© ORF.at/Patrick Wally, Handymast

Abfuhr für die Mobilfunker

DIGITALE DIVIDENDE
08.06.2009

Während Telekomregulator Georg Serentschy nach deutschem Vorbild Teile des TV-Bandes für Mobilfunk umwidmen will, sieht Rundfunkregulator Alfred Grinschgl dabei Probleme, für die es "aus heutiger Sicht keine Lösung gibt". Von einer Umwidmung des Bereichs zwischen 790 und 862 MHz für drahtlose Breitbanddienste sei man noch "meilenweit entfernt".

Das in den letzten Wochen ausgebrochene Match um die "Digitale Dividende" ist nach Ansicht von Grinschgl, Geschäftsführer der Regulationsbehörde RTR für den TV-und Radiobereich, längst nicht entschieden.

Dabei geht es um den obersten Bereich des TV-Frequenzbandes zwischen 790 und 862 MHz. Dass dieses Spektrum ab 2015 "co-primär" an TV und Mobilfunker vergeben werden könne, bedeute jedoch nicht, "dass es definitiv zu den Telekoms wandert", sagte Grinschgl zu ORF.at. Hier gebe es eine ganze Anzahl von Problemen, für die es "aus heutiger Sicht keine Lösung" gebe.

Sein Gegenpart Serentschy, bei der RTR in ranggleicher Position für den Telekombereich zuständig, hatte sich hingegen in der vergangenen Woche für die Zuteilung dieses Frequenzbandes an die Mobilfunker ausgesprochen.

Begehrtes Frequenzband

Für die Mobilfunker sind die fraglichen Bänder zweifelos sehr gut geeignet. Zum einen sind sie ganz nahe am 900-MHz-Band von GSM, das heißt, man kann die bestehenden GSM-Masten nutzen, um dort UMTS bzw. den Nachfolgedatendienst LTE zu senden.

Dazu haben Funksignale hier eine wesentlich bessere "Gebäudepenetration" als im UMTS-Berich (2.100 MHz), weil die Radiowellen deutlich weniger stark von Gebäudefronten aus Stahlbeton und metallbedampften Fenstern reflektiert werden.

Modell Deutschland

Die deutsche Bundesregierung hatte Anfang März eine "Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung" beschlossen, die das Spektrum zwischen 790 und 862 MHz den drahtlosen Breitbanddiensten widmet.

Seitdem fordert auch die österreichische Mobilfunkindustrie diesen Frequenzbereich, zumal die terrestrischen TV-Kanäle seit ihrer Digitalisierung nun weit weniger Platz im Spektrum benötigten.

Mobilfunk und Kultur

Das stimmt zwar, doch so einfach ist die Rechnung nicht. Auf den angeblich frei gewordenen Bändern senden als "Sekundärnutzer" österreichweit Zigtausende Funkmikrofone bei Open-Air-Veranstaltungen aller Art, auf Film-Sets, in Theatern und Konferenzsälen, Radio- und TV-Studios usw.

Die Audiotechniker müssten in einen anderen Bereich des Spektrums umgesiedelt werden, meinte Serentschy zu ORF.at. (siehe Kasten links).

Seitens der RTR diskutiere man zurzeit mit den Geräteherstellern von Audioanlagen über Anzahl und Art der benötigten Frequenzen, sagte Grinschgl, von einem Konsens sei man aber noch weit entfernt.

Italien: Weiterhin TV

Zur Frage, wer den Austausch all dieser Audioanlagen wohl bezahlen soll, kommt noch der Umstand, dass Deutschland nicht der einzige Nachbar Österreichs ist.

In Italien sei zum Beispiel bereits fix, dass das gesamte Frequenzband für Rundfunkzwecke gewidmet bleibe, so Grinschgl weiter. Das heißt, über die Südgrenze Österreichs strahlen auf absehbare Zeit auch weiterhin italienische TV-Stationen ein. Auch in anderen Nachbarstaaten sei die Digitalisierung noch längst nicht abgeschlossen, somit bleibe der fragliche Bereich dort noch für Jahre von Analog-TV belegt, sagte Grinschgl weiter.

