Bio-Hacking und Origami-Raumschiffe
Das Festival Coded Cultures, das ab Mittwoch im Wiener MuseumsQuartier stattfindet, widmet sich der kreativen Aneignung von Technologien und untersucht Beispiele neuer kultureller Organisations- und Produktionsformen aus Österreich und Japan.
Die "Moondust"-Nelken der Firma Suntory, die 2004 in Japan auf den Markt kamen, waren die ersten blauen Nelken der Welt. Die Farbe der Blumen kam jedoch nicht auf natürlichem Weg zustande, sondern wurde durch genetische Manipulationen erzielt und hat außer dem ästhetischen Effekt keinerlei Funktion - sie sind quasi sinnlos schön.
Das japanisch-österreichische Künstlerduo Shiho Fukuhara und Georg Tremmel hat es sich zur Aufgabe gemacht, die blauen Blumen des japanischen Unternehmens mittels Bio-Hacking wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen und in der freien Natur auszusetzen. Die solcherart doppelt genetisch modifizierten weißen Nelken werden als Teil ihres Projekts "Common Flowers" auch beim Festival Coded Cultures zu sehen sein, das am Mittwoch in Wien beginnt.
Festivalorganisatoren: Michal Wlodkowski, Matthias Tarasiewicz und Georg Russegger (v. l. n. r.).
Coded Cultures: Exploring Creative Emergences findet von Mittwoch bis Sonntag in unterschiedlichen Räumlichkeiten im Wiener MuseumsQuartier statt. Die Festivalausstellung ist bis 7. Juni im freiraum/quartier21 zu sehen. Der zweite Teil des Festivals wird Mitte Oktober im japanischen Yokohama über die Bühne gehen.
Zwischen den Disziplinen
Dort werden in einer Ausstellung, einem Symposium, zahlreichen Präsentationen und Performances künstlerisch-kreative Entwürfe vorgestellt, die zwischen Kunst, Technologie, Wissenschaft und Unterhaltung frei flottieren und interessante und spannende Möglichkeiten im Umgang mit und der Aneignung von Technologien aufzeigen.
"Wir wollen Leute und Positionen präsentieren, die sich an der Schnittstelle von verschiedenen Disziplinen befinden", sagt Georg Russegger, der gemeinsam mit Matthias Tarasiewicz und Michal Wlodkowski von der Gruppe 5uper.net für Konzept und Organisation des viertägigen Festivals verantwortlich zeichnet.
Japanische Künstler im Fokus
Einen Schwerpunkt bildet dabei der interkulturelle Austausch mit japanischen Künstlern und Szenen. So wird etwa Machiko Kusahara ihr Konzept der Device-Art vorstellen, das Kunst, Technologie, Design, Unterhaltung und Popkultur miteinander verschränkt. Anschaulich gemacht wird die Device-Art unter anderen von Ryota Kuwakubo, der seinen vierbeinigen Roboter Sta-colla und mechanische Augen zur Belebung von Objekten zeigen wird.
Tesuya Umeda deutet Ventilatoren, TV-Geräte, Kompressoren und Aquarien situationistisch zu einer Mixed-Media-Installation um, und Yuko Mohri beschäftigt sich in ihrer Installation "The execution of Mary" mit der Materialität und Objekthaftigkeit von Computern.
Klingende RFID-Chips ...
Den kreativen Umgang mit Tracking-Technologien erprobt die Ludic Society (Margarete Jahrmann, Gordan Savicic, Phillip Lammer). Mit ihrer Versuchsanordnung ToyGenoSonic bringen sie mit Hilfe von modifizierten Nintendo-DS-Konsolen RFID-Chips, die in alltägliche Objekte implementiert sind, zum Klingen.
Der slowenische Medienkünstler Saso Sedlacek tritt mit seinem Origami Space Race in den Wettstreit mit japanischen Wissenschaftlern um den Bau eines Raumschiffs aus Papierwerkstoffen. Der aktuelle Prototyp seiner Bemühungen um die ökologische Raumfahrt wird in der Festivalausstellung zu sehen sein.
Kunst und Kommerz
"Viele dieser Künstler stehen zwischen verschiedenen Systemen", meint Mitkurator Wlodkowski. "Sie können weder eindeutig der Kunst zugeordnet werden, noch sind sie fest in der Wissenschaft oder im kommerziellen Bereich verortet."
Produkte, die kommerziell verwertet werden, seien oft nur Fragmente aus interessanteren Prozessen, erläutert Mitkurator Tarasiewicz am Beispiel der österreichischen Designerin Sabine Seymour, deren Unternehmen Moondial etwa für den Sportartikelhersteller Nike einen Turnschuh mit integriertem Chip entwickelt hat. Beim Coded-Cultures-Symposium wird Seymour über die funktionale Ästhetik von tragbaren Interfaces sprechen.
Der Vielfalt der techno-kulturellen Formen wollen die Kuratoren schwerpunktmäßig aus vier Blickwinkeln zugänglich machen: Die durch digitale Medien zunehmend komplexer werdende Umwelt wird ebenso thematisiert wie mit Medientechnologie aufgeladene Objekte und ortsbezogene Medien sowie kulturelle Prototypen, in denen sich der Umgang mit Technologie und Medien verdichtet. Keynotes als Abschluss jedes Festivaltages sollen die Praktiken an theoretischen Positionen festmachen.
"Technologien allgegenwärtig"
Die im Rahmen des Festivals verhandelten Technologien seien heute allgegenwärtig und beeinflussen die Art und Weise, wie wir kommunzieren und uns durch den Alltag bewegen, so die Koordinatoren. Sie wollen Szenen vorstellen, die diese Geräte und Gadgets nehmen, aufbohren, hinterfragen und neue Umgangsweisen damit entwickeln: "Diese Künstler und Gruppen verdienen Sichtbarkeit."
(futurezone/Patrick Dax)