Google Wave: La Ola für Web-Sitzenbleiber
Dank Google Wave sollen wir alle zusammen Inhalte schreiben. Nur Sergey und Larry schauen dabei zu, wie immer. Aber ich will doch gar nicht gruppenmailen. Nicht einmal alleine.
Das haben sich die Manager von Google schon schön ausgedacht. Man ließ die Bombe zeitnah zur Frühjahrsoffensive aus Redmond platzen. Während Microsoft mit Bing das Suchen neu erfinden will und einen Game-Controller auf den Markt bringt, der uns alle zu Hampelmännern machen soll, wendet man sich ausgerechnet beim Chef aller Suchmaschinen mit Wave der Kollaboration zu.
Gut, im Englischen klingt "Collaboration" ein wenig angenehmer als im Deutschen. Gemeint ist hier statt "Zusammenarbeit mit dem Feind" das gemeinsame Verfassen von Texten. Vorzugsweise mit Freunden, Familie und anderen wehrlosen Lohnseckeln. Dabei arbeitet man dann höchstens mit seinen Inhalten Google in die Hände, und das ist ja unser aller Freund.
Es mag ja sein, dass unsere Profile durch den notwendigen Sign-in bei Wave geschärft aus diesen Textexerzitien hervorgehen werden. Aber, so erfahren wir beschwichtigend, man kann ja auch zusammen Schach spielen. Es muss nicht immer Text sein. Kein Problem. Vermutlich hat man in der Werbeabteilung von Google Programme darauf angesetzt, in denen Zeilen wie diese stehen:
IF User(Schach) = "strunzbloed"
THEN PRINT
Barbapapa(Advertising)
Und gegen die rosaroten Wabbeltierchen kann doch niemand etwas haben. Schließlich sehen wir alle nach drei bis fünf Jahren vor dem Bildschirm so ähnlich aus.
Aber selbst wenn das alles ganz harmlos sein sollte, und das Internet ist an sich ja harmlos, dann muss ich leider sagen: Dieses Wave geht mir am Wellenbrecher vorbei. Ich mag nicht zusammenarbeiten. Ich bin Misanthrop und öffne selbst Mails nur sehr widerwillig. Da muss nichts neu erfunden werden. Am liebsten spiele ich das alte Web-2.0-Spiel. Ich sag es allen, aber ich höre niemals zu.
Wem auch? Den drei Experten, die in meinen Lieblingsforen immer den gleichen Käse ablassen? Hamster im Meinungsrad, das nur um sich selbst kreist. Und mit denen soll ich in Zukunft zusammen einen Text erstellen? Nur weil Google immer Recht hat? Bin ich denn inzwischen zum Content-Sozialismus verdonnert? Niemand hat die Absicht, im Internet zusammenzuarbeiten. Schon gar nicht offiziell, denn kollektive Seminararbeiten haben an Universitäten ein Autodafe zur Folge. Und sonst arbeiten Menschen nur unter Drohung von Lohnentzug zusammen.
Nein, ich google alleine, surfe alleine und maile alleine. Deshalb sitze ich doch vor dem Bildschirm, damit mein Gegenüber mindestens ein Display entfernt sitzen muss. Wenn ich etwas mit Menschen zu tun haben wollte, dann würde ich auf die Straße gehen und dem ersten wehrlosen Rentner seine Einkaufstasche tragen. Und selbst dann reden wir im Kaffeehaus ja auch nur miteinander, bis der Ober vor mir die Bestellung des kleinen Braunen akzeptiert und wieder abgeliefert hat. Schon alleine die Idee, an einem Tisch zusammenzusitzen! Bitte!
Nein, mir reicht es, wenn ich in "World of Warcraft" einen Nachbarn gediegen vernichten kann. Dann hatte ich genug Sozialkontakt für den Abend. Gut, wenn sich Google endlich dazu durchringen könnte, ein "Destroy"-Feature einzubauen, mit dem ich die Mails mit den immer gleichen Flughafenfotos meiner Arbeitskollegen gleich kommentiert in den Papierkorb jagen könnte, dann wäre das was.
Aber "miteinander" ... die haben einfach zu viel Sonne in Kalifornien. In Redmond regnet es wenigstens öfter mal. Das holt wieder runter.
P.S.: Dieser Text wurde gemailt. Alleine.
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(Harald Taglinger)