EU-Kommission geht gegen Phorm vor
Die EU-Kommission hat am Dienstag wegen der Verwendung des Online-Werbesystems Phorm durch britische Internet-Anbieter ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien eingeleitet.
Die Art und Weise, wie das verhaltensorientierte Werbesystem in Großbritannien zum Einsatz komme, entspreche nicht den EU-Datenschutzvorschriften, hieß es seitens der EU-Kommission. Mit ihrem Vorgehen reagiere die EU-Kommission auf Beschwerden britischer Internet-Nutzer, sagte EU-Telekommunikationskommissarin Viviane Reding.
Das Verfahren betreffe Probleme bei der Umsetzung der EU-Vorschriften zum Datenschutz. Danach müssten EU-Länder für die Vertraulichkeit von Nachrichten sorgen, indem sie das Abfangen und Überwachen ohne Einwilligung der Nutzer untersagen. Die EU-Kommission befürchte jedoch, dass den EU-Vorschriften im Hinblick auf den vertraulichen Umgang mit Nutzerdaten durch die britischen Rechtsvorschriften nicht gewährleistet seien. Großbritannien müsse dafür sorgen, dass Technologien wie Phorm nur nach der expliziten Zustimmung der Nutzer zum Einsatz kommen dürfen, forderte die EU-Kommission.
"Deep Packet"-Inspektion
Mit dem umstrittenen Online-Werbesystem Phorm wird das Verhalten der Internet-Nutzer durchleuchtet, um zielgenauer Werbung schalten zu können.
Bei der Sammlung und Auswertung der Daten wird die Methode der "Deep Packet"-Inspektion angewandt. Dabei werden besuchte Websites, gesendete E-Mails und Suchabfragen in Datenpakete unterteilt, gespeichert und analysiert, um Aufschlüsse über die Interessenlagen der Nutzer zu bekommen.
In Großbritannien hatte die British Telecom das Ausspähverfahren im vergangenen Jahr getestet, ohne die betroffenen Kunden vorher zu informieren und damit Nutzerproteste hervorgerufen. Britische Behörden hatten darauf hin den Einsatz von Phorm untersucht und entschieden, dass das System legal sei, solange die Nutzer informiert würden und eine Möglichkeit zum Opt-out erhielten. Phorm arbeitet in Großbritannien auch mit den Internet-Anbietern Virgin Media und Talk Talk zusammen.
Kritik an britischen Rechtsvorschriften
Es sei zwar nach britischem Recht unrechtmäßig, Nachrichten abzufangen, der strafrechtliche Tatbestand beschränke sich jedoch auf das "beabsichtigte" Abfangen. Darüber hinaus werde das Abhören als rechtmäßig angesehen, wenn "vernünftige Gründe für die Annahme" vorliegen, dass eine Zustimmung für das Abhören erteilt wurde, kritisierte die EU-Kommission. In Großbritannien gebe es auch keine unabhängige nationale Aufsichtsbehörde, die sich mit solchen Abhöraktionen befasse.
"Technologien wie die verhaltensorientierte Internet-Werbung können für Unternehmen und Verbraucher interessant sein, aber sie müssen in einer Weise genutzt werden, die mit den EU-Vorschriften in Einklang steht", sagte Reding.
"Europäische Vorschriften eindeutig"
Die europäischen Datenschutzvorschriften seien völlig eindeutig, so Reding in einer ebenfalls am Dienstag veröffentlichten Videoansprache. Personenbezogene Daten dürften nur mit vorheriger Einwilligung der betroffenen Personen verwendet werden.
"Wir dürfen diesen Grundsatz keinesfalls aufgeben und unsere Kommunikation überwachen, kontrollieren und speichern lassen, nur weil wir angeblich 'für uns interessantere' Werbung erhalten sollen", so Reding: "Ich werde nicht tatenlos zusehen, wenn ein EU-Staat seinen Pflichten in diesem Bereich nicht nachkommt."
Großbritannien hat nun zwei Monate Zeit, um auf die Aufforderung der EU-Kommission zu reagieren und seine Gesetze den EU-Vorschriften anzupassen. Die Kommission kann danach eine weitere Stellungnahme abgeben. Sollte Großbritannien seine Rechtsvorschriften auch dann nicht an das EU-Recht anpassen, will die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.
(Reuters/futurezone)