"Der App Store ist der brutalste Markt"
Rund 30.000 Programme für iPhone und iPod touch gibt es derzeit in Apples App Store, und täglich werden es mehr. Was ist nötig, um aus der Menge hervorzustechen und sein Programm gewinnbringend zu verkaufen? "Professionalität und die Aufmerksamkeit von Apple", sagen Fares Kayali und Martin Pichlmair, deren Spiel "Radio Flare" sich mittlerweile selbst trägt.
"Wir wollten schon immer ein Spiel herausbringen, und das iPhone hat uns als kleines Team von zwei Leuten die besten Möglichkeiten dafür geboten", erzählt Pichlmair. Seit Ende Dezember ist ihr Musik-Shooter "Radio Flare" für 2,39 Euro im App Store verfügbar, doch erst seit kurzem trägt sich das Projekt selbst, erzählen die beiden Entwickler im Gespräch mit ORF.at.
"Leben können wir davon nicht, aber zumindest die Entwicklungskosten sind herinnen", so Pichlmair. "Geld verdienen war aber auch nicht unser oberstes Ziel, uns ging es vor allem darum, Erfahrungen zu sammeln und einmal ein Spiel auf dem iPhone zu veröffentlichen. Wir haben mit der Kombination aus Musikspiel und Shooter eine wirklich kleine Nische besetzt, und uns war von Anfang an klar, dass es eher nicht der Bestseller wird. Wir wollten aber vor allem Aufmerksamkeit auf uns ziehen und den Markt kennenlernen, und das haben wir mit Sicherheit erreicht."
Fares Kayali (links im Bild) hat im Jänner seinen Doktor der Informatik abgeschlossen und unterrichtet am College für Tontechnik und Multimedia, Martin Pichlmair ist Assistent am Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung der TU Wien. Sie sind vor kurzem in das Büro der Entwickler von "And Yet It Moves" eingezogen.
Aufmerksamkeitsmotor Festivals
Die Aufmerksamkeit kam in Form einer Nominierung in der Kategorie Audio Achievement auf dem Independent Games Festival Mobile im Rahmen der Games Developer Conference (GDC) in San Francisco Ende März. Danach gab es im App Store ein eigenes Feature über die iPhone-Games des Festivals, und seitdem verkaufe sich ihr Spiel richtig gut, so Kayali. "Wir werden derzeit in der Kategorie 'Topaktuell' gefeaturt, und das bringt uns pro Tag rund 200 Verkäufe."
300 Programme sind gewinnbringend
Nur ein Prozent der Programme für iPhone und iPod touch verkaufe sich gewinnbringend und bringe den Entwicklern mehrere 100.000 US-Dollar ein, zitiert Pichlmair aktuelle Marktdaten, die auf der GDC präsentiert wurden. Und nur fünf Prozent der Apps verkauften sich gut genug, um die Kosten zu tragen. "Generell muss man sagen, das ist einer der brutalsten Märkte, die es gibt." Alle anderen Entwickler würden Unmengen an Zeit und Geld investieren, um den Markt groß zu machen und lebendig zu halten, ohne davon auch monetär zu profitieren.
Die Aufmerksamkeit von Apple zu erlangen sei grundsätzlich der wichtigste Schlüssel, um im App Store möglichst viel und damit gewinnbringend zu verkaufen, sind sich Kayali und Pichlmair einig. "Die andere Möglichkeit ist, möglichst schnell viel Aufmerksamkeit zu generieren und das Programm so in die Top Ten zu schieben. Das geht am besten mit Geld und möglichst viel Marketing", so Kayali.
"Das richtige Rezept hat noch keiner"
Manche Spiele würden es auch von ganz alleine in die Top Ten schaffen, fügt Pichlmair hinzu. "Die haben halt ihr Spiel zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt gebracht, wie etwa 'Flight Control' kurz nach der spektakulären Landung in New York. Das richtige Rezept hat aber noch keiner, ist zumindest unser Gefühl." Allerdings würden hinter den am besten verkauften Spielen im App Store professionelle Teams und Firmen stehen - nicht unbedingt die großen Publisher, sondern Leute, die schon länger Spiele entwickeln, fügt Kayali hinzu.
