszusammenhang wichtig

"Der Rechtschutz beginnt persönlichkeitsrechtlich, wenn das Bild veröffentlicht wird und durch die Veröffentlichung 'berechtigte Interessen' verletzt werden", so Windhager. Das Gesetz sei bewusst so "offen formuliert", um dem Gericht die Möglichkeit zu geben, im Einzelfall zu entscheiden, ob "berechtigte Interessen" bestehen. Auch die Privatsphäre könne ein "berechtigtes Interesse" sein.

So müsse beim Fotografieren nicht um die Zustimmung der Personen gefragt werden, wichtig sei diesbezüglich jedoch der Veröffentlichungszusammenhang. Windhager meint also, dass "Google prinzipiell filmen darf; genauer zu durchleuchten ist, ob allenfalls bei einzelnen Bildern ein persönlichkeitsrechtliches Interesse besteht".

Streitfrage Grundstück

Datenschutzjurist Rainer Knyrim erläuterte, dass die Street-View-Aufnahmen auch in Deutschland unter Datenschützern für Aufregung gesorgt hätten. Deutsche Datenschützer argumentierten, dass es nicht allein um das Wiedererkennen der Gesichter gehe. "Auch das Aufnehmen des privaten Grundstücks ist eine personenbezogene Information und daher unzulässig."

Durch die Verknüpfung der Bilddaten mit der Adressinformation in Google Maps sind die Informationen weltweit für jede Person zugänglich. "Das hat eine andere Qualität, als wenn ich persönlich zu dem Haus hinfahren muss, um es zu sehen", meinte Knyrim.

Microsofts Geodienst viel bedenklicher?

In Österreich gebe es eher die Tendenz, dass "alles, was von der Straße aus gesehen, auch fotografiert werden kann, ohne damit die Privatsphäre zu verletzen", so Knyrim. Hier gebe es einen Widerstreit der wirtschaftlichen Interessen von Google und dem Recht auf Daten- und Bildschutz des Einzelnen.

Ebenso bedenklich findet der Jurist Microsofts Kartendienst maps.live.com. Hier seien Privatgrundstücke und Häuser aus allen vier Himmelsrichtungen aus der Luft abgebildet zu sehen. Zwar seien die Bilder qualitativ nicht so hochwertig wie jene von Googles Street View, jedoch könne jede Person vom Internet aus die privaten Gärten einsehen.

Um Klarheit in dieser Angelegenheit zu schaffen, "wird schließlich wohl der Oberste Gerichtshof in einem Musterprozess darüber entscheiden müssen", so Knyrim.

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(futurezone/Claudia Glechner)