E-Voting: Streit über virtuelle Stimmzettel
Auf den virtuellen Stimmzetteln im E-Voting-System der ÖH-Wahl fehlen die Kurzbezeichnungen der wahlwerbenden Fraktionen. Bei einer der Parteien wurde der Name falsch angegeben. Die Chance darauf, dass die ganze Wahl aufgehoben werden wird, ist damit nach Ansicht von Verfassungsjurist Heinz Maier gestiegen. Abgebrochen werde die Wahl jedoch nicht, so Wahlkommissionsleiter Bernhard Varga.
Mangelhafte Fraktionsnamen und fehlende Kurzbezeichnungen bei der ersten Internet-Wahl zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) werden vorerst keine Auswirkungen auf die Abstimmung haben. Einen Abbruch der Internet-Wahl wegen "administrative Fehler" werde es nicht geben, betonte Varga am Dienstag gegenüber der APA. Dafür fehle die Rechtsgrundlage. Laut Wissenschaftsministerium haben bisher 830 Wähler ihre Stimme per Internet abgegeben.
Falsche Bezeichnung für Liste
Ein gerichtliches Nachspiel zusätzlich zu bereits angekündigten Anfechtungen durch wahlwerbende Gruppen vor dem Verfassungsgerichtshof machen diese Mängel jedenfalls wahrscheinlicher: Die Junge Europäische Studenteninitiative (JES) hat rechtliche Schritte angekündigt, da sie auf dem elektronischen Wahlzettel nur als "Junge Studenteninitiative" genannt wird.
Die Fachschaftslisten glauben überhaupt an die Aufhebung der gesamten ÖH-Wahl an der Universität Graz, da auf dem Stimmzettel die Kurzbezeichnungen der Fraktionen fehlen. Das ist übrigens laut dem E-Voting-Beauftragten des Wissenschaftsministeriums, Robert Krimmer, an allen Unis der Fall.
JES-Spitzenkandidat Bernhard Grubmüller spricht von einem "durchaus tragischen Fehler", da wegen der falschen Bezeichnung auf dem Internet-Stimmzettel der "Wiedererkennungswert" nicht gegeben sei. "Wir werden rechtliche Schritte bis zu einer Wahlanfechtung prüfen, denn beim E-Voting werden uns sehr viele Stimmen verloren gehen."
Die JES hat sich ein Wahlziel von zwei Mandaten gesteckt, bei der vergangenen ÖH-Wahl 2007 ging sie allerdings leer aus. Der falsche Listenname sei jedenfalls "definitiv nicht unsere Schuld", so Grubmüller. Auf den Kopien der Wahlvorschläge stehe die korrekte Bezeichnung.
Administrationsfehler bei Übertragung
"Anscheinend sind die Stimmzettel nicht perfekt, das hat aber mit E-Voting nichts zu tun", kommentierte Varga das Fehlen der Kurzbezeichnungen der Fraktionen. "Das ist ein Administrationsfehler, der bei der Übertragung in das Wahlsystem passiert ist."
Eine Anfechtung der gesamten ÖH-Wahl wegen dieser "Imperfektion" sei möglich, schließlich könne immer eine gesamte Wahl wegen eines "invaliden" Elements aufgehoben werden. "Das müssen aber die nachfolgenden Instanzen beurteilen, ob der Stimmzettel derartig mangelhaft ist, dass der Wählerwille nicht mehr nachvollziehbar ist."
Eine nachträgliche Korrektur der "Internet-Stimmzettel" ist jedenfalls nicht mehr möglich. Das System wurde am Freitag versiegelt, Änderungen sind nur wegen schwerwiegender Sicherheits- oder Systemprobleme möglich - genau wie auch ein Stopp der elektronischen Wahl. "Ein Abbruch wegen Fehlern auf dem Stimmzettel ist auch bei der Papierwahl nicht vorgesehen", sagte Krimmer.
Seit dem Start des E-Votings am Montag hätten rund 830 Studenten elektronisch gewählt, und "alles läuft recht problemlos". Auch Angriffe auf das E-Voting-System, wie sie im Vorfeld befürchtet wurden, habe es bisher nicht gegeben.
Chance auf Aufhebung "sehr groß"
Die Stimmzettel seien wegen der fehlenden Kurzbezeichnungen der Fraktionen "rechtswidrig", sagte der Wiener Verfassungsjurist Heinz Mayer am Dienstag gegenüber der APA. In der Hochschülerschaftswahlordnung (HSWO) sei fixiert, dass die Internet-Stimmzettel "in größtmöglicher Anlehnung" zu jenen für die Papierwahl darzustellen sind - und dort ist neben der Fraktion "gegebenenfalls" die Kurzbezeichnung anzuführen. "Die Chance auf eine Aufhebung der gesamten ÖH-Wahlen ist sehr groß", so Mayer.
Schließlich würden die per E-Voting abgegebenen Stimmen das Gesamtergebnis beeinflussen. Werde die Internet-Wahl also wegen der fehlenden Kurzbezeichnung von einer Fraktion angefochten, müsste laut Mayer "die gesamte Wahl wiederholt werden".
Langer Weg zum VfGH
Einzige Ausnahme: Sollte die Wahlanfechtung - zuerst bei der Wahlkommission an der jeweiligen Uni, dann beim Wissenschaftsministerium und als letzte Instanz beim Verfassungsgerichtshof - erst im letzten Viertel der zweijährigen Amtszeit rechtskräftig werden, würden die Wahlwiederholung und die reguläre kommende Wahl zusammenfallen. Dann würde laut HSWO bis zum regulären Wahltermin trotzdem jene Exekutive der ÖH vorstehen, die auf Basis der aufgehoben Wahlergebnisse gebildet wurde.
Ministerium weist Vorwürfe zurück
Das Ministerium habe die Vorwürfe genau geprüft, eine Unterbrechung sei aber nur dann angebracht, wenn "die Stimmabgabe verunmöglicht wird" - und das sei hier nicht der Fall, so der Sprecher von Wissenschaftsminister Johannes Hahn zur APA.
Durch die Langbezeichnung sei der Internet-Wahlzettel jenem für die Papierwahl "weitgehend ähnlich". Außerdem sei auch ohne Kurzbezeichnung "eindeutig ersichtlich", welche Fraktion gemeint ist.
1.000 Teilnehmer
Im Wissenschaftsministerium ist man mit dem bisherigen Verlauf der Internet-Wahl zufrieden. Bis Dienstagnachmittag hätten mehr als 1.000 Studenten das Angebot genutzt, das System sei technisch stabil und bei den Support-Hotlines würden kaum Probleme abseits von Anwendungsfehlern gemeldet. Und die Nachfrage sei weiter hoch, betonte Hahns Sprecher: Mit 18. Mai hätten sich 11.900 Studenten über eine Aktion des Ressorts mit Bürgerkarte und Lesegerät für das E-Voting ausrüsten lassen.
(APA)