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ELGA: Auf der Suche nach Schwachstellen

GESUNDHEIT
29.05.2009

Bei der E-Health-Tagung 2009 hat Alexander Schanner von der ARGE ELGA über den Status quo des Projekts Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) berichtet. Im zweiten Halbjahr soll mit Pilotierungen zur Evaluierung des Systems in Österreich begonnen werden. Die Politik hinkt hinterher: Den für März versprochenen Entwurf für das ELGA-Gesetz gebe es immer noch nicht, bedauert Schanner.

Ende 2008 habe die ARGE ELGA mit den Beauftragungen zur Errichtung der E-Medikation und den zentralen Patienten- und Gesundheitsdiensteanbieter-Indizes den "Point of no return geschafft", freute sich Schanner bei der Fachtagung zum Thema IKT im Gesundheitswesen Anfang Mai in Wien.

Schanner hofft, dass die offizielle Einführung der mit etwa 30 Millionen Euro budgetierten ELGA 2012 erfolgen kann. Geht es nach ihm, dann könne der Prozess viel schneller vorangehen. Für Ende März habe das Bundesministerium eigentlich einen ersten Entwurf für das ELGA-Gesetz versprochen, "das dauert aber offensichtlich auch noch einige Zeit".

Lange Entscheidungswege in der Politik

E-Medikation

Unter E-Medikation werden elektronische Systeme zur Registrierung von Arzneimittelverschreibungen verstanden.

In Salzburg läuft seit 2007 das E-Medikation-Projekt "Arzneimittel-Sicherheitsgurt", das Anfang 2009 unterbrochen wurde. Strittig war vor allem der Punkt, wer für die zusätzlichen Kosten aufkommen soll. Der "Arzneimittel-Sicherheitsgurt" ist ein Datenbanksystem, das den teilnehmenden Patienten und ihren Apothekern eventuelle Unverträglichkeiten zwischen den Medikamenten anzeigt, die sie konsumieren.

Ein Problem seien die langen Entscheidungswege der Politik. "Es ist ein sehr komplexes Thema, und diese Komplexität auf eine Präsidententauglichkeit herunterzubrechen ist die große Herausforderung", sagte Schanner im Gespräch mit ORF.at. Auch dass die E-Medikation bis Ende 2009 zur Verfügung stehen soll, findet Schanner ein "sehr ambitioniertes Ziel".

Im März beschloss die Regierung konkret, wer mit der Umsetzung der einzelnen Projekte betraut werden soll. Während für Patientenindex und E-Medikation der Hauptverband der Sozialversicherungsträger verantwortlich ist, fallen der Gesundheitsdiensteanbieter-Index (Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken, Labors etc.) sowie das ELGA-Webportal in den Bereich des Gesundheitsministeriums.

ARGE regelt Zugriffsrechte und Datenaufbereitung

Die ARGE ELGA liefert für alle Projekte den Überbau und kümmert sich um das Berechtigungsregelwerk, nämlich wer unter welchen Umständen auf die Daten zugreifen darf. Auch das Dokumentenregister fällt in ihren Aufgabenbereich.

Derzeit plane die ARGE vier ELGA-Pilotierungen, aufgeteilt auf die vier Versorgungszonen (Nord, Ost, Süd und West) im gesamten Bundesgebiet. Die Aufforderungen an die Stakeholder, an den Projekten teilzunehmen, wurden bereits ausgesandt. Die Teilnahme der Patienten an den Projekten erfolge auf freiwilliger Basis, da die gesetzliche Regelung für die ELGA bis dato noch fehlt.

Der Kern der Pilotierungen sei der Dokumentenbereich. Die Aufgabe der ARGE sei lediglich, für die Funktionalität des Dokumentenregisters und das Service auf dem Webportal zu sorgen. Für die Speicherung der Dokumente bzw. Daten sind die Gesundheitsdiensteanbieter selbst verantwortlich.

Frage der Datenspeicherung

"Über das Dokumentenregister wird ein virtuelles Inhaltsverzeichnis erstellt", so Schanner. Wenn jemand über das Webportal einen Patientenakt öffne, sehe er - je nach Berechtigung - eine Übersicht aller verfügbaren Daten, die in den verschiedenen Archiven der Gesundheitsdiensteanbieter lägen.

Für Krankenhäuser bestehe die Archivierungspflicht schon seit längerem, weshalb diese bereits über die entsprechende Infrastruktur verfügen. Anders sei das etwa bei den niedergelassenen Ärzten, deren Datenbanken künftig auch rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssten. Hier sei eine Zusammenarbeit mit Internet-Service-Providern geplant.

Ärzte nur Konsumenten

Niedergelassene Ärzte warnen

Die niedergelassenen Ärzte haben sich gegen die zunehmende Einführung von Datenbanken und Kontrollsystemen im Gesundheitswesen ausgesprochen. Mit der ELGA könne ein für den Einzelnen unerhört brisanter Datenpool entstehen, auf den viel zu viele "Interessenten" zugreifen könnten.

