© ORF.at, SOMA Sozialmarkt im 7. Wiener Gemeindebezirk, Neustiftgasse

Recyclingcomputer für Bedürftige

WIEN
30.04.2009

Ende April hat der Sozialmarkt SOMA im siebten Wiener Gemeindebezirk den Verkauf von recycelten Computern gestartet. Der Preis eines PC samt Peripherie liegt bei rund 50 Euro. Geliefert werden die Geräte vom Wiener Demontage- und Recycling-Zentrum (D.R.Z.), das seit 2003 Elektroaltgeräte demontiert und wiederverwertet.

Die beiden sozialökonomischen Betriebe SOMA, ein Projekt des Wiener Hilfswerks, und das D.R.Z. der Wiener Volkshochschulen stellten am Montag in Wien ihr erstes gemeinsames Projekt vor: den recycelten PC inklusive Monitor und Tastatur für bedürftige Familien.

Die Hardware wird mit dem kostenlosen Linux-Betriebssystem Ubuntu und der Bürosoftware OpenOffice.org ausgeliefert. Darüber hinaus gilt eine einjährige Gewährleistungsfrist. Sollte es Probleme geben, so können sich Kunden direkt an das D.R.Z. wenden, das Reparaturen vornimmt und gegebenenfalls Teile austauscht.

Über das Projekt:

Der erste Wiener SOMA wurde im Oktober 2008 eröffnet. Zum Einkauf berechtigt sind Menschen mit Wohnsitz in Wien und einem maximalen monatlichen Nettoeinkommen von 983 Euro. Für Paare gilt ein Höchstsatz von 1.340 Euro, pro Kind kommen weitere 270 Euro dazu.

Die PCs sind von dem ansonsten geltenden Einkaufslimit von 30 Euro pro Woche ausgenommen.

100.000 Kinder ohne PC

Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP) vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend erläuterte bei der Projektpräsentation die Situation in Österreich: "Laut Sozialbericht leben etwa 100.000 Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 14 Jahren in einem Haushalt ohne PC."

Das würde sich negativ auf die Bildungschancen der Kinder auswirken, so Marek. Besonders betroffen seien Kinder mit Eltern ohne Beschäftigung. Ein Viertel der Kinder hat demnach keinen Computer zu Hause, ein Drittel verfügt über kein Internet.

Linux-Kurs für Kunden

Die Volkshochschule im 22. Wiener Gemeindebezirk habe sich bereiterklärt, das Projekt schulisch zu unterstützen, so D.R.Z.-Projektleiter Anton Stengeli. "Nachdem nicht viele im Umgang mit Linux oder OpenOffice geübt sind, wird bei Bedarf ein Kurs für die Käufer angeboten", erläutert der Projektleiter.

Computer vom Mistplatz

Das im 14. Wiener Gemeindebezirk beheimatete D.R.Z. wurde 2003 gegründet. In Hinblick auf die EU-Elektroaltgeräteverordnung, die 2005 auch in nationales Recht überging, habe die Stadt Wien einen Musterbetrieb installieren wollen, sagte Stengeli gegenüber ORF.at. Die Verordnung besage, dass "ein Teil der Elektroaltgeräte der Wiederverwertung zugeführt werden muss", so Stengeli. Eine genauere Vorgabe gebe es diesbezüglich nicht.

Das D.R.Z. bekommt von drei der 19 Mistplätze der MA 48 die Elektroaltgeräte zugestellt. Jährlich sind es etwa 1.000 Tonnen, die so beim D.R.Z. landen. "Rund die Hälfte davon sind Elektrokleingeräte, darunter fallen auch die PCs", so Stengeli. Davon würden wiederum etwa 30 bis 40 Prozent PCs und Peripheriegeräte ausmachen.

Langzeitarbeitslose und Behinderte helfen mit

Zehn Dauerbeschäftigte gebe es derzeit im D.R.Z., die Aufarbeitung des PC-Mülls werde jedoch großteils von Transitarbeitskräften, also Langzeitarbeitslosen und behinderten Personen, erledigt. Diese sichten das Material und testen es, funktionierende Teile werden danach eingelagert.