Funksignale, Landesgrenzen

In Tschechien soll Analog-TV erst 2012 abgeschaltet werden, dasselbe gilt für Ungarn und die Slowakei, Entscheidungen über eine mögliche Umwidmung von Teilen des Spektrums stehen noch aus.

Da Funksignale bekanntlich nicht an den Landesgrenzen haltmachten, so Grinschgl, werde man sich die Entwicklung in allen Ländern rundherum anschauen müssen.

Dazu komme aber noch eine ganze Reihe weiterer Faktoren, vor allem technischer Natur.

Neue Standards fürs Digital-TV

Durch die kommende Umstellung des terrestrischen digitalen Fernsehens von DVB-T-1 auf DVB-T-2 und das Codec-Upgrade von MPEG2 auf MPEG4 würden zwar Ressourcen im Spektrum eingespart. Wie der reißende Absatz von flachen Großbildschirmen aber zeige, werde hochauflösendes Fernsehen seitens der Konsumenten immer stärker nachgefragt. Alle großen TV-Stationen in Europa seien dabei, immer mehr HDTV-Sendungen anzubieten, und um diese auch terrestrisch zu verbreiten, seien neue Frequenzen nötig.

Das steht in direktem Widerspruch zum Argument seines Gegenparts Serentschy, der die HDTV-Verbreitungswege via Satellit und Kabel-TV für ausreichend hält.

Gestörte Set-Top-Boxen

Zu all dem komme noch ein weiteres technisches Problem, so Grinschgl. Die neuen Set-Top-Boxen der UPC und anderer Kabel-TV-Betreiber, die mit ihren Multiplexen auch den Bereich von 790 bis 862 MHz (Kanal 61 bis 69) bespielten, würden durch Einstrahlungen gestört.

Ein Multiplex ist - verkürzt gesagt - ein ultrabreitbandiger Sender, der auf einer Unzahl von Frequenzen ebenso viele Kanäle parallel durch das gute alte Koaxkabel jagt. Wenn dort, wo dieses Kabel in einer Set-Top-Box endet, auch ein UMTS- oder LTE-Modem funkt, das den fraglichen Frequenzbereich benutzt, sind Störungen unausweichlich.

Die Mindestwerte

Dazu existiert ein umfangreiches Gutachten, das von der UPC in Auftrag gegeben wurde. Simuliert wurde folgende Alltagssituation: Während digitales Kabelfernsehen läuft, ist im selben Raum ein Laptop mit einem UMTS-Modem aktiv, das zwischen 790 und 862 MHz funkt.

Mit einem Vektorsignal-Generator wurde ein Signal mit den typischen Eigenschaften des UMTS-Datendienstes erzeugt, das dann auf gebräuchliche Set-Top-Boxen (DVB-C) abgestrahlt wurde.

Eine Strahlungsleistung von gerade einmal acht Milliwatt führte bereits "zur Erreichung der Mindestwerte bei DVB-C" auf den Kanälen 61 bis 69. Mindestwerte bedeutet: Das TV-Signal ist auf dem entsprechenden Kanal gerade noch empfangbar.

Zwar wurde die Abstrahlung aus nächster Nähe vorgenommen (1,6 Meter), aber acht Milliwatt sind wiederum nur ein Dreißigstel der Sendeleistung von herkömmlichen UMTS-Modems.

"Meilenweit entfernt"

In Österreich wären durch derlei Störungen 1,2 Millionen Menschen betroffen, sagte Grinschgl.

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem Jahrgang '06 Journalismus und Unternehmenskommunikation an der FH Joanneum.

Von einer bevorstehenden Umwidmung könne unter diesen Umständen keine Rede sein, davon sei man noch "meilenweit entfernt". Man kenne zwar die Interessen der Telekombranche, doch 790 bis 862 MHz seien nun einmal "ein klar zugeordneter Rundfunkbereich".

Mehr zum Thema:

(futurezone/Erich Moechel)