© Bild: Günter Hack, Hinweisschild: E-Voting

E-Voting bei ÖH-Wahl abgeschlossen

DEMOKRATIE
28.05.2009

Im Festsaal des Bundesrechenzentrums in Wien sind am Donnerstag die Stimmen der 2.161 Teilnehmer aus dem E-Voting-System entschlüsselt und an die Wahlkommissionen übertragen worden, um den Stimmen aus der Papierwahl hinzugefügt zu werden. Das ist der vorläufige Abschluss des Projekts. Im Juni soll es evaluiert werden, das Wissenschaftsministerium macht einen weiteren Einsatz des Systems vom Ergebnis dieser Evaluierung abhängig.

Donnerstagnachmittag war im versiegelten Serverschrank im Bundesrechenzentrum vom E-Voting-Server die CD mit den abgegebenen Stimmen gebrannt worden. Unter Beisein des Sachverständigen der Zertifizierungsorganisation A-SIT und des beeideten Ziviltechnikers Wolfgang Prentner wurden die Siegel des Serverschranks gebrochen und die CD mit den Daten sowie die beiden Notebooks entnommen, auf denen die Mixing- und Entschlüsselungssoftware installiert worden waren. Die Wahldaten wurden auf die Notebooks überspielt. Von den beiden Notebooks wurde nur eines gebraucht, das andere diente als identisch konfiguriertes Sicherheitsgerät.

Die beiden Mixing-Rechner, die unter dem Betriebssystem Windows XP liefen, wurden dann in den Festsaal des Rechenzentrums gebracht, wo die weiteren Schritte vor Augen des Publikums von BRZ-Mitarbeitern und den bereits genannten Sachverständigen ausgeführt und schrittweise beglaubigt wurden. Die beiden Notebooks waren dabei nicht mit dem Netzwerk verbunden - zumindest nicht über Kabel.

Stimmen mixen

Kurz nach 17.00 Uhr wurde auf einem der beiden Notebooks der Mixing-Prozess gestartet. Um zu verhindern, dass Wähler anhand der Reihenfolge der abgegebenen Stimmen identifiziert werden können, werden die virtuellen Stimmzettel in der Oracle-Datenbank durchmischt. "Auch der Speicherinhalt wird dabei mehrfach überschrieben", so Gerald Fischer vom Institut INSO der TU Wien, der die Systemintegration begleitete, zu ORF.at.

Danach baten die Techniker Bernhard Varga, den Vorsitzenden der Bundeswahlkommission für die ÖH-Wahl, an einen der Rechner, der mit einem Kartenlesegerät ausgestattet war. Der Schlüssel, der zur Decodierung der Wahlstimmen notwendig ist, war auf vier Chipkarten verteilt worden und musste nun am Rechner zusammengeführt werden. Sowohl Varga als auch Bundeswahlkommissionsmitglied Karl-Artur Arlamovsky hatten je zwei dieser Chipkarten und verschlossene Umschläge mit den Freischaltcodes erhalten. Um den Schlüssel selbst zu generieren, seien nur drei der vier Karten notwendig, so Fischer, denn es könne eine Karte einen Defekt haben.

Entschlüsselung der Stimmen

Nachdem Varga und Arlamovsky ihre Karten eingesteckt und die Codes eingegeben hatten, zeigte das System an, dass der Schlüssel zusammengefügt sei. Mit diesem wurden nun die Stimmen entschlüsselt. Das dauerte rund 30 Minuten, bis schließlich sichtbar wurde, dass insgesamt 5.367 Stimmen vorlagen - bei der ÖH-Wahl kann jeder Wahlberechtigte sowohl für die Universitätsvertretung als auch für die Vertretung der von ihm belegten Studiengänge seine Stimme abgeben.

Nach der Entschlüsselung setzte ein Mitarbeiter des Bundesrechenzentrums nach Eingabe eines weiteren Passworts den "Postmixing-Prozess" der aus Spanien zugekauften E-Voting-Software Pnyx von Scytl in Gang. Dabei wurde für jede Universität eine Datei mit den für sie abgegebenen Stimmen im von OASIS standardisierten Format Election Markup Language (EML 460) generiert. Diese Dateien wurden anschließend mit der Software Nero auf insgesamt vier identische CDs gebrannt, die beschriftet und vom Sachverständigen signiert wurden. Zwei dieser CDs erhielten die beiden Mitglieder der Bundeswahlkommission, zwei werden im Bundesrechenzentrum archiviert. Die Wahldaten auf dem E-Voting-Server werden am Freitag gelöscht.

