Kronomy: Das chronologische Gedächtnis
Die Idee für die "Zeitmaschine" kam Michael Hirschbrich bei der Geburt seiner Tochter. Er wollte die wichtigsten Ereignisse in ihrem Leben für immer festhalten. Ein Jahr später siedelte der Österreicher ins Silicon Valley und gründete dort ein Unternehmen. Teil 19 der futurezone.ORF.at-Serie "Start-up-Geschichten".
"Manche US-Journalisten meinten, wir sind ein Multimedia-Wikipedia, ich bezeichne uns lieber als Zeitmaschine", beschreibt Hirschbrich das Projekt Kronomy. "Was Google-Maps für die Geografie ist, soll Kronomy für die Zeit werden", so der CEO. "Kronomy steht für Chronological Memory, also chronologisches Gedächtnis."
3-D-Zeitachse
Die Website ist ein Social-Networking-Portal, das Usern erlaubt, Bilder und Videos - auch aus externen Quellen - auf einer 3-D-Zeitachse chronologisch darzustellen und zu kommentieren.
Wohl einer der bekanntesten Kronomy-User ist Guy Kawasakis Apple-Produkte-Timeline:
"Die Site ist in Action Script 3 programmiert, das ist die erste richtige Programmiersprache in Flash", so Hirschbrich. Das mache auch das Surferlebnis so reizvoll, da die Ladezeiten sehr gering seien. Mittels Mauszeiger lässt sich die Timeline je nach Positionierung schneller oder langsamer, vorwärts und rückwärts durchwandern.
Von der Idee bis ins Silicon Valley
Die Idee für Kronomy kam dem gebürtigen Österreicher während der Schwangerschaft seiner Frau. "Sie hat mit Aufzeichnungen in Babybüchern begonnen, und ich wollte die wichtigsten Ereignisse im Leben unserer Tochter chronologisch für immer festhalten." Gemeinsam mit Studienkollege Andreas Schietz habe er 2007 die Idee ausgearbeitet, befreundete Programmierer aufgesucht und einen Prototypen erzeugen lassen.
Danach konnten Business Angels wie der Jajah-Mitbegründer Roman Scharf, der heute auch Chairman des Start-ups ist, und XING-Gründer Lars Hinrichs für das Projekt begeistert werden. Im Frühjahr 2008 wurde eine Aktiengesellschaft im Silicon Valley gegründet, seit Juni 2008 ist die Website online, und "heute sitzen wir in Mountain View, gleich gegenüber von Google".
Michael Hirschbrich (im Bild) ist für Finanzierung und Marketing bei Kronomy zuständig. Mitbegründer Andreas Schietz sitzt nach wie vor in Österreich und managt die Entwicklungskoordination.
Strategie der "engen Nachfrage"
Derzeit befinde sich Kronomy noch im geschlossenen Betatest, welcher noch bis zum Herbst andauern werde. "Bis dahin müssen sich User anmelden", erklärt Hirschbrich. Zudem sei der Zugang nur von Österreich und Deutschland aus frei, weil "diese Länder für uns als Testmärkte interessant sind".
In den USA habe man die Strategie der "engen Nachfrage" verfolgt. "Wir haben die Zugänge geografisch limitiert, um so bei den Menschen das Bedürfnis 'reinzuwollen' zu erzeugen", erläutert der CEO. So sei dort der Zugang nur über die "Invite-Friends-Funktion" möglich. Gestartet habe man mit einem Marketinggag: In Kooperation mit dem Blog Mashable etwa seien an die ersten 2.000 Interessierten Zugangcodes vergeben worden.
User-Zahlen
Derzeit sei die Zahl der Kronomy-User im sechsstelligen Bereich. "Wir geben bis zum Ende der Betaversion keine Zahlen bekannt, weil das keiner im Silicon Valley macht, das ist ein Grundgesetz", so Hirschenbrich.
Fünf Prozent der registrierten User seien aus dem deutschsprachigen Raum, rund 20 Prozent aus den USA und weitere 30 Prozent aus Indien beziehungsweise Südostasien. "Die lieben das besonders. Für diese ist Familie darzustellen ein unglaublicher Sport", erläutert Hirschbrich.
Kronomy lasse sich in zwei Segmente aufteilen, wobei deren Nutzung auch geschlechterspezifische Merkmale aufweise. Die Scrapbook-User, Personen die Kronomy als (persönliches) Fotoalbum nutzen, seien vermehrt weiblich und würden 60 Prozent ausmachen. User, die mehr auf den Erlebnisfaktor – also Events, Sportgrößen und Politiker ansehen – abzielen, seien zu fast 80 Prozent männlich.
