© Fotolia/Sven Hoppe, EU-Parlament

EU-Wahl: Martin vs. Lichtenberger

NETZPOLITIK
27.05.2009

Im Rahmen einer Wahldiskussion über Bürgerrechte im digitalen Zeitalter haben Hans-Peter Martin und Eva Lichtenberger (Grüne) über ihr Selbstverständnis als Abgeordnete debattiert. Beide treten dafür ein, mit digitalen Werkzeugen mehr Transparenz im EU-Parlament zu schaffen.

Die Bürgerrechtsorganisation Quintessenz hatte für Dienstagabend Vertreter der zur Europawahl am 7. Juni antretenden Parteien zu einer Diskussionsveranstaltung ins Wiener MuseumsQuartier eingeladen, um sich und ihre Programme vorzustellen. Implizit standen dabei die Fragen nach den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der IT-Branche - Stichwort: Software-Patente - sowie nach den Bürgerrechten im Internet-Zeitalter im Raum.

Macht des Parlaments gewachsen

Gefolgt waren der Einladung Martin und Lichtenberger, wobei sich Letztere allerdings über ein Videokonferenzsystem aus Hall in Tirol zuschalten lassen musste. Zur Einleitung übte sich Wolfgang Hiller vom heimischen Informationsbüro des EU-Parlaments in Selbstkritik. Man sei nicht "in der Breite" tätig gewesen und habe damit wohl zu wenige Bürger für die Abstimmung zur einzigen direkt gewählten EU-Institution interessieren können.

Hiller betonte, dass das Parlament in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr wichtige Kompetenzen habe erringen können. "Zwei Drittel der Gesetze werden mittlerweile im Mitentscheidungsverfahren von Parlament und Ministerrat verabschiedet", so Hiller, trete der Vertrag von Lissabon in Kraft, werde das Mitentscheidungsverfahren "zum Normalfall", die Macht des Parlaments werde wachsen.

Sachpolitik und Grundsatzfragen

Lichtenberger referierte über ihre politische Arbeit im Parlament, erinnerte an den bisher erfolgreichen Kampf gegen Software-Patente und an das Manöver, mit dem die beiden Großfraktionen der Sozialdemokraten und Konservativen hinter dem Rücken des Parlamentsberichterstatters die umstrittene Vorratsdatenspeicherung durchgedrückt hätten.

Derzeit arbeite sie unter anderem an der Position des Parlaments zur Übermittlung von Flugpassagierdaten (PNR) mit den USA mit. Hier wollten die Parlamentarier von den USA eine Begründung dafür sehen, wofür die Daten überhaupt verwendet würden. Bisher gebe es außerdem keine Einspruchsrechte und keine Überprüfungsmöglichkeit für die Bürger. Lichtenberger: "Dagegen müssen wir Widerstand leisten." Sie wolle im Fall ihrer Wiederwahl weiterhin für die Durchsetzung von Bürger- und Konsumentenrechten in der digitalen Gesellschaft und gegen Software-Patente vorgehen.

Martin erneuerte seine grundsätzliche Kritik an der EU und kündigte an, sich nach seiner Wiederwahl im Kulturausschuss des Parlaments einbringen zu wollen. "Wir haben die Herzen der Menschen verloren", sagte er. "Wir müssen den Bürokraten entgegenwirken." Martin erläuterte sein Selbstverständnis als Einzelkämpfer im Parlament. Das Konzept der Fraktionen sei veraltet und führe dazu, dass Parlamentarier, die sich nicht in allen Fragen auskennen könnten, wie Stimmvieh behandelt würden. "Vertreter der Zivilgesellschaft sind oft besser informiert als die Abgeordneten", so Martin, "in Zukunft sollten die Abgeordnete Vermittler zwischen Volksentscheiden sein, damit es ein Maximum an Bürgerbeteiligung gibt."

Mehr Transparenz durch Web-Tools

Lichtenberger verwies dagegen auf die Vorteile der Arbeit in Fraktionen. "Beim Kampf gegen die Software-Patente war es für mich entscheidend, ein Netzwerk von Verbündeten in Italien, Deutschland, Spanien und Frankreich zur Verfügung zu haben. Wenn alle nur Einzelkämpfer wären, dann würden wir uns im Plenum nur noch gegenseitig die Welt erklären und Mehrheiten bei Abstimmungen würden sich nur noch zufällig finden."

Es sei wichtig, sich bei Abstimmungen auf die Expertise von Fraktionskollegen verlassen zu können. Auch sei der Fraktionszwang im EU-Parlament keineswegs so stark wie in den nationalen Parlamenten. Die Brüche verliefen vielmehr quer durch die Fraktionen zwischen den Vertretern der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Einig waren sich Martin und Lichtenberger darin, dass die Arbeit des Parlaments über dessen Website transparenter gemacht werden müsse. Abstimmungsvorlagen und -texte sollten verständlich dokumentiert und rechtzeitig ins Netz gestellt werden. Außerdem müsse das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Abgeordneten voll dokumentiert und einfach abrufbar sein.

Bisher müssten solche Dokumentationen noch aufwendig von Bürgerrechtlern erstellt werden, sagte Lichtenberger, die auf die Arbeit der französischen Anti-Netzsperren-Initiative La Quadrature du Net in Zusammenhang mit dem EU-Telekompaket hinwies.

Mehr zum Thema:

(futurezone/Günter Hack)