© ORF.at/Nadja Igler, Roboter des Teams Mostly Harmless

"Roboter sollen miteinander spielen"

ROBOCUP
11.06.2009

Das Fußballroboterteam Mostly Harmless der TU Graz tritt Ende Juni in der Königsklasse des RoboCups, der Middle Size League, an. Bis dahin gilt es, das Passspiel sowie die Kooperation der Roboter untereinander zu verbessern. Dazu müssen die Bots mit unterschiedlichen Weltbildern, verloren gegangenen Informationen und vor allem Fehlern umgehen lernen.

"Das heurige Jahr ist bereits sehr gut für uns gelaufen, wir haben bei den German Open in Hannover das erste Mal in unserer Vereinsgeschichte zwei Spiele gewonnen", sagt der Teamleiter von Mostly Harmless, Stefan Galler. "Ich bin sehr zufrieden mit dem, was das Team im letzten Jahr geleistet hat. Beim RoboCup in Graz wollen wir zumindest unter die besten acht kommen."

Gegründet wurde das Mostly-Harmless-Team 2002 vom RoboCup-Koordinator Gerald Steinbauer, seit 2008 führt Stefan Galler, der eigentlich aus der Wirtschaftsinformatik kommt, das von Studenten gestellte Team an.

Das Ziel klingt nicht gerade besonders hoch gegriffen, doch Galler und sein Team haben, wie auch alle anderen heimischen Teilnehmer, mit knappen Ressourcen zu kämpfen, sowohl was die Zeit als auch das Geld betrifft. Geduld ist da eine wichtige Tugend. "Am Anfang ist man froh, wenn man spielt, dann, dass sich die Zahl der kassierten Tore reduziert. Der Fortschritt ist immer da, aber halt in kleinen Schritten", meint Galler.

Studenten statt Roboter

Derzeit beschäftigt sich "Mostly Harmless" vor allem mit der Kooperation zwischen seinen vier Robotern, die alle Namen aus Douglas Adams' Klassiker "The Hitchhiker's Guide to the Galaxy" tragen. Eigentlich treten in der Middle Size League fünf Roboter pro Team an, doch den fünften kann sich das Team nicht leisten, erklärt Galler: "Ein Roboter kostet um die 10.000 Euro. Natürlich ist es ein Nachteil, wenn wir nur mit vier Robotern antreten, aber mir es lieber, es können dafür mehr Studenten mitfahren und von den Erfahrungen beim RoboCup profitieren." Die ganze Arbeit dahinter ist ohnehin "gratis", da die Studenten hauptsächlich ihre Freizeit in das Team investieren.

Solide Robo-Kicker

Ein Roboter des Teams "Mostly Harmless" wiegt rund 38 Kilo und ist knapp 80 Zentimeter hoch. Allein die Hardware eines Bots kostet rund 10.000 Euro.

Die Roboter wurden zwar selbst entwickelt und gebaut, doch die einzelnen Teile sind teuer. Alleine die ebenfalls selbst entwickelten omnidirektionalen drei Räder für einen Roboter des Teams "Mostly Harmless" kosten um die 2.000 Euro, dafür können die Roboter sich beim Geradeausfahren gleichzeitig um die eigene Achse drehen.

Die Kostenfrage ist auch der Grund, warum die Größe der Teams in der Middle Size League nach einem kurzen Versuch mit sechs Robotern pro Mannschaft wieder auf fünf reduziert wurde, da die finanzielle Hürde für Neueinsteiger sonst zu hoch wäre.

Unterschiede in der Wahrnehmung

Bei der Koordination der Roboter geht es laut Galler vor allem darum, die unterschiedlichen Weltbilder der einzelnen Maschinen so weit miteinander abzustimmen, dass die autonom agierenden Bots auch wissen, was sie jetzt eigentlich tun sollen. Denn die Roboter nehmen ihre Umwelt unterschiedlich wahr, auch wenn die Software und die Hardware grundsätzlich ident sind.

Das liegt unter anderem an ihrer Hauptinformationsquelle, der ebenfalls omnidirektionalen Kamera, die mit 360 Grad um sich blicken kann. Sie ist unterhalb eines rundenm gewölbten Spiegels montiert, allerdings nicht starr, sodass sich der Abstand zwischen Kamera und Spiegel von Roboter zu Roboter, wenn auch nur minimal, unterscheidet und damit auch das, was der Roboter von seiner Umwelt wahrnehmen kann. Und bereits das ist eine echte Herausforderung.

Umwelt wird nach Farben gescannt

Um zum Beispiel den Ball zu finden, werden die Bilder mit einem eigenen Bildverarbeitungsalgorithmus entlang vordefinierter Linien nach Farbübergängen gescannt. Ein Übergang von grün auf weiß auf grün bedeutet eine Fußballfeldlinie, grün auf rot auf grün kann der Ball sein. Da der Ball auch hinter einem Roboter liegen kann, sind Sonderfälle wie grün-rot-schwarz ebenfalls möglich.

Verschärfte Regeln

Für das kommene Jahr muss sich das Team allerdings etwas anderes überlegen, denn ab 2010 kann der Ball ein beliebige Farbe haben und damit ist das Scannen nach Farben obsolet.

So der Roboter etwas Rotes findet, legt er ein in seinem "Blickfeld" ein Rechteck darüber und wenn dieses annähernd ein Quadrat ergibt, erkennt er darin eine Kugel und damit den Ball. Den eigenen Standort und damit auch die Position der Tore kann der Roboter anhand der weißen Linien berechnen.

