Windows 7: In Europa ohne Internet Explorer
Der Software-Konzern Microsoft will die neueste Version seines Betriebssystems in Europa ohne den Webbrowser Internet Explorer (IE) verkaufen. Damit will das Unternehmen eine weitere Strafe der EU-Kommission abwenden. Da PC-Hersteller aber weiterhin den IE vorinstallieren können, dürfte sich für Konsumenten wenig ändern.
Wegen des bei der EU-Kommission anhängigen Verfahrens werde der IE in Europa sowohl Computerherstellern als auch Nutzern separat angeboten, anstatt diesen in Windows 7 zu integrieren, hieß es am Donnerstag auf der Website des US-Konzerns in einem Blog-Eintrag von Dave Heiner, Microsofts stellvertretendem Chefjuristen.
Das System werde so gekennzeichnet, so dass hinter der jeweiligen Versionsbezeichnung ein E eingefügt werde, beispielsweise hieße eine der Varianten des neuen Systems in Europa dann Windows 7 Home Premium E. Man habe sich in den vergangenen Tagen entscheiden müssen, in welcher Form Windows 7 an die PC-Hersteller ausgeliefert werden solle, so Heiner. Die europäische Version werde aber mit dem weltweiten Start von Windows 7 am 22. Oktober ausgeliefert, Verzögerungen seien nicht zu erwarten.
Argumentation geändert
Damit ändert das Unternehmen kurz vor einer Entscheidung der EU-Kommission über kartellrechtliche Vorwürfe gegen Microsoft abrupt seine Strategie. Bisher hatte Microsoft stets argumentiert, der IE sei ein wesentlicher Bestandteil seines Betriebssystems und dürfe daher nicht herausgenommen werden.
Die europäischen Wettbewerbshüter werfen dem Software-Konzern vor, mit der Kopplung seines Webbrowsers an Windows seine dominante Marktposition unzulässig auszunutzen. Dem Konzern drohen deswegen eine Strafe und Auflagen.
Kritik der Kommission
Zur neuen Strategie des Software-Giganten äußerte sich die EU-Kommission nun kritisch. Microsoft habe sich anscheinend entschieden, die Endverbraucher mit einer Windows-Version ganz ohne Webbrowser zu beliefern, hieß es in einer Stellungnahme der Kommission. Anstatt für mehr Wahlmöglichkeiten habe sich der Konzern offenbar für weniger entschieden. Die europäischen Wettbewerbshüter hatten vorgeschlagen, Microsoft solle eine Auswahl von Browsern in sein Betriebssystem integrieren, um den Nutzern mehrere Optionen zu bieten. Die Wettbewerbshüter könnten den Software-Konzern immer noch dazu zwingen - eine Maßnahme, die Microsoft unbedingt verhindern will.
Aber bereits der neue Schritt Microsofts könnte ein Segen für konkurrierende Browser-Anbieter wie Google, die Mozilla-Stiftung und Opera Software sein. Deren Beschwerden hatten die Prüfung durch die EU-Kommission veranlasst. Mit dem Betriebssystem Windows laufen weltweit 90 Prozent aller PCs. Die neue Version Windows 7 soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Microsoft erwirtschaftet mehr als die Hälfte seines Gewinns aus seinem Geschäft mit Betriebssystemen.
Entscheidung liegt beim Computerhersteller
Mitchell Baker, Chefin der Mozilla-Stiftung, die für den freien Browser Firefox verantwortlich zeichnet, hat am Donnerstag in einem Blog-Posting den Stand der Browser-Debatte seitens der Mozilla-Gemeinde zusammengefasst. Ihr Text sei nicht als Reaktion auf die Entscheidung Microsofts gedacht, so Baker. Der wichtigste Aspekt sei aber, dass die Entscheidung der Nutzer für einen bestimmten Browser möglichst frei sein und dann auch respektiert werden sollte. Außerdem solle Windows den IE nicht technisch bevorzugen. Weiterhin müsse Microsoft seine Nutzer darauf hinweisen, dass es auch andere Browser als den IE gebe.
Hakon Wium Lie, Technologiechef des norwegischen Browser-Herstellers Opera, der mit zu den Beschwerdeführern gegen Microsoft zählt, sagte am Freitag, dass die Entscheidung des Unternehmens nicht ausreiche, um den funktionierenden Wettbewerb wiederherzustellen.
Das Microsoft-kritische US-Weblog GrokLaw zeigt sich überrascht darüber, dass es nun so einfach sei, den IE aus Windows zu entfernen, nachdem der Konzern jahrelang in Kartellverfahren das Gegenteil behauptet habe. Außerdem werde Microsoft sicher Mittel und Wege finden, die PC-Hersteller davon zu überzeugen, dass es besser sei, den IE zu installieren als ein Konkurrenzprodukt. Dann würden die Computer weiterhin mit vorinstalliertem IE zum Kunden gelangen, für den sich damit gar nichts ändere.
Andere Optionen
Die EU-Kommission hatte Microsoft keineswegs verboten, den Internet Explorer zusammen mit dem Betriebssystem auszuliefern. Ihr ging es zuallererst um die Wahlmöglichkeit für die Konsumenten. Der Schritt, Windows in Europa ohne IE anzubieten, ist eine Entscheidung von Microsoft selbst. Wie Dave Heiner in seinem Posting schreibt, sei in den Verhandlungen auch über andere Ansätze diskutiert worden, etwa über den, dass der Nutzer bei der Installation des Betriebssystems die Browser seiner Wahl hätte aufspielen können. Angesichts der Komplexität und der divergierenden Interessen der beteiligten Gruppen, habe man sich aber dazu unilateral entschlossen, Windows ohne IE anzubieten.
Die EU-Kommission zwang Microsoft also nicht dazu, auf den IE zu verzichten. Das Unternehmen hätte durchaus andere Optionen gehabt.
(futurezone/Reuters)