Parteien zur EU-Wahl: Internet-Sperren
Anlässlich der Wahl zum EU-Parlament hat ORF.at eine Reihe von Fragen zu netzpolitischen Themen an die wahlwerbenden Parteien gestellt. Heute wollen wir wissen, unter welchen Umständen sich die Parteien Internet-Sperren bei Urheberrechtsverletzungen vorstellen können.
Am 7. Juni findet in Österreich die Wahl zum Europaparlament statt. Gerade in netzpolitisch relevanten Fragen wie zum Urheberrecht, zum Umgang mit gewalthaltigen Computerspielen und zu den grundlegenden Regeln der Telekommunikation in Europa hat das Parlament ein gewichtiges Wort mitzureden.
ORF.at hat daher allen Parteien, die in Österreich zur EU-Wahl antreten, einen Fragekatalog zu diesen Themen gestellt. Bis auf die Liste Hans-Peter Martin haben alle Parteien auf die Anfrage reagiert und innerhalb der Frist geantwortet. Wir veröffentlichen in den kommenden Tagen ihre Stellungnahmen zu je einem bestimmten Thema. Die Antworten sind in der Reihenfolge angeordnet, in der die Parteien auf dem Stimmzettel der Europawahl verzeichnet sind.
Frage eins: Internet-Sperren
Anlässlich des EU-Telekompakets wurde über Sperren des Internet-Zugangs bei Urheberrechtsverletzungen nach dem Vorbild Frankreichs diskutiert. Sind Sie für solche Netzsperren nach wiederholten mutmaßlichen Urheberrechtsverstößen? Unter welchen Umständen und auf welche Weise soll der Internet-Zugang für Endverbraucher eingeschränkt bzw. gesperrt werden können? Welche Institution soll solche Sperren verhängen dürfen?
Antwort der SPÖ:
Grundsätzlich gilt es, den freien Zugang der Userinnen und User zum Internet zu gewährleisten - und das gilt nicht nur beim Thema Copyright. Dennoch dürfen kriminelle Aktivitäten im Internet natürlich nicht geduldet und müssen geahndet werden. Dies muss aber im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention geschehen. Sowohl unser Spitzenkandidat und SPÖ-Europaabgeordneter Hannes Swoboda als auch SPÖ-Europaabgeordnete Christa Prets, die sich im Kulturausschuss mit dem Telekompaket beschäftigt haben, unterstützen die Notwendigkeit einer richterlichen Verfügung.
Die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament vertritt die Auffassung, dass es im Falle nachweislicher krimineller Handlungen (z. B im Zusammenhang mit Kinderpornografie) auch sofortige Sperren möglich sein sollen und der formelle richterliche Beschluss erst im Nachhinein erfolgen kann.
Für Swoboda hätte es einen Eingriff in die Gewaltenteilung dargestellt, wäre es Verwaltungsbehörden ermöglicht worden, den Internet-Anschluss abzutrennen. Angesichts der rasanten Weiterentwicklung der Technologien und der Notwendigkeit von mehr Schutz und Sicherheit für KonsumentInnen ist eine rasche Überarbeitung des Telekompaketes dringend notwendig, und wir werden die Gespräche nach den Europawahlen so bald wie möglich fortsetzen.
Antwort der ÖVP:
Die ÖVP ist gegen Internet-Sperren ohne richterliche Entscheidung. Es ist ein Grundprinzip unseres Rechtsstaates, dass Sanktionen gegen Straftatbestände nur durch einen gerichtlichen Beschluss, d. h. in Österreich durch einen Richter, erfolgen können. Daran ist nicht zu rütteln. Ein solcher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und in das Recht auf Informationsfreiheit darf nicht durch Verwaltungsbehörden und schon gar nicht durch die Internet-Service-Provider vorgenommen werden.
D. h., für Verstöße gegen die geltende Rechtsordnung in Österreich (z. B. im Bereich Kinderpornografie, Terrorismusbekämpfung etc.) sollen Internet-Sperren durchaus möglich sein, aber nicht "automatisch", sondern nur durch Richterentscheid.
Dafür hat sich der ÖVP-Europaklub unter der Leitung von Othmar Karas in den vergangenen Monaten eingesetzt und wird weiterhin dafür kämpfen.
