© Fotolia/Ronen, Weißer WLAN-Router mit Antenne

Die Pioniere des weißen Spektrums

BÜRGERNETZE
15.06.2009

Alleine das Zweitnutzungsrecht im von Analog-TV geräumten Frequenzbereich wäre genug, um die Erfolgsgeschichte von WLAN fortzuschreiben. Störungen von Primärnutzern wie TV und Funkmikros ließen sich durch Anti-Kollisionsmechanismen zuverlässig verhindern. Die Funknetzpioniere Aaron Kaplan und Alexander List im Gespräch.

Die Mobilfunker wollen die alten Analog-TV-Frequenzen, weil sich das Spektrum sehr gut dafür eignet, die bestehende GSM-Infrastruktur, also die Sendemasten, mit Breitband aufzurüsten.

Der begehrte Bereich 790 bis 862 MHz liegt nämlich direkt unterhalb des GSM-900-Bandes, anders als bei UMTS 2,1 GHz wären so für UMTS bzw. den Nachfolgedienst LTE hier keine neuen Masten nötig.

Die TV-Stationen sehen allerdings nicht ein, warum sie einen Teil des Frequenzbereichs, der ihnen mindestens bis 2015 zugewiesen ist (470 bis 862 MHZ), an die Mobilfunker abgeben sollten. Und das, während hochauflösendes TV immer mehr nachgefragt ist, weil die passenden Flachbildschirme in immer mehr Haushalten bereits vorhanden sind.

Das sind die Ausgangspositionen der beiden großen Kontrahenten um die Nutzung der digitalen Dividende. Doch es gibt auch noch andere Mitspieler.

Die Funkmikrofone

Festivalveranstalter von Bregenz bis Mörbisch, Theater- und Studiobetreiber, Filmcrews - alle, die Audioanlagen mit Funkmikrofonen betreiben - haben bei einer Zuweisung an Mobilfunker zu befürchten, ihre gesamtes Audioequipment austauschen zu müssen.

Diese analogen Funkmikros senden als Sekundärnutzer im selben Spektrum wie die TV-Kanäle. Nach deren Digitalisierung musste man vor allem in den oberen Bereich des Bandes ausweichen: dorthin, wo der Mobilfunk gerade seine Claims absteckt.

Das weiße Spektrum

Und da ist noch eine weitere Gruppe von Interessenten, die nicht so leicht einzuordnen ist. Das dazu passende Schlagwort heißt "White Spectrum" bzw. "Open Spectrum Usage".

Verkürzt gesagt: Weil regional längst nicht alle Frequenzen von den Primärnutzern tatsächlich bespielt werden, sollte Sekundärnutzern in diesen Bereichen die Nutzung ermöglicht werden.

Die Technik, um allfällige Kollisionen mit Digital-TV und Funkmikrophonen zu vermeiden, sei längst schon im Alltag erprobt, sagen die Befürworter und verweisen auf den Triumph von Wireless LAN (WLAN).

WLAN

Mit gerade einmal drei Bändern (etwa dreimal 25 MHz breit zwischen 2,4 und 2,4835 GHz), die keineswegs nur WLAN-Betreibern, sondern auch Schnurlostelefonen, Hausfunksteuerungen, drahtlosen Videokameras usw. gewidmet sind, werden ganze Städte mit WLAN versorgt.

Das ist nur deshalb möglich, weil die Protokolle Anti-Kollisionsvorgaben beinhalten. Die WLAN-Stationen scannen das Spektrum und suchen sich automatisch einen nichtbelegten Kanal, treten Störungen auf, wechseln sie.

Die Situation in Österreich

Während Telekomregulator Georg Serentschy nach deutschem Vorbild Teile des TV-Bandes für Mobilfunk umwidmen will, sieht Rundfunkregulator Alfred Grinschgl dabei Probleme, für die es "aus heutiger Sicht keine Lösung gibt". Neben der ungelösten Frage, was aus den drahtlosen Mikrofonen wird, werden von den Kabel-TV-Betreibern Einstrahlungen in ihre Set-Top-Boxen befürchtet.

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Das Wegschalten geschehe innerhalb von Mikrosekunden, sagen Kaplan und List, Mitbegründer von Openspectrum.eu, einer jener Gruppen, die weltweit überall entstehen (siehe Linkliste unten).