In der ersten Ausbauphase von ELGA werde sich für die niedergelassenen Ärzte kaum etwas ändern. Diese seien vorerst nur Konsumenten, und ihr Zugang beschränke sich auf das Lesen der Daten. Damit brauchten sie vorerst noch keine Möglichkeit zur Datenspeicherung. Bei den niedergelassenen Radiologen - die im Allgemeinen schon einen hohen Digitalisierungsgrad aufweisen - gebe es Pläne, einen gemeinsamen Server für die Datenarchivierung zu nutzen.

Schanner sieht in der dezentralen Abspeicherung der Daten kein Sicherheitsrisiko. Zum einen gebe es die üblichen Anforderungen an Datenarchive, zum anderen sei nur den im Gesundheitsdiensteanbieter-Index verzeichneten Organisationen und Ärzten der Zugriff auf die Daten erlaubt, und dieses Register werde ständig aktualisiert.

Missbrauch verhindern

Die ELGA berücksichtige mit der EU-Patientencharta, die alle neun Bundesländer unterschrieben haben, auch das Recht eines jeden Bürgers, in seine eigenen Daten zu Diagnosen und Therapien Einsicht zu nehmen.

Alexander Schanner von der ARGE ELGA will eine rasche Umsetzung der Elektronischen Gesundheitsakte.

"Was parallel sicherlich notwendig sein wird, sind klare gesetzliche Regelungen", damit es zu keinen Missbräuchen komme, so Schanner. Eine Aufforderung eines Arbeitgebers an einen Bewerber, die ELGA-Daten "freiwillig offenzulegen", sei schon ein Gesetzesbruch. Doch generell gelte: "Was die Patienten mit den Daten machen, liegt in ihrer eigenen Verantwortung."

Andererseits ist für Schanner vorstellbar, dass eine Funktion auf dem Portal geschaffen werde, die den Patienten ermögliche, die Sichtbarkeit auf die Daten zu ändern. "Sie haben dann die Möglichkeit, dass nichts sichtbar ist, und können die leere Akte herzeigen", so Schanner.

E-Card als Schlüssel

Für den Zutritt zur ELGA biete sich als Schlüsselkarte die E-Card, und die damit bereits vorhandene Infrastruktur, an. Eine endgültige Entscheidung sei noch nicht getroffen worden. Auch die Frage, ob das der einzige Zugangsmechanismus sein soll, sei noch nicht gelöst. Als weitere Varianten böten sich der Fingerprint oder eine PIN-Eingabe an. Die E-Card ermögliche als Bürgerkarte auch den Zugriff auf die Daten von zu Hause aus.

Wichtig sei auch, dass der Patientenwille bei den Gesundheitsdiensteanbietern berücksichtigt werde. Es sei noch nicht klar, wie die Zustimmung zum Einsehen der Akte erfolgen soll. Diese könne etwa durch eine mündliche Befragung im Zuge des Aufnahmeprozesses im Spital erfolgen. Eine Möglichkeit wäre auch, dass der Patient auf dem Webportal seinen Willen festlegt, wer wann und in welcher Situation auf die Daten zugreifen kann.

Zusatzfunktionen

Angedacht sei, gewisse Informationen und Erklärungen zu den ELGA-Daten in einer für jeden Bürger leicht verständlichen Sprache zu erläutern. Die ELGA sei jedoch primär für die Gesundheitsdiensteanbieter gedacht. "Wir sollten ELGA nicht mit vielen Funktionen überfordern", warnt Schanner. Medizinische Nachschlagewerke gebe es schon genügend im Internet.

Schwachstellen

Für Schanner gibt es mehrere Schwachstellen, die durch die Pilotierungen beleuchtet werden sollen. Im technischen Bereich sei die organisationsübergreifende Kommunikation - also das Zusammenarbeiten unterschiedlicher EDV-Systeme - eine Herausforderung. Organisatorisch sei interessant, wie schnell entsprechende Dokumente zur Verfügung stünden, denn "ein überaus häufiges Problem in Spitälern ist die zeitnahe Bereitstellung der Entlassungsdokumente", so Schanner.

Darüber hinaus werde mit den Pilotierungen die Kostentangente geprüft. "Wo bestehen Mehrkosten gegenüber den normalen Investitionstätigkeiten, die die Organisationen ohnehin haben", erklärt Schanner. Und schließlich gebe es noch die legistische Herausforderung aufgrund der Verzögerungen für den Entwurf des ELGA-Gesetzes.

Restrisiko

Die Bundesgesundheitskommission beschloss die Errichtung einer eigenen Gesellschaft zur Umsetzung der ELGA. Aus der ARGE ELGA soll eine GmbH werden, an der Bund, Länder und Sozialversicherung beteiligt sind.

Bis 22. Juni werde die ARGE ELGA Details zu den Pilotierungen ausarbeiten und diese der Bundesgesundheitskommission vorlegen. Voraussichtlich werde die Projektdauer neun Monate umfassen, um genügend Daten zur Verfügung zu haben. "Hauptziel ist natürlich, dass gewisse Schwachstellen in den Systemen detektiert werden", so Schanner, "ein hundertprozentiger Ausschluss an Risikomöglichkeiten ist jedoch nirgends möglich."

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(futurezone/Claudia Glechner)