© Fotolia/Benjamin Herzog, USB-Stick mit abgezogener Schutzkappe

Linux auf dem USB-Stick für den Schuleinsatz

BILDUNG
13.05.2009

Windows bekommt an Österreichs Schulen bald Konkurrenz: Ein Lehrerteam aus Niederösterreich hat mit LinuxAdvanced eine für den Schuleinsatz optimierte Linux-Distribution entwickelt, die direkt vom USB-Stick aus betrieben werden kann. Die Schule wird damit auch Geld sparen, da sie demnächst die Lizenzgebühren für Microsoft Office selbst übernehmen müsste.

Seit zwei Jahren wird am Kremser Bundesgymnasium Rechte Kremszeile an der Linux-Distribution LinuxAdvanced gearbeitet, die auf Debian "Lenny" basiert. Derzeit läuft die Version 9.0 anstelle von Windows auf allen PCs an der Schule. "Alle Stand-PCs in den drei Informatiksälen sind damit ausgestattet worden", so Rene Schwarzinger, der zusammen mit Klaus Misof und Ewald Zimmermann vom BG Zwettl an der Entwicklung des Systems arbeitet.

Das System kann ab Juni kostenlos von der LinuxAdvanced-Website heruntergeladen werden. Derzeit ist es nicht möglich, das System dort zu beziehen, da die Betreiber daran arbeiten, die Distribution zur GPL konform zu machen und alle Quelltexte verfügbar zu machen. In Kürze wird eine Beta-Version zum Download bereitstehen.

System passt auf Zwei-GB-USB-Stick

"Ab Herbst wird es allerdings nicht mehr lokal installiert sein", so Schwarzinger. Das Besondere an LinuxAdvanced ist nämlich, dass es als Live-System entwickelt wurde und daher direkt via USB-Stick gestartet und betrieben werden kann. "Wenn das System einmal gestartet ist, kann man so schnell arbeiten, als ob es fix am Rechner installiert wäre. Zum Booten braucht es etwa fünf Sekunden länger", sagt Schwarzinger zu ORF.at. Das gesamte Betriebssystem ist etwa 1,4 GB groß und passt somit auf einen Zwei-GB-Stick.

Schüler bespielen Stick selbstständig

Auf dem USB-Stick befinden sich insgesamt drei Partitionen: eine Systempartition, eine Datenpartition für eigene Dateien und eine Austauschpartition. Die ist bei einem Zwei-GB-Stick allerdings recht bescheiden, daher wird von den Lehrern ein Vier- oder Acht-GB-Stick empfohlen. "Die Daten, die auf der Austauschpartition liegen, können dann überall, auch unter Mac und Windows, genutzt werden", so Schwarzinger. Die Schüler bespielen sich ihre Sticks im Informatiksaal selbst. "Das dauert etwa sieben Minuten. Danach haben sie das fertige System in der Hosentasche und können es überallhin mitnehmen", erklärt der Lehrer.

Programme laufen auch zu Hause

Das Praktische an dem System ist, dass es auch zu Hause eingesetzt werden kann und die Schüler auf ihre Daten und die gleiche Arbeitsumgebung Zugriff haben wie in der Schule. "Im Bios des Computers kann man definieren, von welchem Datenträger er zuerst starten soll, und etwa auch fix festlegen, dass immer zuerst der USB-Stick gestartet werden soll, wenn er angesteckt ist. Wenn man das nächste Mal wieder Windows starten will, zieht man den USB-Stick einfach wieder ab, und die Sache ist erledigt", erklärt Schwarzinger den Vorgang.

Der LinuxAdvanced-Stick wurde speziell für den Schuleinsatz an AHS und Hauptschulen optimiert. Bei den installierten Programmen reicht die Palette von OpenOffice über das Zehnfinger-Schreiblernprogramm Ktouch, den Browser Iceweasel - die Debian-Variante von Mozilla Firefox - und den Audioeditor Audacity bis zum Bildbearbeitungsprogramm GIMP und dem Open-Source-Musikplayer Songbird. Die Programme stehen großteils auch für Windows und Mac OS X zur Verfügung.

"Schüler haben keine Berührungsängste"

Zu Hause nutzen bereits etwa 50 Prozent der Schüler das Linux-System regelmäßig. "Wir wollen keinen Grabenkampf hervorrufen, aber unser System ist einfach sinnvoller bei uns in der Schule, und gerade die Jüngeren nutzen es selbstständig und freiwillig", meint Schwarzinger. "Für die Erstklässler und Zweitklässler ist das eine ganz selbstverständliche Angelegenheit, da gibt es keine Berührungsängste. Man muss allerdings auch schauen, dass sie gewisse Begriffe aus der Windows-Welt nicht vergessen", scherzt Schwarzinger.

Auch bei den Kosten kann sich der Einsatz von LinuxAdvanced an Schulen künftig lohnen. Die Generallizenzen, die vom Bund für die Schulen gekauft werden, müssen für Microsoft-Office-Pakete ab dem kommenden Schuljahr von den jeweiligen Schulen selbst finanziert werden. "Da spart unsere Schule direkt Geld, denn wir kriegen den Betrag zurück, weil wir OpenOffice einsetzen."

"Open Source wird immer beliebter"

Auch andere Schulen denken derzeit über einen Umstieg auf OpenOffice nach. So erzählte etwa Walter Klein vom Laaer-Berg-Gymnasium in Wien ORF.at, dass an seiner Schule bereits überlegt werde, ab dem kommenden Schuljahr zu OpenOffice zu wechseln. "Open-Source-Software wird generell immer beliebter, und zwischen OpenOffice und Microsoft Office ist nicht mehr viel Unterschied. Microsoft muss seine Lizenzpolicy überdenken. Außerdem wollen wir unsere Schüler nicht dazu ermutigen, unlizenzierte Kopien anzufertigen, damit sie auch zu Hause mit den Programmen arbeiten können", so Klein über die Vorteile von Open-Source-Software.

2012 laufen beim Bund auch die Lizenzen für Betriebssysteme für Schulen aus. Bis dahin wird entschieden werden müssen, ob die Schulen auch diese zum Teil selbst zahlen müssen. "Dann ist die Entscheidungsmöglichkeit auch wieder eine sehr interessante", so Schwarzinger.

Keine "Exotenlösung"

Die budgetären Mittel für Alternativen zu Windows wie LinuxAdvanced sind derzeit eher gering. "Wir können zwar ein paar Stunden weniger unterrichten und uns auf das Projekt konzentrieren, dabei holen wir aber maximal 15 Prozent des Arbeitsaufwandes wieder rein. Der Rest ist Freizeit, Hobby, Enthusiasmus und Vision", erzählt Schwarzinger. Doch die Entwickler wissen, dass sie keine "Exotenlösung" anbieten: "In der Schweiz wird genau das Gleiche unabhängig von uns entwickelt. Dort haben sie dieselben Problemstellungen wie wir und dieselben Lösungsansätze. Wir sind schon in Kontakt getreten, um den Austausch zu forcieren."

Eigene Netbook-Klassen ab Herbst

Am BG Rechte Kremszeile werden ab Herbst eigene Netbook-Klassen eingerichtet, die alle mit LinuxAdvanced auf dem USB-Stick ausgestattet werden. Rechtzeitig davor wird die Version 9.1 des Betriebssystems fertiggestellt sein, mit der es möglich sein wird, mittels "Snapshot-Funktion" den Systemstand abzuspeichern, so dass man beim nächsten Systemstart vom USB-Stick auf die installierte Software zugreifen kann.

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(futurezone/Barbara Wimmer)