Diese Reaktionszeit müsste mehr als genügen, um einem plötzlich in der Nähe aktiv gewordenen Funkmikro auszuweichen, meinen die beiden Techniker, die maßgeblich am Aufbau der Funkfeuernetze in Graz und Wien beteiligt sind. Die wenigen, vorhandenen WLAN-Kanäle musste so in einem Netz aus hunderten Access-Points aufgeteilt werden, dass die verschiedenen Nutzer eines Kanals geografisch weit genug voneinander entfernt waren, so dass sie sich nicht wechselseitig störten.

ORF.at: Wem gehört das Funkspektrum, und wer hat die Verwaltungsgewalt darüber?

Alexander List: Das Funkspektrum ist Allgemeingut, so wie die Luft zum Atmen. Allerdings ist es eine Ressource, die nur einmal da ist. Ähnlich wie beim Verkehr auf Straßen muss es gewisse Regeln geben, sonst passieren Unfälle.

Unfälle im Funkspektrum heißt, dass zwei gleichzeitig auf derselben Frequenz senden. Dann kommt es zu Störungen, und keiner hat was davon, weil keine vernünftige Übertragung mehr möglich ist.

ORF.at: Der Ursprung dieser ganzen Diskussion ist die digitale Dividende. Worum handelt es sich dabei?

Die Situation in den USA

Die US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) hatte im November 2008 Pläne für die Nutzung des unlizenzierten "White Space" für mobile Breitbanddienste abgesegnet. Nach Tests entsprechender Geräte kam man zum Schluss, dass das Spektrum genutzt werden könne, ohne dass Störungen auftraten

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List: Unter dem Begriff digitale Dividende versteht man gemeinhin den Teil des Funkspektrums, der im Prinzip frei wird durch die Umstellung vom analogen zum digitalen Fernsehen. Digitale Übertragungsverfahren sind wesentlich effizienter als analoge Übertragungsverfahren, und darum kann man auf einem Kanal, der bisher von einem Fernsehsender verwendet wurde, drei oder vier Programme übertragen. Im Prinzip bräuchte man, rein theoretisch - Milchmädchenrechnung - nur ein Drittel der Bandbreite von zuvor.

ORF.at: Wodurch dann große Teile der jetzt genutzten Bandbreite frei werden würden. Wer könnte von dieser Entwicklung profitieren, bzw. wem können dadurch Nachteile entstehen?

Aaron Kaplan: Prinzipiell interessieren sich mehrere Gruppen dafür. Das sind einerseits die Mobilfunkbetreiber. Die Hersteller von drahtlosen Funkanlagen, die in diesem Bereich sind, wollen nicht absiedeln. Und es gibt eine dritte Gruppe, die sich auch sehr dafür interessiert, das sind die Breitbanddienste, die nicht unbedingt Mobilfunker sind. Zum Beispiel Wireless ISP, also Service Provider für Funkinternet.

Die können mit diesem frei werdenden Spektrum, wie man schon bei Wireless LAN gesehen hat, Erstaunliches erreichen. Das frei werdende Spektrum könnte man sehr, sehr effizient nutzen, um große Teile der Bevölkerung, die im Moment schlecht mit Internet versorgt sind, auf dem Land und in Grenzregionen, wirklich gut zu versorgen.

ORF.at: Würden alle jetzt genannten Parteien im gleichen Maße profitieren, bzw. sind die Anforderungen an alle Bereiche gleich?

WLAN-Bürgernetze

Die beiden WLAN-Funkfeuernetze über den Dächern von Graz und in Wien bestehen mittlerweile aus ein paar hundert Knoten und umspannen weite Teile beider Städte. Mitmachen kann jeder, der ein WLAN-Antennchen so montieren kann, so dass es einen der Funkfeuerknoten "sieht". In Barcelona und in Athen sind derartige WLAN-Stadtnetze bereits auf 5.000 bzw. 7.000 Knoten angewachsen.