"Du brauchst schon eine gewisse Professionalität, um ein wirklich gutes Spiel zu machen. Am Anfang war es noch leichter, mit schnell Hingeschludertem Geld zu verdienen, diese Zeiten sind aber eindeutig vorbei. Heute, nach nicht einmal einem Jahr, ist der Markt in dieser Hinsicht total professionalisiert", sagt Pichlmair.
Der Lebenszyklus ändert sich
Die größte Investition bei der Entwicklung ihres Spiels sei Zeit gewesen, erzählen die beiden, neben Ausgaben für einen professionellen Grafiker, DJ und eine Schauspielerin für die Kommentare. Anfänger, die noch nicht auf einem Mac programmiert haben, müssten mit drei bis sechs Monaten Einarbeitungszeit rechnen, um "wirklich qualitativ Hochwertiges zu schaffen, das es hinaufschafft und sich rentiert", so Pichlmair.
Ein halbes Jahr haben die beiden an ihrem Spiel gearbeitet, und trotz neuer Pläne für weitere Spiele investieren sie den Großteil ihrer Zeit weiterhin in "Radio Flare". Der Lebenszyklus der iPhone-Games hebe sich deutlich von anderen Spielen ab: "Vorbei sind die Zeiten, wo du ein Spiel auf den Markt gebracht hast und dann erst einmal drei Monate auf Urlaub gegangen bist", meint Kayali. "Man verkauft auch nicht mehr unbedingt am Anfang die meisten Spiele, wie man an unserem Beispiel sieht."
Neue Möglichkeiten durch Firmware 3.0
"Wir haben die Arbeit am Anfang unterschätzt", fügt Pichlmair hinzu. "Wir haben geglaubt, wir schieben ein, zwei Updates nach, und das war es dann. Jetzt sind wir beim dritten großen Update, und ein Ende ist nicht absehbar. Aber wir sehen auch, dass es sich extrem rentiert, mehr Zeit hineinzustecken, alleine daran, was wir an Rückmeldungen von den Spielern bekommen." Mit der nächsten Firmware und der Möglichkeit, aus einem Spiel heraus neue Inhalte wie Levels nachzukaufen, gebe es bald neue Möglichkeiten, die bisher eher kurzweiligen Spiele über längere Zeit am Leben zu erhalten.
99-Cent-Marke hemmt Entwicklungen
Das dürfte auch das Spielverhalten und die Möglichkeiten auf dem iPhone verändern, das bisher vor allem von Casual Games und kurzweiligen Programmen für den schnellen Konsum zwischendurch dominiert wird. "Die Spiele in Happen gehen am iPhone offensichtlich am besten, und scheinbar will sich noch niemand auf ein größeres und längeres Spiel einlassen", meint Pichlmair.
Das liege auch an der aktuellen Preisstruktur. Zwar gehe der Trend wieder weg von den 99-Cent-Games, umfangreiche Spiele für etwa 20 Euro hätten es derzeit aber schwer, sich zu verkaufen. "Es ist einfach noch zu früh, die großen Spiele kommen sicher noch", ist sich Pichlmair sicher. Spätestens wenn Apple, wie immer wieder gemutmaßt wird, einen Premium-Store für höherpreisige Spiele einführt, werde sich das ändern.
Apples Beitrag zur Store-Entwicklung
Bei Apple werden gerade die Downloads bis zu einer Milliarde Downloads aus dem App Store gezählt.
Apples Beitrag zur Entwicklung des App Store sehen die beiden vor allem in den Meldungen, wie viele Programme und Downloads es zu bestimmten Zeitpunkten gegeben hat. Das habe große Firmen schließlich dazu gebracht, ihre Spiele auf die iPhone-Plattform zu portieren, und so auch die Professionalität des Markts und der Spiele gesteigert. "Die Spiele großer Anbieter sind nicht unbedingt die besten Spiele, aber setzen Maßstäbe, etwa was den Spielumfang angeht", meint Pichlmair. Diese meist höherpreisigen Spiele hätten es auch einfacher, sich selbst zu tragen, auch wenn sie nur kurz in den Top Ten sind. "Die Leute zahlen leichter, wenn ein großer Name draufsteht."
(futurezone/Nadja Igler)