Antwort der Grünen:
Für die Grünen antwortet die EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger
Netzsperren, wie sie in Frankreich vorgesehen sind, lehne ich strikt ab - das EP hat ja diesen Antrag auch abgelehnt, obwohl Frankreich und auch einige andere Regierungen sehr dafür eingetreten sind. Die Maßnahme ist überzogen und unverhältnismäßig und schränkt das Recht auf Privacy ein. Wenn überhaupt eine Sperre verhängt wird, darf das nur nach einem ordentlichen rechtsstaatlichen Verfahren stattfinden und nicht über ein wie immer geartetes Tribunal.
Antwort der FPÖ:
Für die FPÖ antwortet der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer
Ja, selbstverständlich sind wir für den Schutz von geistigem Eigentum bzw. dafür, Urheberrechtsverstöße zu ahnden. Wie im Detail beispielsweise der Internet-Zugang für den Endverbraucher eingeschränkt wird, ist eine Frage der technischen Möglichkeiten, allerdings sollten solche Sperren vor allem abschreckende Wirkung haben und außerdem zwar europaweit geregelt, aber auf nationaler Ebene durchgeführt werden.
Antwort der KPÖ:
Für die KPÖ antwortet Didi Zach, Landessprecher der KPÖ Wien und Kandidat bei der EU-Wahl
Wir sind gegen Sperren des Internet-Zugangs wegen tatsächlicher oder angeblicher Verletzung des Urheberrechts. Denn was zurzeit unter Schutz des "geistigen Eigentums" verkauft wird, dient vor allem den Profitinteressen einiger weniger großer Medienmonopole. Die Damen und Herren der Industrie, die sich so lautstark für sogenannte Urheberrechte einsetzen, vergessen zudem, dass selbst das Genie Mozart ohne musikalische Vorläufer und ohne Bleistift & Papier (die ja wer anderer erfunden hat) seine Werke niemals schreiben hätte können.
Und zudem: Wäre Mozart allein am Südpol aufgewachsen, ohne jede Möglichkeit irgendeiner Kommunikation, dann hätte er nie auch nur ein einziges Werk komponieren können. Unsere Conclusio lautet also: Die Gesellschaft schafft die Werte - auch Kunst & Kultur. Weg mit dem Urheberrecht. Und was alle brauchen, soll und muss auch allen gehören und gratis sein!
Antwort der Jungen Liberalen:
Für die Jungen Liberalen antwortet deren Spitzenkandidat Hannes Müllner
Internet-Seiten zu sperren ist ein einfaches, aber kein probates Mittel, Urheberrechtsverstöße zu ahnden. Wenn die Beweislage ausreichend ist, kann der Betreiber einer Internet-Seite gerichtlich für sein Handeln belangt und zur Unterlassung bzw. Wiedergutmachung verurteilt werden. Reicht die Beweislage nicht, so ist auch eine Sperre ungerechtfertigt, da sie eine Verletzung des Grundsatzes "In dubio pro reo" (= Im Zweifel für den Angeklagten) darstellen würde.
Der einzige Fall, in dem Sperren sinnvoll sein könnten, sind ausländische Seiten, auf die die europäische Justiz oder ihre Partner keinen Zugriff haben. Auch in einem solchen Fall kann eine Sperre aber ausschließlich gerichtlich angeordnet werden dürfen und von keiner anderen "Institution". Anders als gerichtlich verfügte Einschränkungen des privaten Internet-Gebrauchs sind inakzeptabel. Sollte man sich zur Sperrung entschließen, muss jedoch gewährleistet sein, dass diese auch technisch sinnvoll ist. Simple DNS-Locks, wie momentan
mehrfach angedacht, stellen keine ernstzunehmende Sperrung dar.
Antwort des BZÖ:
Nein zum Spitzelstaat gerade im Internet. Urheberrechte sind selbstverständlich einzuhalten, aber hier ist erstens klar zwischen kommerziellen und privaten Interessen zu differenzieren, und zweitens hat Österreich bei der derzeitigen Kriminalitätsrate größere Probleme als eine Polizeijagd auf private User. Das französische Modell ist bei massiven Widerholungstätern im kommerziellen Bereich aber sicher eine Überlegung wert, wenn sichergestellt ist, dass hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.