VfGH-Präsident erneuert Kritik an E-Voting
Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), hat anlässlich der Beantwortung von Bürgerfragen seine Kritik am E-Voting bekräftigt. Holzinger empfiehlt dem Gesetzgeber explizit, "aus demokratiepolitischen Gründen" auf eine weitere Einführung elektronischer Wahlverfahren zu verzichten.
Anfang Mai hatte Holzinger die Bürger aufgefordert, ihm Fragen zum Thema E-Voting zuzuschicken. Holzinger hat nun zehn dieser Fragen beantwortet und auf der Website des VfGH publiziert. Er hatte sich schon bei früheren Gelegenheiten skeptisch gegenüber elektronischen Wahlverfahren gezeigt.
Die neuen Stellungnahmen Holzingers lassen dann auch seine grundsätzliche Skepsis gegenüber E-Voting erkennen. "Ob man das E-Voting auch bei Nationalrats- und Bundespräsidentenwahlen einführen soll, was nur der Bundesverfassungsgesetzgeber könnte, ist eine verfassungspolitische Frage. Meines Erachtens sollte man daran so wenig wie möglich ändern", schreibt er etwa auf die Frage, ob es problematisch sei, wenn E-Voting zusätzlich zur Papierwahl angeboten werde.
Verfassungsänderung notwendig
Um E-Voting bei Nationalrats- oder Europawahlen einzusetzen, müsste auf jeden Fall eine entsprechende Bestimmung mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat in die Verfassung eingefügt werden. Die ÖVP hat sich dafür ausgesprochen, nach dem Testlauf bei der ÖH-Wahl das E-Voting via Internet auch bei Wahlen auf Bundesebene einzusetzen.
Die Teilnahme an Wahlen solle, so die Argumentation der Befürworter, damit einfacher und bequemer werden und nebenbei auch die Bürgerkartenfunktion für E-Government mehr Verbreitung finden.
Während die E-Voting-Befürworter wie Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) im Vorfeld der ÖH-Wahl stets auf die Verwandschaft des Verfahrens mit der bereits verfassungskonformen Briefwahl aufgeführt haben, so zieht auch Holzinger diesen Vergleich, fasst ihn aber im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des VfGH sehr eng.
Denn für die Teilnahme an der Briefwahl gibt es Voraussetzungen, wie die voraussichtliche Verhinderung am Wahltag, die Stimme vor der Wahlbehörde abzugeben, etwa aus gesundheitlichen Gründen oder wegen eines Auslandsaufenthalts. Außerdem müsse eine eidesstattliche Erklärung des Wahlberechtigten vorliegen, dass die Stimmabgabe persönlich und geheim erfolgt sei. Holzinger: "Meine Auffassung ist, dass der Verfassungsgesetzgeber aus demokratiepolitischen Gründen diesen Weg nicht in Richtung des E-Voting fortsetzen sollte."
Der symbolische Wert des Wählens
Der VfGH-Präsident präzisiert: Die Wahlrechtsgrundsätze sollen "sicherstellen, dass im Wahlergebnis der wahre Wille der Wählerinnen und Wähler zum Ausdruck kommt - was demokratiepolitisch von eminenter Bedeutung ist. Beim E-Voting, soweit man darunter die Wahl per Computer von zu Hause aus versteht, können diese Grundsätze nicht in diesem strengen Sinn garantiert werden - und das erscheint mir problematisch."
Holzinger verweist außerdem auf die hohe Relevanz des symbolischen Akts der physischen Wahl, des Erscheinens im Wahllokal. Die physische Teilnahme an der Wahlhandlung führe den Bürgern die Bedeutung der individuellen Handlung für das Funktionieren der Demokratie vor Augen. Auch das Kostenargument lässt der VfGH-Präsident nicht gelten. "Die Wahrung dieser Wahlrechtsgrundsätze, im Besonderen der 'geheimen Wahl', ist meiner Auffassung nach letztlich gewichtiger als Kostenerwägungen - Demokratie kostet eben etwas", so Holzinger.
Unterschiedliche Rechtsordnungen
Das jüngste Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu elektronischen Wahlmaschinen hält Holzinger zunächst nicht für praktisch relevant, weil dieses auf Grundlage einer anderen Verfassungsordnung ergangen sei und es in Österreich den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl nicht gebe. Andererseits sei die Überprüfbarkeit der Wahlen, für deren Überwachung auch der VfGH zuständig ist, sehr wichtig.
Zu den Erfolgsaussichten der derzeit laufenden Initiativen der Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) und des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS) gegen das E-Voting bei der ÖH-Wahl wollte sich Holzinger nicht äußern. Derzeit seien drei Anfechtungen der Verordung des Wissenschaftsministers, mit der die ÖH-Wahl geregelt ist, beim VfGH anhängig.
Die GRAS haben allerdings nicht die Verordnung selbst angegriffen, sondern versuchen, die Wahl über die Anfechtung des Ergebnisses und die darauf zu erwartenden Reaktionen von Wahlkommission und Wissenschaftsministerium vor den VfGH zu bringen. Wie auch Holzinger betont, ist der VfGH nicht unmittelbar für die ÖH-Wahl zuständig.
(futurezone/Günter Hack)