© Fotolia/Markus Langer, Sandra Brunsch (Montage), Schere schneidet Internet-Kabel durch

Provider-Sorgen wegen Anti-Piraterie-Pakts

NETZPOLITIK
27.04.2009

Die Vereinigung der Österreichischen Internet-Anbieter (ISPA) und die Wirtschaftskammer (WKÖ) befürchten, dass mit dem umstrittenen Anti-Piraterie-Abkommen (ACTA) auch in Österreich Netzsperren nach Urheberrechtsverstößen Einzug halten könnten. Anlass dazu liefert auch ein vor kurzem ergangener Beschluss des Europäischen Gerichtshofs zur Rolle und Verantwortung der Internet-Provider bei Urheberrechtsverletzungen.

Über das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA), das derzeit unter anderem zwischen der EU, den USA und Japan ausgehandelt wird, sind bisher kaum genauere Informationen an die Öffentlichkeit gelangt. Vermutungen und Befürchtungen über die Inhalte des Anti-Piraterie-Pakts gibt es hingegen viele.

Am vergangenen Dienstag lud Luc Devigne, der das Abkommen für die EU-Kommission verhandelt, in Brüssel zu einer Anhörung. Dort meldete sich auch Michael Brandstetter von der Wirtschaftskammer zu Wort. Er legte die Position der in der WKÖ vertretenen Internet-Anbieter dar und sprach sich gegen eine Ausweitung von Haftungsregelungen für Internet-Anbieter im Rahmen des Abkommens aus. In der Wirtschaftskammer wird nämlich befürchtet, dass über das internationale Abkommen Netzsperren für private Nutzer nach Urheberrechtsverletzungen oder Internet-Filtermaßnahmen auch in Österreich Einzug halten könnten.

Ein detaillierter Bericht zur ACTA-Anhörung der EU-Kommission findet sich auf Intellectual Property Watch.

EU-Verhandler Devigne habe zwar in der Anhörung darauf verwiesen, dass bei den Verhandlungen über rechtliche Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen über das bestehende Gemeinschaftsrecht (Acquis Communautaire) nicht hinausgegangen werden soll, Netzsperren und Filtermaßnahmen würden jedoch in einigen EU-Ländern durchaus zur Anwendung kommen, heißt es dazu aus der Wirtschaftskammer.

"Internationalisiert und einzementiert"

Zwar würden strafrechtliche Maßnahmen in die Kompetenz der Mitgliedsländer fallen, es gebe jedoch unterschiedliche Auffassungen der Zuständigkeiten. Die EU-Kommission könnte Gemeinschaftsrechtsbestand in den Verhandlungen durchaus so interpretieren, dass Netzsperren in der EU eine gängige Regelung seien. Über die ACTA-Verhandlungen könnten diese internationalisiert und einzementiert werden, so eine mit der Situation vertraute Person in der Wirtschaftskammer. Denn die EU könne sich nicht zu etwas verpflichten, das dann von seinen Mitgliedsstaaten nicht eingehalten werde.

"Wenn die EU im Rahmen eines internationalen Abkommens zu Netzsperren Ja sagt, ist es schwer zu sagen, wir setzen das nicht um", meint Andreas Wildberger, Generalsekretär der Verbandes der Österreichischen Internet-Service-Provider (ISPA), zu ORF.at. "Es ist wichtig, klar zu sagen, dass wir das nicht wollen."

EuGH-Beschluss verstärkt Sorgen

Verstärkt werden die Sorgen der Wirtschaftskammer und der Internet-Anbieter durch einen am 19. Februar ergangenen Beschluss des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu einem Rechtsstreit zwischen Tele2 und der österreichischen Gesellschaft zur Wahrung von Leistungsschutzrechten (LSG). In dem Fall, der dem EuGH vom österreichischen Obersten Gerichtshof (OGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde, geht es um die Herausgabe von Nutzerdaten an Rechteinhaber durch Internet-Anbieter.

Der EuGH bejahte in seinem Beschluss den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch der Rechteinhaber, ließ jedoch offen, unter welchen Voraussetzungen Auskünfte erteilt werden müssen. Der österreichische OGH muss nun die Verhältnismäßigkeit klären und entscheiden, ob der Auskunftsanspruch schon bei geringfügigen oder erst bei gravierenden Urheberrechtsverstößen gegeben ist.

Das europäische Gericht stellte in seinem Beschluss auch fest, dass die Vermittlerrolle der Access-Providern durchaus so auszulegen sei, dass gegen sie auch Unterlassungsansprüche gestellt werden können (§81 UrhG).

Trend zur Internet-Sperre

Die Medienindustrie versucht derzeit weltweit, Regierungen zur Verabschiedung von Gesetzen zu bewegen, die von ihr identifizierte mutmaßliche Urheberrechtsverletzer zwangsweise vom Internet abkoppeln. Die konservative französische Regierung ist derzeit dabei, unter großen Widerständen von Bürgerrechtlern und Experten eine zentrale Behörde zu installieren, die auf Zuruf der Medienindustrie ohne richterlichen Beschluss nach zweimaliger Warnung ohne Vorlage von Beweisen vom Internet trennen soll.

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy macht auch auf EU-Ebene Druck und kämpft gegen einen Änderungsantrag des EU-Parlaments zum derzeit verhandelten Telekompaket, der die Trennung von Internet-Anschlüssen nur auf richterlichen Beschluss zulassen würde.

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"Missliche Situation" für Provider

Die Wirtschaftskammer und die Internet-Anbieter befürchten nun, dass solche Unterlassungsansprüche auch Netzsperren und Filtermaßnahmen beinhalten könnten. Die Provider könnten so in die missliche Situation kommen, dass sie entscheiden müssten, ob der Anspruch gerechtfertigt ist, heißt es aus der Wirtschaftskammer.

Der Salzburger Richter und Betreiber der Website Internet4Jurists, Franz Schmidbauer, weist gegenüber ORF.at darauf hin, dass Unterlassungsansprüche im österreichischen Recht strenger geregelt seien als in anderen Ländern. Unterlassungsansprüche gegen österreichische Provider würden nur dann bestehen, wenn sie die Handlungen der eigentlichen Täter bewusst gefördert hätten. "Es genügt nicht, dass sie geschehen ist", so Schmidbauer. Er verstehe jedoch die Befürchtungen der Provider, sagt Schmidbauer: "Sie sind nicht von der Hand zu weisen, weil man ja nicht weiß, wie es auf europäischer Ebene weitergeht."

"Am Ball bleiben"

Die WKÖ will nun in Brüssel "am Ball bleiben" und ihre Position auch auf Beamtenebene verstärkt kommunizieren. Über den Stand der ACTA-Verhandlungen zur Thematik herrscht indes weiter Unklarheit. EU-Verhandler Devigne sagte bei der öffentlichen Anhörung zu ACTA vergangene Woche lediglich, dass das Thema noch nicht detailliert verhandelt worden sei.

In einem Anfang April von der EU-Kommission veröffentlichten Informationsblatt zu ACTA heißt es im ansonsten nur spärlich ausgeschmückten Absatz vier des Kapitels zwei, in dem das "Geistige Eigentumsrecht in der digitalen Umwelt" behandelt wird, dass auch die "Rolle und Verantwortung der Internet-Anbieter bei der Abschreckung ('Deterring') von Urheberrechtspiraterie und verwandten Delikten im Internet" zur Sprache kommen soll.

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(futurezone/Patrick Dax)