Wachroboter mit Retrocharme
Neben den Fußballrobotern treten beim diesjährigen RoboCup in Graz auch die Heimroboter gegeneinander an. Das Team Meta-Mechanics von der TU Wien schickt seinen Servicebutler und Wachroboter Mechs ins Rennen. Dieser soll dort zeigen, dass er das Heim auch sicher bewachen kann - ohne dabei selbst große Schäden anzurichten.
Wer das Forschungslabor des Teams Meta-Mechanics im vierten Wiener Gemeindebezirk betritt, glaubt im ersten Moment, er wäre in einem Wohnzimmer gelandet: Ein Couchtisch und zwei Sofas, die auf einem Teppich stehen, laden zum gemütlichen Plaudern ein. Erst bei näherer Betrachtung fallen dem Besucher die Kratzer an Tischbeinen und die Fransen am Teppich auf.
Spätestens wenn es dann heißt: "Vorsicht, der Roboter könnte Ihnen die Knochen brechen", blickt man durch den Raum und bekommt es mit der Angst zu tun. Doch der 80 Kilogramm schwere Roboter James, der mit vier Metern pro Sekunde ganz schön schnell unterwegs sein kann, steht brav in seiner Ecke und bewegt sich nicht.
"Roboter dürfen keine Gefahr darstellen"
Tatsächlich ist die bisher größte Herausforderung der Robotik, den Heimroboter sicher zu gestalten. So sicher, dass er keine Menschen umrempelt und die Wohnungseinrichtung beschädigt. "Die Roboter müssen so gut funktionieren, dass sie keine Gefahr darstellen und dass sie einen Sinn erfüllen, wie etwa einen Wachhund ersetzen", so Projektleiter Sven Olufs zu ORF.at.
Der Roboter bekommt deswegen einen Laserscanner und mehrere Kameras verpasst, mit denen er die Umgebung im 180-Grad-Winkel abtasten kann. Im Laborbetrieb sieht er bis zu 80 Meter weit, für den Heimgebrauch reichen vier Meter.
Muss der Roboter die Umwelt verstehen?
Eine weitere Herausforderung besteht darin, den Roboter dazu zu bringen, den Zweck von Dingen zu erfassen, so dass er in der Lage ist, nicht nur einen bestimmten Gegenstand zu holen, sondern bei Bedarf auch einen Ersatz dafür zu finden.
In der Gemeinde der Künstlichen-Intelligenz-Forscher gibt es diesbezüglich einen jahrelangen Streit: "Muss ein Roboter wirklich die Umwelt verstehen, um in ihr agieren zu können? Die einen sagen ja, weil er sich ja in der echten Welt bewegt. Die anderen sagen nein, das tut ein Mensch auch nicht. Wir versuchen mit unserem Ansatz beides. Wir modulieren den Roboter so, als wäre er ein lebendiges Wesen mit Bedürfnissen", erklärt Olufs den "Dual Dynamics"-Ansatz, der den aktuellen Stand der Technik wiederspiegelt.
Szenario: Wachroboter
"Dann denken wir uns verschiedene Szenarien aus, was der Roboter tun muss. Er soll etwa erkennen, ob jemand den Raum betritt. Nicht jeder will sein Zuhause verkabeln, vor allem nicht mit Kameras im Schlafzimmer. Dem Roboter kann ich in meiner Abwesenheit sagen: aufpassen. Wenn jemand reinkommt, kann er mir eine SMS schicken oder die Polizei verständigen," erzählt Teamleiter Olufs. Der Bot habe dabei durchaus Vorteile gegenüber dem bisher besten Freund des Menschen. "Einen Wachroboter muss man nicht kraulen, und böse ist er mir auch nicht", scherzt Olufs.
Gesicht mit Retrocharme
Da kaum einer einen "großen, fahrenden Schrank" im Wohnzimmer stehen haben will, wird der Haushaltsroboter meist mit einem menschlichen Gesicht versehen. Nicht so bei den Meta Mechanics. Ihre Roboter bekommen "nur" ein aus acht Mal acht LEDs bestehendes Gesicht, angelehnt an das USB-Gadget Tengu.
