Kaufen und zerstören
Endlich haben eine Menge Käufer die Chance, etwas Gutes für unsere heimischen Computer zu tun. Jetzt ist Frühling, man kauft munter auf und kann das alte Graffel wegschmeißen. Neugierig schauen wir Oracle beim Sun-Untergang zu.
Die Innovationsmaschine dreht sich unablässig weiter und bringt Dinge, Services, Features auf den Markt, die man sich nie erträumen wollte. Wir warten auf neues Marketing für die Welt. Mit einem lauten Fanfarenstoß werden dann Updates unser Leben verbessern und uns bisher unbekannter Sorgen entbinden. Irgendwo finden sich dann schon wieder neue.
Dabei haben wir doch bereits eine Menge an IT in den heimischen Geräten, bei deren Nutzung Dinge passieren, für die man im Mittelalter jemanden auf den Scheiterhaufen geworfen hätte. Ich sage nur: Face Recognition in iMovie09, die auch gerne mal einen Schokokeks automatisch zur Tante Liesl macht. Und die wesentlichen Änderungen wie durchsichtige Docks bei Apples Leopard und ein neuer Startklang bei Vista hauen uns einfach nicht mehr vom Hocker. Zu viel kann eben auch zu wenig sein. Der Technik-Overkill kennt keine Gnade. Inzwischen rennen ja sogar schon wehrlose US-Soldaten mit iPhones in der Wüste herum. Und orientierungslose Zeitgenossen protestieren in Paris gegen den Facebook-Relaunch. Als ob Frankreich seit neuestem nutzerfreundlich wäre.
Aber die vergangene Woche hat uns gezeigt, dass es auch anders geht. Oracle hat jetzt durch den Kauf von Sun das Potenzial zum Totengräber. Die Masche ist einfach, nur Mut, Larry: kaufen, entkernen, wegwerfen. Und schon hat der Markt ein wenig Technik weniger. Gut, die allgemeine Erleichterung geht auch anders: Amazon macht das mit Klagen statt Kaufen. Auch so kann man nachbarschaftliche Services loswerden und das Netz reinigen. Immerhin geht es dem Buchclub des 21. Jahrhunderts gut, sonst würden ganze Heerscharen von E-Book-Lesern ohne Content mit ihrem Kasterl in der Wanne sitzen.
Die alte Schmusetour, die sich selbst Microsoft mühsam antrainiert hat, ist nun wirklich auch nicht mehr zeitgemäß: Man hat einfach keine Menge Partner mehr für sein eigenes Produkt. Das hat etwas von IT-Rudelbumsen mit Marketinggestöhne. Und das will doch niemand.
Weitere Kandidaten mit Hang zum digitalen Seppuku deuten sich an. MySpace gehört zwar schon Murdoch, aber es rumpelt zumindest ordentlich. Vielleicht löst sich sein Social Network sozialerweise bald in Luft auf.
Nur Google entwickelt weiterhin fröhlich vor sich hin, wirft neue Features auf den Markt wie Fischhändler mutierte Sardinen vor die Füße streunender Katzen. Warum kümmert sich Google um verbesserte 3-D-Grafik via O3D? Wieso kauft die niemand und schaut sich an, ob selbst neue Dinge im Kerngeschäft wirklich notwendig sind? Google lässt nun endlich zu, dass ich auch mein Profil selbst bestimme, damit ich noch genauer bestimmt werden kann. Oder ich kann ähnliche Bilder in Google finden. Und die Timeline von Google erspart eine Menge Zeitungen. Aber wo um Himmels Willen gibt es eine Suchmaschine für neue Google-Features?
Nein, da müssen ein Aufkauf und ein wenig Ordnung her. Wenn Oracle wirklich den Gemischtwarenladen von Sun zumacht, dann trauen sich das sicher auch andere. Und dann wird es eines Tages im Netz heißen: ein Feature, ein Click, ein User. Basta.
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(Harald Taglinger)