Keine allgemein gültige Informationsquelle

Weitere "Fehlerquellen" wie der Kamerafokus, Lichtverhältnisse und Beleuchtung sowie das grundsätzliche Rauschen jedes elektronischen Messgeräts können die Messwerte und damit die Informationen allerdings verfälschen. Zudem können die Roboter nur jeweils sieben Meter weit scharf sehen, das Feld ist jedoch 18 Meter lang.

"Es gibt keine allgemein gültige Informationsquelle, wo drin steht, Roboter A steht auf Position X und Roboter B auf Position Y. Das ist wie beim Menschen: Wenn ich sie frage, wie weit weg liegt der Ball, werden sie vermutlich anders schätzen als ich. Trotzdem müssen wir koordinierte Aktionen starten, egal ob im Angriff oder in der Verteidigung."

Wer geht den Ball an?

Das Schwierige an der Kooperation sei, die Roboter zu einem sinnvollen und gemeinsamen Spiel zu bewegen, erklärt Galler: "Unser trivialer Ansatz ist, dass der Roboter, der dem Ball näher ist, ihn auch annimmt. Nehmen wir nun an, dass ein Roboter einen Meter entfernt ist, und glaubt, er steht zwei Meter weit weg. Der zweite steht 1,5 Meter weit weg, glaubt aber, es sind nur 80 Zentimeter. Dann wird der zweite, der eigentlich weiter weg steht, zum Ball gehen. ist. Auch wenn sie beide jeweils einen Meter entfernt sind, müssen sie sich koordinieren, sonst stürmen beide auf den Ball und das schaut dann aus wie bei der österreichischen Nationalmannschaft. Das wollen wir natürlich nicht."

Um die Koordination zu erleichtern, kommunizieren die Roboter eines Teams untereinander die von ihnen erfassten Informationen. Dazu gehört ihre eigene Position, die Position des Balles und alle anderen Objekte, die der Roboter auf dem Spielfeld noch erkannt hat. Anhand dieser Informationen können die Roboter auch zuordnen, wer Freund und wer Feind ist.

Die Tücken des Protokolls

Bei TCP/IP fragt der Sender so lange beim Empfänger nach, ob die Daten auch angekommen sind, bis er eine entsprechende Antwort erhält.

Informationsverlust als Grundannahme

Allerdings kann sich der Roboter auf diese Information nicht unbedingt verlassen, denn das Team nutzt das Übertragungsprotokoll UDP via WLAN, wodurch Informationen auch schon mal verloren gehen können. "Uns ist es lieber, wir verlieren die Hälfte der Datenpakete - wenn sie aber da sind, sind sie schnell da. In der nächsten Sekunden sind sie ohnehin schon wieder hinfällig, weil sich schon wieder alles geändert hat." Der Ball kann sich mit bis zu acht Metern pro Sekunde bewegen, die besten Teams mit bis zu fünf Metern pro Sekunde, in Summe kann sich also jede Sekunde das Verhältnis zwischen Ball und Roboter um bis zu 13 Meter verändern.

Die Kicker treten mit Pressluft und tragen dazu Flaschen mit 100 Bar mit sich. Um diese aufladen zu können, ist immer eine Tauchflasche mit dabei. Gekickt wird mit bis zu zehn Bar.

Ständige Weiterentwicklung

Die aktuellen Roboter wurden 2005 gebaut und sind seit 2006 im Einsatz, allerdings werden sie - so es Zeit und Geld zulassen - laufend optimiert. So wurden Festplatten gegen Flashspeicher ausgetauscht, da die Platten bei den, durch die hohen Geschwindigkeiten teils heftigen Zusammenstöße, leicht kaputt gingen. Auch an der Neuentwicklung der Kicker wird gearbeitet, sie sollen in Zukunft nach einer vordefinierten Flugbahn zutreten können. Dazu wurden unter anderem Experimente mit einer Highspeed-Kamera mit bis zu 1.000 Bildern pro Sekunde gemacht.

Eine zweite Bordkamera für die Bots ist ebenfalls in Vorbereitung, damit die Roboter durch die daraus berechenbare dritte Koordinate weiter und genauer sehen können - was vor allem für den Tormann wichtig wäre.

"Die Grundlagen müssen passen"

Doch dann muss auch die Software dahinter angepasst werden. "Die Ideen sind schnell gefunden, es stellt sich aber immer die Frage: Wer baut es und wer zahlt es? Und dann muss es noch einen entscheidenden Vorteil bringen. Die Grundlagen müssen ebenfalls passen, denn wenn ich super dribbeln kann, aber den Ball nicht erreiche, nutzt mir das alles nichts", so Galler. So sei zwar die Software für das Passspiel schon fertig, aber der dazu passende Kicker, der den Ball nur leicht anschupft, eben noch nicht.

Ein Forschungsschwerpunkt des Teams ist die Bildverarbeitung, um möglichst viele Infos aus einem Bild herauszuholen. Der zweite ist Sensorfusion, das Zusammenführen von Daten aus verschiedenen Sensoren. Ein zusätzlicher Sensor bedeute nämlich nicht unbedingt, dass auch der Input akkurater werde, so Galler, zudem sind die Sensoren teuer.

Daher konzentriere sich das Team auf die Kameras und die Erkennung - und die sich ständig ändernden Regeln: "Heuer muss der Ball beim Ankick abgespielt werden, das heißt, der Ball muss sich 50 Zentimeter bewegen, ein zweite Roboter muss ihn aufnehmen und dann erst gilt das Tor. Das kommt auch dem echten Fußball näher. Wenn wir dann nächstes Jahr mit einem beliebigen Ball spielen, haben wir - bis auf das Abseits - alle FIFA-Regeln." Das Abseits werde es allerdings noch länger nicht geben, so Galler, denn man wolle ja das Passspiel forcieren und "dass die Roboter miteinander spielen."

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(futurezone/Nadja Igler)