Der technische Leiter habe Prüfprogramme erstellt, so dass es auch fachunkundigen Personen möglich sei, die Geräte auf ihre Funktionstauglichkeit zu prüfen. Der leitende Techniker sei es auch, der den Preis der Geräte und Einzelteile bestimmt. Die Bestimmung erfolge hauptsächlich durch die Recherche im Internet.

Problem: Rascher Preisverfall

Das D.R.Z. vertreibt Einzelteile sowie komplette Workstations, die im Zentrum neu konfiguriert werden, auch via eBay. "Der Bedarf für PCs ist sicher da, das Problem ist jedoch der rasche Preisverfall", meint Stengeli. Vor zwei Jahren habe das D.R.Z. den Versuch gestartet, Teile im Internet zu versteigern, was damals noch eher funktioniert habe. Gegenwärtig zahle sich das nicht mehr aus.

Während die "günstigeren" Geräte an den SOMA geliefert werden, verkauft das D.R.Z. auch selbst vor Ort. "Wir haben auch Rechner im Preissegment bis 100 oder 120 Euro", erläutert Stengeli. Das Zentrum beliefere auch die Mitglieder des Wiener Reparaturnetzwerks mit Kleinteilen. Daneben seien vor allem bedürftige Menschen, aber auch Personen, die das Projekt aus einem sozialen oder ökologischen Aspekt unterstützen, unter den Kunden.

Am 18. und 19. Juni findet im D.R.Z. der Trash-Design-Event statt. Transitarbeitskräfte präsentieren an diesen Tagen ihre künstlerischen Kreationen. Als Rohstoff dienen Elektroaltgeräte.

Vorbildwirkung für die Bundesländer

Müll, der nicht mehr verwertet werden kann, wird zerlegt und die "Wertstoffe" separiert. Auch die Schadstoffentfrachtung, die händische und fachgerechte Entsorgung von Schadstoffen wie Elektrolytkondensatoren und Knopfzellenbatterien, wird vom D.R.Z. erledigt. Ein weiteres Projekt ist die Trash-Design-Manufaktur. Auch diese bedient sich der Elektroaltgeräte und kreiert daraus Schmuck, Uhren und auch Möbel.

Inwieweit das Projekt auch in den Bundesländern Nachahmer findet, kann Stengeli nicht einschätzen. Die Müllsammlung erfolge in den Ländern sehr unterschiedlich und werde zum Teil von privaten Unternehmen durchgeführt. Das D.R.Z. könne die anderen SOMA-Märkte, wovon es insgesamt 20 in Österreich gibt, nicht von Wien aus beliefern. Das würde aufgrund der Transportkosten den Gerätepreis wesentlich erhöhen.

Begrenzt Müll

"Wir haben außerdem auch nur begrenzt Müll", so Stengeli. Die MA 48 verwertet die Abfälle auch selbst. Dass die Abteilung einen Teil des Mülls dem D.R.Z. überlässt, "ist eine indirekte Förderung seitens der Gemeinde", erklärt der Projektleiter.

Vorerst wurden zehn Geräte im SOMA deponiert. "Wenn die Nachfrage größer wird, dann müssen wir dementsprechend reagieren", so Stengeli. Die Kooperation erfolge sehr "unbürokratisch und spontan". Vorerst müsse abgewartet werden, wie die Nachfrage aussehe und mit welchen Wünschen die SOMA-Kunden kämen.

Blick in die Zukunft

Natürlich sei auch ein Ausweiten der Produktpalette vorstellbar. Es müsse jedoch bedacht werden, dass SOMA-Kunden oft nicht die Möglichkeit haben, Großgeräte wie Waschmaschinen zu transportieren. "Wichtig ist jetzt vor allem, dass wir einmal damit begonnen haben", meint Stengeli optimistisch.

(futurezone/Claudia Glechner)