Wiener Linux-Studie soll geheim bleiben
Die von der Stadt Wien in Auftrag gegebene Evaluierungsstudie über den Einsatz von Open Source in der Wiener Verwaltung, STOSS 2, wird nicht veröffentlicht. Sie sei ein "interner Arbeitsbehelf" für "folgenschwere Entscheidungen", und die enthaltenen Informationen dürften nicht an den Mitbewerb gelangen, so die offizielle Begründung. Inoffiziell ist die Studie bereits fertig.
Seit Jahren ist freie Software in der Wiener Stadtverwaltung im Einsatz, und mit Wienux wurde sogar eine eigene Lösung entwickelt, die in den Wiener Magistratsabteilungen bisher allerdings nicht flächendeckend zum Einsatz kommt. Denn bis dato fehlte eine klare politische Entscheidung für oder gegen den Einsatz von Linux. Die Nutzung von Wienux war den Magistratsbediensteten daher freigestellt.
Die Grundlage für eine Entscheidung, ob Linux beziehungsweise Wienux, das keine eigene Distribution ist, sondern ein Konzept, das derzeit auf einem modifizierten Ubuntu aufsetzt, nun breiter eingesetzt werden soll oder nicht, soll die Nachfolgestudie der ersten, im November 2004 veröffentlichten "Studie Open Source Software" (STOSS) über Kosten und Nutzen von Open-Source-Software in der Wiener Stadtverwaltung liefern.
Offiziell "im Fertigwerden"
Aus informierten Kreisen war zu erfahren, dass nur ein Bruchteil der vom Magistrat in Auftrag gegebenen Studien veröffentlicht wird, und es dazu notwendigerweise einen politischen Willen geben muss. Die erste Studie zum Thema Open Source ist auf der Website der MA 14 abrufbar.
STOSS 2 war zuletzt für den Herbst 2008 angekündigt und ist inoffiziell seit Ende letzten Jahres fertig. Offiziell hingegen hieß es am Donnerstag auf Nachfrage von ORF.at aus dem Büro des zuständigen Wiener Stadtrats Rudolf Schicker (SPÖ), dass die Studie "im Fertigwerden" sei und "Gut Ding eben Weile" brauche. Eine Veröffentlichung sei entgegen den allgemeinen Erwartungen allerdings nicht geplant, erklärte Schickers Mediensprecher Martin Schipany.
"Folgenschwere Entscheidungen"
"Die Studie ist ein interner Arbeitsbehelf", so Schipany, und es würden darin "wirklich heikle Punkte" angesprochen, unter anderem die Marktsituation, und diese Informationen sollten "nicht an den Mitbewerb kommen". Dabei geht es allerdings nicht um etwaigen Mitbewerb für die Stadt Wien, sondern um Software, so Schipany, ohne dabei konkreter zu werden.
"An der Studie hängen folgenschwere Entscheidungen", so Schickers Mediensprecher weiter. Diese Entscheidungen, aber eben nur die Entscheidungen, sollen nach offizieller Fertigstellung der Studie, nunmehr für Sommer 2009 angepeilt, veröffentlicht und entsprechend umgesetzt werden. Bei allen weiteren Fragen zu dem Thema verwies Schipany hartnäckig auf die in Aussicht gestellte Kommunikation über die Ergebnisse der Studie, ohne dafür einen genauen Zeitpunkt zu nennen.
Kritik von den Grünen
Für die grüne Wiener Gemeinderätin Marie Ringler ist die Entscheidung, die Studie nicht zu veröffentlichen, überraschend: "Ich finde das extrem problematisch. Wir reden über Open Source, und dann wird alles verheimlicht?" Bei der ersten Studie seien Transparenz und Offenheit noch ganz wichtig gewesen, betonte Ringler gegenüber ORF.at. Schicker habe in einer Antwort auf ihre Anfrage nach dem Verbleib der Studie vom 4. Juni 2008 geantwortet, dass diese veröffentlicht werden würde, so Ringler, die die Antwort auf ihrer Website publiziert hat.
Die Entscheidung gegen eine Veröffentlichung sei für sie "wahnsinnig ungeschickt". Sollten in der Studie wirklich sensible Informationen stehen, dann könne man diese doch auslassen, so ihr Argument. Es sei besser, eine ordentlich und sauber durchargumentierte Lösung zu finden: "Geheimnisse sind ein ganz schlechtes Mittel politischer Arbeit", so Ringler.
Wiens IT braucht Investitionen
Was auch immer in der Studie steht, Tatsache ist, dass das Rathaus demnächst in seine IT-Arbeitsplätze investieren muss. Schon im Juni letzten Jahres sagte der Leiter der für Wiens EDV zuständigen MA 14, Erwin Gillich, gegenüber ORF.at, dass bis zur Fertigstellung der Studie keinerlei Investitionen in die Rechner der Wiener Stadtverwaltung getätigt werden.
Die Migration auf Vista wurde übersprungen, die Windows-Rechner der Wiener Magistrate arbeiten unter XP, die Lizenzen dafür laufen 2011 aus. Auch wenn die Stadt Wien mit der Entscheidung gegen Vista sicher nicht alleine ist, muss laut informierten Kreisen demnächst eine Entscheidung fallen, um in die IT investieren zu können - dabei sei es fast egal, ob Windows 7 oder Ubuntu in Form von Wienux - Hauptsache ist, es falle überhaupt eine Entscheidung.
Zusammenhang mit Wiener Wahl?
Dass diese angesichts der 32.000 Rechner, für die etwa die MA 14 zuständig ist, nicht ganz einfach ist, ist zwar grundsätzlich verständlich. Sollte der Aufschub aber, wie bereits gemunkelt wird, mit der Wiener Wahl, die für 2010 angesetzt sind, zusammenhängen, könnte sie aber noch länger dauern als bis zum Sommer 2009.
(futurezone/Nadja Igler)