E-Voting-Systeme vor dem Start
Experten des Wissenschaftsministeriums haben über die nächsten Schritte in Sachen E-Voting bei der ÖH-Wahl informiert. Demnach kann ab Donnerstag jeder E-Voting-Interessent seine Wahlberechtigung online prüfen. Außerdem gab es Details zur Einsichtnahme in den Quellcode durch Wahlbeobachter.
In einer Veranstaltung am Mittwochabend haben Vertreter des Wissenschaftsministeriums in Wien über den aktuellen Stand des E-Voting-Projekts für die Wahl zur Österreichischen Hochschülerschaft informiert.
Rechtliche Voraussetzungen erfüllt
Demnach ist nun das Internet-Portal für die ÖH-Wahl fertiggestellt. Die Datenschutzkommission hat die Freigabe für alle Datenanwendungen erteilt, alle bereichsspezifischen Personenkennzeichen, die für die Authentifizierung der Nutzer via Bürgerkartensystem benötigt werden, sind generiert. Auch die Zertifizierung der Anwendung durch die A-SIT liege vor, so Robert Krimmer, Leiter des Kompetenzzentrums für E-Voting und Berater des Ministeriums.
Die Aktion zur Freischaltung der Bürgerkartenfunktion, bei der auch Kartenlesegeräte an Studierende kostenlos abgegeben wurden, habe rund 6.600 Interessenten gefunden, so Krimmer. Von Donnerstag bis um 30. April können die E-Voting-Interessierten sich mit Bürgerkarten-Authentifizierung am Wahlportal einloggen und überprüfen, ob ihre Wahlberechtigung korrekt eingetragen ist. Bei Unklarheiten können sich die Studierenden an die Wahlkommission ihrer Universität wenden. Auf dem Wahlportal erhalten die Studierenden auch Tipps zur IT-Sicherheit am heimischen Rechner.
Einsichtnahme in den Quellcode
Gerald Fischer von der Forschungsgruppe für Industrielle Software der TU Wien, die unter anderem für die Sicherheitsaspekte des Projekts zuständig ist, erläuterte, wie die Einsichtnahme in den Quellcode der E-Voting-Software vor sich gehen soll. Diese betrifft Wahlserver und -client, aber nicht die Wahladministrationssoftware für die Wahlkommissionen. Sie wird am 8. Mai stattfinden, voraussichtlich in Räumlichkeiten des Bundesrechenzentrums (BRZ), das mit der technischen Durchführung des E-Votings betraut ist.
An dieser Einsichtnahme werden rund 250 berechtigte Personen teilnehmen, die mit der Wahl zu tun haben: Repräsentanten der wahlwerbenden Gruppen, Wahlkommissionsmitglieder und Wahlbeobachter. Sie sollen prüfen, inwieweit die Kernkomponenten der E-Voting-Software die gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen erfüllen. Außerdem soll "Akzeptanz für die Abwicklung der Wahl" erzeugt werden.
Information und Stillschweigen
Da die vom spanischen Hersteller Scytl zugekaufte Software nicht unter einer freien Lizenz steht, müssen die Teilnehmer an der Quellcode-Prüfung eine Stillschweigevereinbarung unterzeichnen. Diese untersagt ihnen, Details über die Software weiterzugeben und Informationen über das System "an öffentlichen Orten" zu diskutieren. Außerdem dürfen die Teilnehmer keine Fotoapparate, Handys und andere technische Geräte mitnehmen, um Informationen über das System aufzuzeichnen. Das diene der rechtlichen Absicherung des Anbieters und des BRZ, so Fischer.
Auf diesem Workshop werden Experten des BRZ und des Software-Herstellers den Vertretern der wahlwerbenden Gruppen und den Wahlbeobachtern das System, dessen Zertifizierung und Betrieb detailliert erklären. Auch auf die juristischen Anforderungen soll nochmals eingegangen werden. Die technisch Kundigen unter den Teilnehmern erhalten auf Wunsch eine Führung durch den Code der Anwendung.
Ethischer Grundsatzkatalog
Bundeswahlleiter Bernhard Varga zeigte sich zufrieden mit der Organisation des E-Votings. Er präsentierte einen Ethischen Grundsatzkatalog, den der Europarat anlässlich der ersten Parlamentswahl mit Internet-Wahloption in Estland aufgestellt hatte. Dieser solle an die wahlwerbenden Gruppen verteilt werden und definiert, dass es etwa keine öffentlichen E-Voting-Partys und "Helpdesks" der Parteien geben soll. Auch solle Wahlwerbung im Netz keine direkten Links zur E-Voting-Website enthalten. Wichtig sei, so Varga, die Wähler über die Gefahren der Übertragung der Bürgerkarte und der zur Abstimmung notwendigen Codes an Dritte zu informieren. Mit diesen könne man schließlich beliebige rechtsgültige Geschäfte abschließen.
Der letzte Punkt im Ethischen Grundsatzkatalog sei aber bereits nicht mehr durchsetzbar, so Varga. Der postuliert nämlich, dass der Wahlprozess während des Wahlkampfs nicht aus politischen Gründen infrage gestellt werden solle. Robert Krimmer gab sich in dieser Angelegenheit gelassen: "Je mehr Gegenwind wir bekommen, desto besser können wir den E-Voting-Prozess gegen Angriffe härten."
Wahlwiederholung in Finnland
Krimmer ging auch auf die finnische Regionalwahl ein, die der Verwaltungsgerichtshof des Landes am 9. April für ungültig erklärt hatte. Auch dort war die E-Voting-Software von Scytl im Einsatz, allerdings verarbeitete diese die Daten, die von stationären Wahlcomputern in den Wahllokalen angeliefert wurden. Krimmer sagte, die Wahl habe wegen organisatorischer Gründe und Bedienungsprobleme wiederholt werden müssen. Einer der Kläger, Mitglied der finnischen Bürgerrechtsorganisation EFFI, hatte ORF.at am 10. April mitgeteilt, dass er aufgrund des geschlossenen Charakters der Wahlsoftware nicht sagen könne, welche der Komponenten versagt habe und für den Verlust von 232 Stimmen verantwortlich gewesen sei.
Zu den jüngsten Vorwürfen des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ), dass beim E-Voting das Wahlgeheimnis verletzt werde, sagte Nikola Donig, Sprecher von Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP), er sei "erstaunt über Grafs Sinneswandel". Dieser habe 2001, als die FPÖ noch in der Regierung war, die Einführung der gesetzlichen Grundlagen für E-Voting unterstützt. Krimmer sagte, dass entgegen Grafs Behauptungen im System nicht rückgeführt werden könne, welcher Stimmberechtigte welche Partei gewählt habe. Die FPÖ hatte am Mittwoch angekündigt, dass der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) gegen das E-Voting vor den Verfassungsgerichtshof ziehen werde. Auch Grüne und BZÖ hatten am Dienstag im Nationalrat einen Antrag Grafs unterstützt, der sich für einen Verzicht auf E-Voting bei der ÖH-Wahl aussprach.
E-Voting via Internet mit Authentifizierung durch Bürgerkarte wird anlässlich der ÖH-Wahl erstmals als zusätzliche Option zur Papierwahl angeboten. Der E-Voting-Wahlgang wird vom 18. bis zum 22. Mai stattfinden. Er gilt auch als Test für die Einführung von E-Voting bei Nationalratswahlen.
(futurezone/Günter Hack)