EU-Parlamentarier für längere Schutzdauer
Das Europäische Parlament hat sich für eine Verlängerung der Schutzfrist für Tonaufnahmen von 50 auf 70 Jahre ausgesprochen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verlängerung der Schutzdauer auf 95 Jahre lehnten die EU-Parlamentarier ab. Der Neuregelung muss nun noch der EU-Rat zustimmen.
Das EU-Parlament stimmte am Donnerstag für eine Verlängerung der Schutzfrist für Tonaufnahmen um 20 Jahre. Für die Ausweitung der Leistungsschutzrechte von 50 auf 70 Jahre stimmten 377 Parlamentarier, 178 votierten dagegen, 37 enthielten sich der Stimme.
Ziel der Richtlinie sei es, die soziale Situation ausübender Künstler zu verbessern, da diese die derzeit geltende 50-jährige Schutzdauer immer häufiger überlebten, hieß es in einer Aussendung des EU-Parlaments.
Die EU-Parlamentarier sprachen sich mit dem Votum auch für begleitende Maßnahmen aus, mit denen sichergestellt werden soll, dass Künstler, die ihre Rechte an einen Tonträgerhersteller übertragen haben von der Regelung profitieren können. Ausübende Künstler sollen Anspruch auf eine zusätzliche jährliche Vergütung durch ihre Tonträgerunternehmen in der Höhe von 20 Prozent der jährlichen Einnahmen aus diesen Aufnahmen haben, hieß es in der Aussendung weiter.
Bei der Abstimmung im EU-Parlament ging es um die Leistungsschutzrechte für Musikaufnahmen. Diese erlöschen nach derzeit geltendem Recht 50 Jahre nach Aufführung, Einspielung oder Ausstrahlung. Sie betreffen die Distributoren urheberrechtsgeschützter Werke, also Musiklabels und Filmstudios, Medienhäuser sowie Institutionen der reproduzierenden Kunst, das heißt Schauspieler, Sänger und Orchester. Im Vergleich dazu gilt der Urheberrechtsschutz auf Kompositionen und Liedtexte bis 70 Jahre nach dem Tod der Urheber.
SPÖ: "Bessere Absicherung"
Christa Prets, SPÖ-Europaabgeordnete und Mitglied im Kulturausschuss des EU-Parlaments, begrüßte die Entscheidung für die Verlängerung der Schutzdauer: "Ich bin froh, dass wir nach langwierigen Verhandlungen endlich zu einem vernünftigen Kompromiss gekommen sind", teilte sie ORF.at mit.
Das Plenum des Europäischen Parlament habe sich klar für eine bessere Absicherung von Künstlern im Alter ausgesprochen.
ÖVP: "Keine ausgewogene Lösung"
Die Regelung komme primär der Musikindustrie zugute und richte sich zu wenig an den Künstlern aus, teilte ein Sprecher der ÖVP-Delegation im EU-Parlament ORF.at mit: "Es ist keine ausgewogene Lösung."
Die ÖVP-Abgeordneten hätten deshalb geschlossen gegen die Neuregelung gestimmt. Es gebe noch massiven Klärungsbedarf, das Thema sei noch nicht vollständig ausdiskutiert, so der Sprecher weiter.
Grüne: "Tote Pferde gesattelt"
"Man hat hier tote Pferde gesattelt und nicht auf die Herausforderungen der digitalen Zeit reagiert", kritisierte die grüne österreichische EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger die Neuregelung gegenüber ORF.at. Mit der Verlängerung der Schutzdauer würden der Musikindustrie Milliarden in den Rachen geworfen. Mit der Entscheidung des EU-Parlaments würden auch die Knebelverträge der Industrie mit Musikern automatisch verlängert.
Die Grünen hatten zuvor einen Änderungseintrag eingebracht, in dem vorgeschlagen wurde, dass Plattenfirmen nach dem Ablauf von 50 Jahren die Verwertungsrechte an Songs verlieren und die Künstler ihre Rechte zurückbekommen. Nationale Verwertungsgesellschaften sollten das Geld an die Künstler verteilen. Der Antrag wurde vom EU-Parlament abgelehnt. Das EU-Parlament habe offensichtlich die Interessen der Musikindustrie höher eingeschätzt als die Rechte der Künstler und das Interesse an kultureller Vielfalt, so Lichtenberger.
Proteste im Vorfeld
Europäische Konsumentschützer, Bürgerrechtler und Bibliothekarsverbände hatten die geplante Verlängerung im Vorfeld der Abstimmung scharf kritisiert. Durch die Verlängerung der Schutzfrist würde auch der Zugang zum kulturellen Erbe erschwert. Mit der Ausweitung der Leistungsschutzrechte für Musikaufnahmen würden Millionen Euro der europäischen Konsumenten in die Taschen der vier großen Musikkonzerne umgeleitet, hieß es.
EU-Rat muss noch zustimmen
Der Verlängerung der Schutzfrist müssen nun noch die einzelnen Mitgliedsstaaten im EU-Rat zustimmen. Dort hatte es zuletzt Widerstand gegen eine Ausdehnung der Schutzdauer gegeben. Gemeinsam mit neun anderen Ländern hatte auch Österreich eine Verlängerung abgelehnt. "Grundsätzlich hat sich an unserer Linie nichts geändert", sagte ein Sprecher des Justizministeriums, das in der Frage im EU-Rat für Österreich federführend ist, am Donnerstagnachmittag zu ORF.at.
(futurezone/Patrick Dax)