Parteien zur EU-Wahl: Internet-Filter
Außer Internet-Sperren bei wiederholten mutmaßlichen Urheberrechtsverletzungen sind auch geheime Filterlisten Gegenstand der politischen Debatte auf EU-Ebene. Diese Sperrsysteme sollen, so deren Befürworter, dabei helfen, die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet zu bekämpfen. Kritiker sehen in den Sperrlisten den Einstieg in eine Vorzensur, die sich der Kontrolle durch Bürger und Gerichte entzieht.
Derzeit tobt in Deutschland ein heftiger Streit zwischen der Bundesregierung und Bürgerrechtlern über die geplante Einführung einer vom Bundeskriminalamt (BKA) verwalteten geheimen Sperrliste für Domains, auf denen kinderpornografische Inhalte verfügbar gewesen sein sollen.
Serie zur EU-Wahl
Zur EU-Wahl, die in Österreich am 7. Juni stattfinden wird, hat ORF.at sieben Fragen zur Netzpolitik an alle acht wahlwerbenden Parteien gestellt. Bis auf die Liste Martin haben alle innerhalb der Frist reagiert und geantwortet. Die Reihung der Antworten folgt jener der Parteien auf dem Stimmzettel.
Während Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Einführung einer solchen Liste für ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Kinderpornografie hält, warnen Gegner wie die FDP und die Bürgerrechtsorganisationen Chaos Computer Club sowie FoeBuD vor der Einführung eines zentralen DNS-Sperrsystems mit geheimer Domain-Filterliste beim BKA und stellen die Effektivität dieser Maßnahme - die geforderten Sperren können technisch auch von Laien einfach umgangen werden - infrage. Sie treten unter anderem dafür ein, dass die Polizei besser ausgerüstet wird und mit den bereits vorhandenen rechtsstaatlichen Mitteln gegen die Verbreitung von Kinderpornos vorgeht.
Hotlines und Kooperationsmodelle
In Österreich arbeiten die Provider im Rahmen der bereits 1999 gegründeten Initiative Stopline aktiv mit dem Innenministerium zusammen, um die Verbreitung von Kinderpornografie und NS-Material zu verhindern. Stopline wiederum ist Teil eines EU-weiten Netzwerks solcher Hotlines, die im Rahmen des "Safer Internet"-Programms der EU gefördert werden. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner verschärfte kürzlich im Rahmen des zweiten Gewaltschutzpaket die Gesetze gegen Kinderpornografie. So ist nun schon der "bewusste Konsum" des entsprechenden Materials strafbar.
Internet-Filterbestrebungen unter dem Vorzeichen der Kinderporno-Bekämpfung gibt es auch auf EU-Ebene. Am 31. März 2009 veröffentlichte der EU-Ministerrat einen Entwurf für einen Rahmenbeschluss, in dem unter Artikel 18 auch Internet-Sperren gegen Kinderporno-Inhalte gefordert werden. Dort ist allerdings vorgesehen, dass die Inhalteanbieter die Entscheidungen der Polizeibehörden anfechten können.
Im Oktober 2008 debattierte das EU-Parlament den Entwurf eines Berichts der italienischen Abgeordneten Roberta Angelilli (UEN; Alleanza Nazionale) über ein Gemeinschaftsprogeramm zum Schutz der Kinder bei der Nutzung des Internets und anderer Kommunikationstechnologien. Auch in diesem Bericht sind - allerdings noch wenig konkret - Filtersysteme gegen Kinderporno-Inhalte im Netz erwähnt.
Frage zwei: Internet-Sperren II
In Deutschland wie auch in anderen Ländern werden von Polizeibehörden schwarze Listen von Internet-Domains erstellt, die von den Providern blockiert werden müssen. Halten Sie derartige Maßnahmen für technisch umsetzbar bzw. geeignet, um z. B. Delikte wie Verbreitung von Kinderpornografie zu bekämpfen?
Antwort der SPÖ:
Wir setzen uns dafür ein, dass alle zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten genutzt werden müssen, um gegen jede Form von Gewalt anzukämpfen. Die erwähnten schwarzen Listen sind dabei eines der möglichen Instrumente. Wir brauchen eine bessere Koordination der Polizeikräfte auf europäischer - aber auch internationaler - Ebene, um wirksam gegen Verbrechen vorgehen zu können wie Kinderpornografie, Menschenhandel und jede andere Bedrohung der körperlichen und psychischen Integrität von Personen - seien es Kinder, Frauen oder Männer.
Antwort der ÖVP:
Das Sperren von Internet-Seiten mit Kinderpornografie kann ein Element im Kampf gegen Kinderpornografie sein. Solche Maßnahmen sind aber technisch schwer umsetzbar, weil relativ einfach zu umgehen und nicht treffsicher, weil dadurch andere, legale Websites, sie sich evtl. auf denselben Servern befinden, gleichzeitig mitgesperrt werden. Deshalb ist es wichtig, nach geeigneteren Maßnahmen gegen Kinderpornografie zu suchen.
Antwort der Grünen:
Für die Grünen antwortet die EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger.
Die Internet-Sperren zur Unterbindung der Verbreitung von Kinderpornografie sind weder technisch sicher umsetzbar noch geeignet zur Verbrechensbekämpfung. Das stellt sogar ein Verein von Opfern von Kinderpornografie fest, der sich gegen diese Vorgangsweise ausspricht. Kinderpornografie muss mit ausgefeilten polizeilichen Mitteln ausgeforscht und verfolgt werden. Dazu braucht es spezialisierte und erfahrene Kräfte. Die in Deutschland geplante Vorgangsweise erreicht ihr selbst gesetztes Ziel nicht.
Antwort der FPÖ:
Für die FPÖ antwortet der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer.
Ob es nachhaltig genannte Delikte verhindern kann, ist natürlich fraglich. Aber der Versuch zählt, und die Alternativen sind rar. Viel wichtiger sind aus unserer Sicht aber abschreckende Strafen und eine harte strafrechtliche Verfolgung derer, die die eigentlichen Urheber solcherlei Delikte sind.
Antwort der KPÖ:
Für die KPÖ antwortet Didi Zach, Landessprecher der KPÖ Wien und Kandidat bei der EU-Wahl.
Technisch umsetzbar - für geraume Zeit - ist vieles. Doch im Laufe der Zeit finden sich natürlich auch technische "Umgehungsmöglichkeiten". Wir halten solche Vorgangsweisen aber aus prinzipiellen Gründen nicht für zielführend, weil damit die gesellschaftlichen Ursachen z. B. für Kindesmissbrauch oder auch Geldwäsche oder Drogenhandel nicht beseitigt werden können.
Antwort der Jungen Liberalen:
Für die Jungen Liberalen antwortet deren Spitzenkandidat Hannes Müllner.
Domains zu blockieren, ist ungefähr so, als würde man den
Spruch "Geld oder Leben" verbieten und nicht den Raub selbst. Die Sperren sind leicht zu umgehen, indem man den DNS-Server umgeht und manuell die gewünschte IP eingibt. Auch IP-Sperren machen in Zeiten dynamischer IPs von Pornotauschbörsen wenig Sinn. Wenn man eine Maßnahme ergreift, sollte man sich im Klaren darüber sein, was man da tut und nicht nur um des Handelns Willen, irgendetwas vorschreiben, und wieder einmal die Verantwortung auf die Provider abzuschieben.
Antwort des BZÖ:
Alles, was der Bekämpfung von widerlichen Verbrechen wie Kinderpornografie dient, ist zu prüfen.
Lesen Sie morgen:
Welche Grundrechte sollen Internet-Benutzer haben?