Übertragung ins Wahladministrationssystem

Eine der gebrannten CDs wurde von einem BRZ-Mitarbeiter in ein Notebook mit Internet-Zugang eingelegt. Dieser lud über eine mit SSLv3 geschützte Verbindung via Web-Interface die Wahldaten für jede einzelne Universität ins Wahladministrationssystem hoch. Dabei musste er jedesmal ein Passwort eingeben. Das Wahladministrationssystem unterstützt die Wahlkommissionen an den Universitäten bei deren Arbeit. Es wurde zur Erstellung der Wählerevidenz verwendet. Im Wahladministrationssystem werden auch die Protokolle der Wahlkommissionen geführt. Außerdem fließen dort die Ergebnisse aus E-Voting und Papierwahl zusammen. Das Wahladministrationssystem wurde, im Gegensatz zu Client und Server der Scytl-Wahlsoftware, nicht von der A-SIT zertifiziert.

Nach dem Upload der Wahldateien wurde sichtbar, wie viele Personen an den einzelnen Universitäten und Studiengängen vom E-Voting Gebrauch gemacht hatten. Falls an einem Studiengang weniger als drei Personen gewählt haben sollten, wurde auch das angezeigt. Diese Wähler waren benachrichtigt und zur Papierwahl aufgefordert worden, da sonst Rückschlüsse auf ihr Wahlverhalten hätten gezogen werden können. Mit Übertragung dieser Daten war auch der E-Voting-Prozess abgeschlossen.

Erste Reaktionen

Robert Krimmer, der das federführende Wissenschaftsministerium in Sachen E-Voting beraten hatte, zeigte sich zufrieden. "Zum ersten Mal sind nun in Österreich rechtsgültige Stimmen über ein elektronisches System abgegeben worden", so Krimmer zu ORF.at. "Wir sind nun in einer Liga mit Estland. Das Wichtigste ist, dass es funktioniert hat." Krimmer kritisierte nochmals das umstrittene "Test-Tool", das die Datenschutzorganisation ARGE Daten am Wochenende vor dem Start des E-Votings am 18. Mai ins Netz gestellt hatte. "Das war eine versteckte DOS-Attacke und demokratiepolitisch fragwürdig", sagte Krimmer. "Der Zugang zu einem Wahllokal wäre blockiert worden."

Hinsichtlich einiger Details gebe es aber noch Verbesserungsbedarf, so Krimmer, der dabei explizit die von E-Voting-Gegnern heftig kritisierte Einsichtnahme in den Quellcode der E-Voting-Anwendung erwähnte, die nur nach Unterzeichnung einer Verschwiegenheitserklärung möglich gewesen war. Auch der Datenabgleich zwischen Universitäten und dem zentralen Wählerverzeichnis sei nicht optimal gelaufen. Im Juni solle der ganze E-Voting-Prozess von den Projektpartnern evaluiert werden.

Evaluierung im Juni

Diese Evaluierung will auch das Wissenschaftsministerium abwarten, bevor es grünes Licht für den Einsatz eines E-Voting-Systems bei der nächsten ÖH-Wahl in zwei Jahren geben wird, so Nikola Donig, Sprecher von Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP), zu ORF.at. "Wir sehen uns die Ergebnisse der Evaluierung an und werden dann entscheiden", sagte Donig. Das gewonnene Know-how werde dann auch für andere Wahlen zur Verfügung stehen.

"Die Premiere hat technisch gut funktioniert. Wir werden uns damit in die weitere Diskussion über E-Voting einbringen", so Donig, der "alle Ziele erreicht" sieht. Lediglich die Wahlbeteiligung bei E-Voting sei leicht hinter den Erwartungen zurückgeblieben. "Beim nächsten Mal werden es dreimal so viele Wähler nutzen", gab sich Krimmer unter Hinweis auf entsprechende Erfahrungen bei Internet-Wahlen in Estland optimistisch. Bis dahin wird das E-Voting wohl auch vom Verfassungsgerichtshof geprüft worden sein. Sowohl die Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) als auch der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) haben angekündigt, die Wahl wegen des E-Votings anfechten zu wollen, da dieses das Wahlgeheimnis nicht garantiere.

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(futurezone/Günter Hack)