Verfassungsrichter kippen Netzsperrengesetz
Frankreichs oberste Verfassungshüter haben das umstrittene "Loi HADOPI" gekippt und damit der Sperre des Internet-Zugangs nach wiederholten Urheberrechtsverletzungen ohne Beiziehung eines Richters eine Absage erteilt. Kulturministerin Christine Albanel will das Gesetz entsprechend anpassen.
Die in dem Gesetz vorgesehenen Netzsperren würden der Kommunikationsfreiheit widersprechen, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgelegt sei und heute auch die Nutzung des Internets umfasse, erklärte der Verfassungsrat am Mittwoch. Über einen solch schweren Eingriff dürfe nur ein Richter entscheiden und nicht eine von der Pariser Regierung geplante Kontrollbehörde.
Die französische Nationalversammlung hatte das umstrittene Gesetz nach monatelangen Diskussionen Mitte Mai beschlossen. Die oppositionellen Sozialisten waren daraufhin vor den Verfassungsrat gezogen. Der entschied nun ähnlich wie die Abgeordneten des Europaparlaments, die Sperren ohne Beiziehung eines Richters ebenfalls ablehnen.
Unschuldsvermutung untergraben
Die französischen Verfassungshüter verwiesen zudem darauf, dass das französische Gesetz zu den Netzsperren die Unschuldsvermutung untergrabe, weil der Besitzer des Anschlusses und nicht unbedingt der Verursacher der Urheberrechtsverletzung bestraft werde. Der Anschlussinhaber müsse beweisen, dass er nicht unautorisiert heruntergeladen habe. Diese Beweislastumkehr sei nicht verfassungsgemäß.
Nach dem französischen Gesetz hätte eine Behörde Internet-Nutzern nach dem Verdacht von Urheberrechtsverletzungen auf Zuruf der Rechteinhaber zunächst Abmahnungen verschickt. Bei mehr als zwei Verstößen drohte die Sperre des Anschlusses für bis zu ein Jahr; die Internet-Gebühren hätten dennoch weitergezahlt werden müssen.
"Großer Sieg für französische Bürger"
Die Entscheidung der Verfassungsrichter sei ein großer Sieg für die französischen Bürger, teilte die Bürgerrechtsbewegung La Quadrature du Net auf ihrer Website mit. Das Gesetz sei damit gestorben. Die Bürgerrechtler mahnten jedoch zur Wachsamkeit. Das nächste Gesetz zur Kontrolle des Internets in Frankreich sei bereits in Vorbereitung.
La Quadrature du Net spielte damit auf ein Ende Mai von der französischen Regierung eingebrachtes Gesetzesvorhaben an, das unter der Abkürzung LOPPSI 2 (Loi d'orientation et de programmation pour la performance de la securite interieure) läuft und unter anderem den Einsatz von Internet-Filtern vorsieht.
Gesetz soll modifiziert werden
In einer ersten Reaktion ließ Kulturministerin Albanel, Vorkämpferin für das Netzsperrengesetz, verlauten, dass sie die Entscheidung zur Kenntnis genommen habe. Es gehe ihr nun darum, das Gesetz so schnell wie möglich so zu modifizieren, dass ein Richter über die Netzsperre zu entscheiden habe.
"Es wird keine Verzögerung geben", so Albanel auf der Website des Ministeriums. "Die ersten Warnbotschaften werden noch in diesem Herbst an die Internet-Nutzer verschickt werden."
Auswirkungen auf das Telekompaket
Wenn das HADOPI-Gesetz tatsächlich so modifiziert wird, dass die Netzsperre mit richterlichem Beschluss erfolgt, dann ist es auch konform zur vom EU-Parlament zuletzt verabschiedeten Fassung der Rahmenrichtlinie im Telekompaket der Union.
Dieses wiederum steht auf der Tagesordnung des Treffens der EU-Kommunikationsminister, das am Donnerstag und Freitag in Luxemburg stattfindet, wenngleich für diesen Termin noch kein Beschluss zu erwarten ist. Auf Grundlage der jüngsten Entwicklungen wird nun auch die französische Regierung im Minsterrat der Verabschiedung des Telekompakets zustimmen können, ohne dabei ihr Gesicht zu verlieren.
(futurezone/APA/AFP)