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List: Mobilfunkdienste, wie sie bisher üblich waren, brauchen exklusive Frequenzen. Exklusive Frequenzvergabe ist ein Relikt aus dem 20. Jahrhundert, als die Funksysteme im Prinzip nicht vorher in einen Kanal hineinhörten, ob er auch wirklich frei ist, bevor sie senden.

Daher sind klassische Mobilfunkdienste auf Fernsehfrequenzen problematisch. Speziell im Grenzbereich mit Nachbarstaaten, die entweder sehr spät daran denken, auf digitales Fernsehen umzusteigen, oder wie Italien überhaupt keine Absichten haben, irgendwelche Teile des Spektrums freizumachen, gibt es Probleme.

Die Italiener sagen: "Wir haben so viele Fernsehstationen, wir brauchen das ganze Spektrum für Fernsehen." Und das würde sich dann gegenseitig stören, speziell in Grenzregionen. Das wiederum sind in der Regel eher dünn besiedelte Regionen, die mit Breitband versorgt werden sollten.

ORF.at: Dann wäre es für Mobilfunkbetreiber also problematisch, diese noch durch TV belegte Frequenzen zu nutzen?

List: Es ist zumindest fraglich, ob es genau in den Regionen, wo es notwendig wäre, etwas bringen würde, und ob die Mobilfunker überhaupt Anreize hätten, ihre Netze dort auszubauen.

Kaplan: Im Prinzip würde die ganze Volkswirtschaft davon profitieren. Wenn man sich anschaut, was für einen Riesenschub an Innovation und Produktivität Wireless LAN gebracht hat, und was da für Umwegerträge zum - Beispiel an Mehrwertsteuer - nebenbei hereinkamen, kann das meiner Meinung nach einen großen Effekt haben.

Die Innovation, der Rang des Forschungsstandort Österreichs und der gesamte wirtschaftliche Impact einer Gesamtnutzung kommen im Endeffekt dem Staat zugute.

ORF.at: Bis wann rechnen Sie mit einer Entscheidung?

List: Es laufen derzeit Gespräche speziell auf Europaebene. Soweit wir das beurteilen können, werden die Entscheidungen noch in diesem Jahr getroffen.

Der Grund: Auf globaler Ebene werden Entscheidungen darüber, wie Frequenzen verwendet werden, auf den sogenannten World Radio Conferences der ITU getroffen. Die nächste ist 2011. Damit man darauf vorbereitet ist, muss die Entscheidung in Europa noch heuer fallen.

ORF.at: Wie viel Zeit vergeht dann bis zur Umsetzung?

List: Das wird länderspezifisch ganz unterschiedlich sein. Manche Staaten haben gesagt, sie wollen erst 2015 auf digitales Fernsehen umsteigen. Andere haben Teile dieser frei werdenden Frequenzen schon Mobilfunkdiensten zugewiesen, wie Schweden beispielsweise.

ORF.at: Wenn wir jetzt von digitaler Dividende sprechen, dann sprechen wir ja von Frequenzen, die durch die Einführung von Digital-TV - mehr oder weniger - frei geworden sind. Wäre eine digitale Dividende auch in anderen Bereichen der Frequenznutzung denkbar?

List: Ja. Das ist eine Diskussion, die ebenfalls gerade auf europäischer Ebene läuft. Derzeit können Mobilfunkanbieter UMTS nur per hohe Frequenzbänder über zwei Gigahertz verwenden. Auf den unteren Mobilfunkbändern (900 MHZ) darf nur GSM abgestrahlt werden. Das ist aber nicht so effizient. Das heißt: Wenn man den Mobilfunkern erlaubt, auch in diesen unteren Bändern, die ihnen bereits gehören, effizienter zu arbeiten, könnten sie im Prinzip in ihrem eigenen Frequenzbereich von einer digitalen Dividende profitieren.

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem Jahrgang '06 Journalismus und Unternehmenskommunikation an der FH Joanneum.

ORF.at: Warum wird UMTS nicht schon längst auf 900 MHZ betrieben?

List: Weil es die Lizenzverträge nicht erlauben. Die Rahmenbedingungen, Frequenznutzungspläne, geben seit Beginn des 20. Jahrhunderts genau vor, welche Art von Funkdienst auf welcher Frequenz verwendet werden darf. Das muss geändert werden.

(futurezone/Erich Moechel)