EU-Parlamentarier für Freiheit im Internet
EU-Parlamentarier aus vier Fraktionen haben eine parteienübergreifende Initiative gestartet, mit der sie die EU auf mehr Freiheit und Wahrung der Menschenrechte im Netz verpflichten wollen. Eva Lichtenberger, EU-Abgeordnete der Grünen, gehört mit zu den Initianten.
Unter dem Titel "Global Online Freedom Act" (GOFA) hat die grüne Europaabgeordnete Eva Lichtenberger am Donnerstag in Wien ein parteienübergreifendes Projekt von EU-Parlamentariern und Bürgerrechtsorganisationen vorgestellt, mit dem die Initianten die EU und ihre Mitgliedsstaaten zu konkreten Aktionen für mehr Freiheit im Netz bewegen wollen.
"Das Internet ist mehr als nur ein Online-Supermarkt", sagte Lichtenberger. "Es ist für viele Dissidenten die einzige Plattform, auf der sie frei Informationen austauschen können." Auf die Idee seien sie und acht weitere EU-Parlamentarier aus den Fraktionen der Grünen, der Liberalen, der Konservativen und der Sozialdemokraten gekommen, als sich die Diskussion über die Netzzensurmaßnahmen der chinesischen Regierung anlässlich der Olympischen Spiele 2008 verschärft habe.
Vernetzung via Facebook
Die Initiative, der auch die renommierte internationale Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen angehört, will bis Herbst möglichst viele Unterstützer sammeln, um im EU-Parlament Initiativen für Netzfreiheit starten zu können. Dazu hat GOFA ein eigenes Profil in dem Sozialen Netzwerk Facebook eingerichtet, über das sich interessierte Personen vernetzen und informieren können. Konkret fordern die GOFA-Initianten, dass eine schwarze Liste jener Länder erstellt und aktuell gehalten wird, die die Freiheit im Internet einschränken. Internet-Zensur soll zum internationalen Handelshemmnis erklärt werden, weiterhin sollten Mindeststandards für IT-Unternehmen aufgestellt werden, die in totalitär regierten Staaten geschäftlich aktiv sind.
Lichtenberger: "Auf der einen Seite pochen Vertreter von EU und USA in China darauf, dass die Menschenrechte eingehalten werden, auf der anderen Seite tun sie nichts dagegen, dass westliche Firmen die Volksrepublik mit Zensurtechnologien versorgen." Konkrete Firmen wollte Lichtenberger noch nicht nennen, sie verwies aber auf die Unterstützung der chinesischen Behörden durch westliche Online-Anbieter, die Daten von Dissidenten preisgegeben hatten.
Schwarze Liste der Zensoren
In die Situation, dass westliche Online-Anbieter aufgrund lokaler Gesetze zur Verletzung von Menschenrechten gezwungen werden, sollen diese nach dem Willen der GOFA-Initianten erst gar nicht kommen. Denn diese schlagen vor, dass europäische Anbieter von Suchmaschinen keine eigene IT-Infrastruktur in Staaten unterhalten sollen, die auf der schwarzen Liste stehen.
An dieser Stelle, so Lichtenberger, habe EU-Medienkommissarin Viviane Reding in Vorgesprächen jedoch Skepsis signalisiert. "Reding kann sich zwar vorstellen, dass die EU die Entwicklung von Anti-Zensur-Technologien unterstützt, sie will der Wirtschaft jedoch keine Vorschriften machen", so Lichtenberger. Damit würde allerdings die bisherige zweigleisige Taktik im Umgang mit Zensurregimes nur weitergeführt, kritisierte die Abgeordnete im Gespräch mit ORF.at.
Transatlantische Verbindungen
Die EU-Abgeordneten wollen die Initiative als politische Plattform auch im neu gewählten Europaparlament weiterführen und sich auch Verbündete im US-Kongress suchen. Gefordert sei eine gemeinsame Initiative der EU und der USA für Freiheit im Netz. Ansonsten drohe die totale Dominanz wirtschaftlicher Interessen kaum kontrollierbarer Konzerne. Lichtenberger: "Es besteht die Gefahr, dass sich die Politik aus diesem Feld verabschiedet."
Auf den Einwurf von ORF.at, dass auch die EU-Mitgliedsstaaten selbst zuweilen nicht zimperlich im Einsatz von Überwachungs- und Zensurtechnologien im Netz seien - etwa im Fall der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung und der Einführung einer vom deutschen Bundeskriminalamt (BKA) gewarteten geheimen Website-Sperrliste, die in Deutschland zunächst gegen Kinderporno-Websites eingesetzt werden soll -, sagte Lichtenberger, dass die Konsequenzen des Einsatzes solcher Techniken in Ländern wie China ungleich härter seien als in der EU. "Diese Gleichstellung müssen wir uns nicht gefallen lassen", so die Abgeordnete.
Europäische Glaubwürdigkeit
Die EU-Mitgliedsstaaten seien aber sehr wohl gefordert, sich in diesen Fragen um mehr Glaubwürdigkeit zu bemühen. So sei das derzeit in Frankreich verhandelte Gesetz für Internet-Sperren bei wiederholtem Urheberrechtsverstoß ein überzogenes Geschenk an die Medienindustrielobby, die in Brüssel sehr starke Aktivitäten entwickle. "Aus dieser Richtung werden wir in naher Zukunft noch mehr fragwürdige Vorstöße zu erwarten haben", sagte Lichtenberger.
(futurezone/Günter Hack)