Es verleiht dem Roboter gewissermaßen einen 80er-Jahre-Retrocharme. Dieser wird unter anderem dadurch verstärkt, als dass sich mit den LED-Elementen auch "Pong" spielen lässt. "Viele Teams benutzen menschliche Gesichter, wir finden das allerdings sehr schräg. Unser Gesicht passt eher zum Gesamtkonzept eines Roboters", so Olufs.
EU-Forschungsprojekte als Basis
Das im Winter 2008 gegründete Team Meta Mechanics vom Institut für Automatisierungs- und Regulierungstechnik (ACIN) an der TU Wien ist dieses Jahr zum ersten Mal beim RoboCup@Home dabei.
Doch an Forschungserfahrung mangelt es zumindest den beiden Wissenschaftlern des Instituts nicht. Mit den EU-Projekten "Movement" und "Robots@Home" arbeiten sie seit längerem an der Marktreife für Roboter.
Szenario: Kaffeeserviceroboter
Roboter James kann etwa nicht am RoboCup teilnehmen, weil er zur selben Zeit in Lausanne in der Schweiz bei der jährlichen Begutachtung für das EU-Projekt gebraucht wird. Diese findet beim Industriepartner Nespresso statt. Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestle investiert derzeit in die Entwicklung von Heimrobotern.
Der neue Roboter des Konzerns wird voraussichtlich Kaffee servieren, oval wie ein Ei aussehen und - im Gegensatz zum Prototypen James - relativ klein sein. "2010 wird der Roboter fertig. In spätestens drei Jahren soll er dann in jedermanns Heim stehen", erzählt Olufs.
"Man kann nichts von der Stange kaufen"
Der zweite Roboter der Meta-Mechanics heißt Mechs und basiert auf einem Bot vom Typ Pioneer P3-DX. Derzeit ist er noch in alle Einzelteile zerlegt. Das soll sich bis zum RoboCup Ende Juni freilich ändern. Die vier Studenten gehen mit einer großen Begeisterung an die Sache heran.
"Ein Teil des Aufbaus von Mechs wurde von den Studenten selbst finanziert", erzählt der für die Hardware zuständige Projektassistent Peter Einramhof. Etwa 10.000 Euro würde das Gerät kosten, wenn es käuflich wäre. "Man kann nichts von der Stange kaufen, was so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Der Roboter hat ein Interface, aber das ganze Coden müssen wir selbst machen", so Olufs.
RoboCup als Testumgebung
Den RoboCup nutzt das Team vorwiegend zum Testen einer weiteren, neuen Heimumgebung. "Wir sehen die Wohnung zum ersten Mal zehn Tage vorher und müssen dann hinbiegen, dass alles funktioniert", so Olufs. "Und die Studenten sehen dort, worauf es wirklich ankommt", fügt er hinzu. Dort müssen die Teams binnen fünf Minuten die gestellten Aufgaben erfüllen.
"Eine Minute zu spät, und das war es", erzählt Olufs, der bereits bei mehreren RoboCups im Organisationsteam dabei war. "Die Aufgabe ist zuerst für alle gleich. Der Roboter muss zum Beispiel etwas Banales tun, wie sich vorstellen." Danach gibt es offene Aufgaben, bei denen die 22 teilnehmenden Teams zeigen können, was sie ihren Robotern beigebracht haben.
Designprojekt an der TU Wien
Die Meta-Mechanics testen öfters neue "Heimumgebungen", so fahren sie mit ihren beiden Robotern in Wien manchmal spazieren. Bei einer Ausfahrt in den Resselpark kam etwa eine Kooperation mit dem Institut für Architektur zustande.
In diesem Semester entwerfen 16 Studierende an der TU Wien das passende Design für James und Mechs, die perfekte Haushaltsroboter werden sollen. Bis dahin haben die beiden hoffentlich gelernt, keine Möbelstücke mehr umzufahren.
(futurezone/Barbara Wimmer)