Parteien zur EU-Wahl: Schutzfristen
Nach der Verlängerung der Schutzfristen von Tonaufnahmen von 50 auf 70 Jahre steht in der kommenden Legislaturperiode des EU-Parlaments die gleiche Maßnahme auch für audiovisuelles Material ins Haus. Experten kritisieren die Verlängerung der Schutzfristen als versteckte Subvention für die Industrie, von der die Künstler selbst kaum profitieren.
Anlässlich der Debatte zur Verlängerung der Schutzfristen auf Tonaufnahmen von 50 auf 70 Jahre plädierten EU-Parlamentarier wie der spanische Sozialdemokrat Manuel Medina Ortega und der irische Berichterstatter Brian Crowley von der Euro-skeptischen Fraktion "Europa der Nationen" dafür, dass eine entsprechende Fristverlängerung auch für audiovisuelle Dokumente ins Auge gefasst werden sollte. Crowley und der irische EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hatten ursprünglich eine Verlängerung der Schutzfristen auf 95 Jahre durchsetzen wollen, mit der Begründung, diese käme den Künstlern zugute.
Kritiker: "Kotau an die Tonträgerindustrie"
Doch Europäische Rechtsexperten hatten die geplante Erhöhung der Schutzdauer für Tonaufnahmen in der EU scharf kritisiert. Eine Verlängerung der Schutzfrist würde nur multinationalen Musikkonzernen mit großen Back-Katalogen zugutekommen, den Zugang zu historischen Tonaufnahmen erschweren und Kreativität und Innovation in Europa Schaden zufügen. Im Juni 2008 warnten europäische Wissenschaftler die EU-Kommission deshalb vor der Verlängerung der Schutzfrist und setzten diese mit einem "Kotau an die Tonträgerindustrie" gleich.
Die Initiative Sound Copyright, die von der britischen Open Rights Group und dem europäischen Arm der Electronic Frontier Foundation (EFF) betrieben wird, machte gegen die Ausweitung der Schutzdauer von Tonaufnahmen mit einer Online-Petition mobil.
Österreich und neun weitere EU-Staaten blockieren derzeit im EU-Ministerrat die Verlängerung der Schutzfristen auf Tonaufnahmen. Das federführende Justizministerium wollte sich zuletzt den Ansichten von Crowley und McCreevy nicht anschließen. "Elvis Presley starb im August 1977. Das ist jetzt 32 Jahre her, und seine Aufnahmen wären unter der bestehenden europäischen Schutzfrist auch weiterhin jahrzehntelang geschützt", sagte Paul Hefelle, Sprecher von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner im April zu ORF.at. Nicht zu verwechseln ist die Schutzfrist für Tonaufnahmen als Leistungsschutzrecht mit dem urheberrechtlichen Schutz auf Komposition und Text, der bis 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten bzw. Texters gilt.
Serie zur EU-Wahl
Zur EU-Wahl, die in Österreich am 7. Juni stattfinden wird, hat ORF.at sieben Fragen zur Netzpolitik an alle acht wahlwerbenden Parteien gestellt. Bis auf die Liste Martin haben alle innerhalb der Frist reagiert und geantwortet. Die Reihung der Antworten folgt jener der Parteien auf dem Stimmzettel.
Frage sechs: Schutzfristen
Das EU-Parlament hat kürzlich dafür gestimmt, die Schutzfristen für Tonaufnahmen von 50 auf 70 Jahre zu verlängern. In der nächsten Legislaturperiode sollen auch die Schutzfristen auf audiovisuelle Dokumente verlängert werden. Werden Sie für oder gegen eine Verlängerung dieser Schutzfristen stimmen? Womit begründen Sie Ihre Entscheidung?
Antwort der SPÖ:
Wir haben die Verlängerung der Schutzfristen auf 70 Jahre begrüßt, da es im Vergleich zu den ursprünglich geplanten 95 Jahren ein sinnvoller Kompromiss war, dem intensive Diskussionen und Abwägungen vorangingen.
Grundsätzlich ist zum Schutz geistigen Eigentums zu sagen, dass die SozialdemokratInnen im Europäischen Parlament immer versucht haben, eine faire Balance zwischen den Interessen und Ansprüchen der KünstlerInnen auf der einen Seite und jener der KonsumentInnen und UserInnen auf der anderen Seite zu schaffen.
Es wird in der kommenden Legislaturperiode weitere Gespräche und Verhandlungen, auch mit dem Ministerrat, geben, und wir werden zukünftige Entscheidungen in diesem Bereich unter sorgfältiger Abwägung aller Argumente treffen.
Antwort der ÖVP:
Alle ÖVP-Abgeordneten haben im Europäischen Parlament gegen eine Verlängerung der Schutzrechte für phonografische Aufnahmen in der vorgeschlagenen Form gestimmt.
Grundsätzlich bekennt sich die ÖVP aber zum Konzept des 'geistigen Eigentums'. Nur wenn 'geistiges Eigentum' wirksam geschützt wird, lohnt sich Kreativität und Innovation.
Die ÖVP ist für eine Änderung der geltenden Schutzfristen nur unter folgenden Bedingungen:
Antwort der Grünen:
Für die Grünen antwortet die EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger.
Die Verlängerung der Schutzfristen ist ein völlig unzulängliches Mittel zur finanziellen Sicherung von Künstlern – in diesem Fall Studiomusikern. Im Grund handelt es sich um eine Umverteilung von den lebenden Künstlern zu den toten (oder ihren Rechteinhabern).
Ich habe das nicht nur abgelehnt, sondern auch versucht, eine Mehrheit gegen den Vorschlag der Kommission zu schaffen. Leider waren wir nicht erfolgreich. Ich werde aber natürlich dieser Verlängerung auch für den audiovisuellen Sektor nicht zustimmen. Ich arbeite derzeit mit KollegInnen aus verschiedenen Ländern an einem Vorschlag für ein Internet-fähiges Copyright.
Antwort der FPÖ:
Für die FPÖ antwortet der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer.
Ja, wir werden für die Verlängerung stimmen, weil wir Urheberrechte stärken wollen.
Antwort der KPÖ:
Für die KPÖ antwortet Didi Zach, Landessprecher der KPÖ Wien und Kandidat bei der EU-Wahl.
Wir sind klipp und klar dagegen - siehe auch Antwort 1.
Antwort der Jungen Liberalen:
Für die Jungen Liberalen antwortet deren Spitzenkandidat Hannes Müllner.
50 Jahre sollten absolut ausreichend sein. Wer in einem halben Jahrhundert noch keinen Gewinn mit seinem Werk gemacht hat, der wird es in den nächsten zwanzig Jahren wohl auch nicht tun.
Antwort des BZÖ:
Archive sind wertvolle Ressourcen von Unternehmen, hier Schutzfristen zu verlängern, kann durchaus sinnvoll sein, wenn es um kommerzielle Verwendungszwecke geht.
Lesen Sie morgen:
Österreich fällt derzeit beim Aufbau schneller Glasfasernetze zurück. Soll die EU den Ausbau dieser Netze in Österreich fördern? Wenn ja, auf welche Weise soll sie den Ausbau unterstützen?