Volkssport "Pitching"
Die Finanzierung von Kronomy erfolgt durch Venture Capital (VC), also Risikokapital von Business Angels, die die ersten Jahre finanzieren sollen, bis das Unternehmen in die schwarzen Zahlen kommt. "Wenn es so weitergeht, dann schaffen wir im Herbst wahrscheinlich den Break-even", so Hirschbrich zuversichtlich.
Zu seinen Aufgaben gehört auch, sich am "Volkssport Pitching" zu beteiligen. "Man geht zu Bloggern wie Guy Kawasaki oder anderen Meinungsmultiplikatoren, stellt ihnen das Produkt vor, sagt, welche Visionen man hat, und wie man wachsen will." Die beste Präsentation erhalte daraufhin eine Einladung zu einem Finanzierungsgespräch.
Gründe für das Silicon Valley
Die Finanzierung war einer der Gründe, warum man sich für das Silicon Valley entschieden hat. "Im Unterschied zu Österreich brauche ich dort keinen hundertseitigen Businessplan, sondern gehe mit einer einzelnen Seite hin und muss versuchen, den VCs in einer Minute die Vision zu verkaufen", meint Hirschbrich. Das sei im Valley "total natürlich, man pitcht, man gibt sich gegenseitig Tipps, man geht zu Pitch-Conventions".
Ein weiterer Grund, warum Kalifornien der Vorzug gegeben wurde, sei das Umfeld. "Das ist der kreativste und innovativste Platz der Welt." So sei das Netzwerk geprägt von Innovation, "vom Anwalt bis zum Programmierer, bis hin zu den Medienleuten, alle sind nur auf unser eigenes Segment belegt", so Hirschbrich. In Österreich oder Deutschland habe es ein IT-Unternehmen sicherlich schwerer, "da braucht man sich nichts vorzumachen".
Krise erschüttert Silicon Valley
Dass im Silicon Valley nicht immer die Sonne scheint, zeigte der 10. September 2008. "Das war im Valley erstmals ein richtiger Schlag", beschreibt Hirschbrich die Situation. Bis dahin war den VCs immer das User-Wachstum wichtig. "Eine Woche später hieß es: 'User-Wachstum ist uns völlig gleichgültig, ihr müsst zeigen, dass ihr profitabel arbeitet.'"
Die Krise habe auch Kronomy gespürt. Im September vergangenen Jahres habe das Unternehmen 27 Mitarbeiter gehabt, "danach mussten wir kurzfristig wieder zehn Mitarbeiter abbauen".
Massenarbeitslosigkeit und Ausblick
"Es wurden Veranstaltungen abgesagt, Financiers lassen dich nicht mehr rein, und Bürokomplexe stehen plötzlich leer", schildert Hirschbrich. Seit September 2008 gebe es 200.000 Arbeitlose auf einen Schlag in dieser kleinen Region. "Ich glaube, das ganze Silicon Valley hatte zuvor keine 800.000 oder 900.000 Angestellte in Summe." Die Krisenstimmung sei viel eindrücklicher als Österreich, "hier sickert erst langsam durch, welches Ausmaß die Krise hat".
Doch der CEO gibt sich zuversichtlich. Persönlich rechne er mit drei Jahren, die das Unternehmen durchhalten müsse. Um die Finanzierung zu sichern, habe man sich auf die Business-to-Business-Schiene konzentriert. Ab Herbst gebe es das kostenpflichtige Premiumsegment für kommerzielle Anbieter und politische Parteien.
Exit in fünf bis sechs Jahren
Auch die regionale Suche, das Anlegen mehrerer Timelines von einem User-Profil mit verschiedenen Berechtigungen und dem Feature, künftig die Timeline in einen Film konvertieren zu lassen, sollen angeboten werden.
"Ich glaube, dass das Silicon Valley nach wie vor eine großartige Umgebung ist, um zu wachsen", meint Hirschbrich. Darüber hinaus hat der CEO auch schon ein langfristiges Ziel. "In fünf bis sechs Jahren soll es einen Exit geben, sei es ein strategischer Partner oder ein Medienunternehmen." Ein Angebot habe es schon gegeben, wofür es aber noch zu früh gewesen sei.
Und danach? Hirschbrich möchte sich sozial engagieren. "Der Sinn ist, die Fähigkeit und die Möglichkeit zu haben, etwas sozial zu bewegen", so der CEO.
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(futurezone/Claudia Glechner)